Читать книгу Glock 17 - Emely Bonhoeffer - Страница 6
Szene 1:
ОглавлениеWie sie es gewohnt war, erwachte Olivia um fünf Uhr morgens, als die Sonne kurz vor ihrem Aufgang stand. Normalerweise wurde sie nie von den ersten Sonnenstrahlen geweckt. In der Vergangenheit hatte sie das farbenprächtige Spiel des Sonnenaufgangs nur sehr selten beobachten können – bis zu dem einen Tag, der für sie alles verändert hatte.
Nachdem es ihr gelungen war.
Als sie dann endlich die Chance dazu gehabt hatte, war es atemberaubend gewesen.
Der Moment, in dem sie auf der schlecht befestigten Straße gestanden hatte, umgeben von Steinwüste und ein paar vertrockneten Büschen, die frische und sich langsam erwärmende Luft eingeatmet hatte, und ihren Blick nicht von den Farben am Himmel wenden konnte, war einer der wenigen schönen Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit. Damals war ihr der Regen egal gewesen, der wie ein kleines Wunder die ausgedörrten Böden getränkt und sie selbst bis auf die Knochen durchnässt hatte. Ihre Kleidung hatte an ihr geklebt und ihre Haare waren feucht gewesen von den schimmernden Tropfen, die auf ihrer Zunge so süß wie Honig geschmeckt hatten.
Und absolut alles, was in diesem Augenblick gezählt hatte, war das Farbspiel am Horizont, das ihr zum ersten Mal in ihrem Leben das Gefühl von echter Freiheit gegeben hatte.
Nach diesem Tag hatte sie nie mehr so empfunden.
Es war der Anfang eines neuen Kapitels in ihrem Leben gewesen.
Eines, in dem sie den Stift in der Hand hielt.
Eines, das sie selbst schrieb.
Die Erinnerung war schön, trotzdem musste sie sich hier und heute der Gegenwart zuwenden. Zwar hatte sie am Abend zuvor einen Bastard ausgelöscht, aber es war ihr nicht genug gewesen. Erst, wenn sie alle unter der Erde lägen, könnte sie ihre Ruhe finden, doch das würde wohl noch etwas dauern.
Weil sie sich jedoch bereits seit einiger Zeit in London befand, musste sie sich langsam anpassen. Obwohl die Schulpflicht in England nur bis zum 16. Lebensjahr bestand, war ihr Verbündeter, Ryan, trotzdem der Meinung gewesen, es wäre unauffälliger, wenn sie eine dieser elitären, lokalen Schulen besuchte. Olivia würde sich unter ihre Schüler mischen, die nicht einmal ansatzweise eine Ahnung von dem Leid hatten, das auf dieser Welt existierte. Die nicht wussten, was Kälte und Schmerz mit einem Menschen machen, wie sie ihn verändern und prägen konnten. Weder ahnten sie, wer sie wirklich war, noch, warum sie sich hier aufhielt.
Das würde ein Spaß werden, dachte sie und verdrehte innerlich die Augen. Dennoch vertraute sie auf die Intelligenz ihres engsten Verbündeten.
Wenigstens musste sie in der zweiten Sekundarstufe keine hässliche Uniform mehr tragen. Zumindest ein Pluspunkt.
Ihr Plan bestand darin, nicht aufzufallen, sich jedoch auch nichts gefallen zu lassen.