Читать книгу Glock 17 - Emely Bonhoeffer - Страница 22

Szene 18:

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Man kann nicht in die Leute hineinschauen. Man kann nicht sehen, ob sie gute oder böse Absichten besitzen, kann nicht sehen, auf was sie zielen oder wer sie sind. Das müssen sie einem schon selbst erzählen.

Olivia aber konnte bis zu einem gewissen Grad aus der Körpersprache und dem Verhalten der Menschen all das herauslesen. Jahrelanges Training und eine ausgeprägte Intuition waren ihr Schlüssel zu den noch so komplexesten menschlichen Schlössern. Jedoch besaß das verängstigte Mädchen, das bei ihren letzten Worten ein paar Schritte zurück gemacht hatte, diese Fähigkeit nicht.

Deswegen erzählte Olivia ihr: „Noch vor einigen Jahren dachte ich, ich würde nie da rauskommen.“

„Aus dem Kartell?“

Olivias Miene verhärtete sich. „Aus dem Kartell. Aus den Händen dieser Schwerverbrecher. Du bist nur eine Randfigur in ihrem riesigen System, doch ich war ganz tief drinnen. Ich habe die Kartellmauern von innen gesehen. Tag für Tag. Seit meiner Geburt. Ich wurde gequält, gefoltert, und alles, was mir einen Lebenssinn gab, wurde mir rücksichtslos entrissen.“

Olivia war bei klarem Verstand und so wusste sie, dass sie dieses Mädchen, das so viel Trauer in ihrem Blick trug und so viel Angst in sich, nicht kannte und sich hier absolut auf ihr Bauchgefühl verließ, welches ihr zuflüsterte, es sei definitiv richtig und kein Risiko, dem fremden Mädchen diese pikanten Informationen über sich anzuvertrauen. Immerhin befand sie sich in derselben oder zumindest einer ähnlichen Situation wie Olivia einst. Ihr Kopf dagegen hatte gleich zu Beginn des Gesprächs zu toben angefangen und sie gefragt, ob sie wirklich so gerne sterben würde, denn das ließe sich leicht einrichten. Schließlich quatsche sie mit dieser ihr völlig Unbekannten über ihre Vergangenheit und ihre Identität und gab ihr somit alle relevanten Informationen, um sie auf dem Silbertablett dem Kartell auszuliefern und ihren gesamten Rachefeldzug zu durchkreuzen. Doch Olivia hatte ihren Menschenverstand für diese eine Situation stummgeschaltet und fuhr nun ganz in Ruhe fort.

„Meine Antriebskraft war vor langer Zeit einmal meine kindliche Freude und Liebe gewesen, doch als sie mir das alles nahmen, entdeckte ich etwas anderes in mir: Zorn. Abgrundtiefen, bitteren Zorn und all diese dunklen Gefühle, die bleiben, wenn die guten sich verabschiedet haben: Wut, Hass, Abscheu und so viele mehr. Irgendwann jedoch kam ich an einen Punkt, an dem ich bereit war, aufzugeben und in irgendeiner Ecke vor mich hin zu verrotten. Mein Wille hielt mich zum Glück auf und ich erinnerte mich daran, dass, sollte ich jetzt aufgeben, sie für immer gewonnen hätten. Und da sind wir bei der Frage, was ich eigentlich will. Die Antwort ist einfach: Rache. Ich will Rache an jedem Einzelnen von ihnen üben und so arbeite ich mich vor. Angefangen bei den kleinen Fischen bis hin zum großen Hai. Ich werde sie allesamt umbringen.“

Die Wut war wieder in ihr und ihre Augen glühten, als sie das Mädchen an den Schultern packte. „Ich weiß, du stehst ganz kurz davor, aber wenn du jetzt aufgibst, kriegen sie das, was sie wollen: eine weitere hoffnungslos gehorsame Seele, die sie zu allem zwingen können, was ihnen so in ihren schmutzigen Sinn kommt. Ich lasse nicht zu, dass sie weiterhin gewinnen!“

Ihr Bauch hatte recht. Das Mädchen hatte nur einen Hoffnungsschimmer gebraucht, eine Person, die das Gleiche wie sie hatte durchmachen müssen und daraus Stärke geschöpft hatte. Jemanden, der ihr Leiden beendete. „Ich hole dich hier raus – und zwar sofort. Für heute ist Sergio mein Ziel, der Veranstalter dieser schicken Party. Arian ist eigentlich nur ein kleines Rädchen im Getriebe, aber keine Sorge: Für das, was er dir getan hat, werde ich ihn auch bestrafen. Ich beende, weswegen ich hier bin, und dann kommst du erst mal mit zu mir. Oder hast du einen Ort zum Schlafen?“ Das Mädchen schüttelte den Kopf.

„Ich kümmere mich um dich. Versprochen.“

Hoffnung legte sich in die Züge der jungen Frau und vor Erleichterung fiel sie Olivia um den Hals.

„Muchas gracias, mi salvadora“, flüsterte sie ihr ins Ohr. Meine Retterin. Sie lösten sich voneinander.

„Ich sage dir jetzt, wie es laufen wird, okay?“ Das Mädchen nickte. Olivia weihte sie in ihren Plan ein, dann verließen sie die Toilette, vor deren Tür sich bereits eine erhebliche Schlange gebildet hatte, und das Spiel ging weiter.

Glock 17

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