Читать книгу Glock 17 - Emely Bonhoeffer - Страница 19

Szene 15:

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Die Mall war echt voll, aber was hatte sie erwartet? Es war immerhin ein warmer Samstagnachmittag in London. Natürlich wimmelte es überall von Touristen. Wie sie sich an den vielen kleinen Souvenirläden erfreuten und versuchten, etwas ganz Besonderes, Seltenes und Schönes zu finden, es dann aber doch immer eine Tasse mit der Queen darauf wurde. Erbärmlich. Und doch auch beneidenswert in einer Hinsicht: Sie waren damit glücklich. Glücklich, denn in ihrem sonst so langweiligen Leben war dieses Shoppen in einem von Londons berühmtesten Einkaufszentren ein echtes Highlight. An etwas so Einfachem wie einer Tasse konnten sie sich erfreuen. Olivia wusste, dass es nichts brachte, die Menschen mit ihrer normalen und glücklichen Vergangenheit und ihrem unkomplizierten Leben zu beneiden, vor allem, weil sie es wahrscheinlich auch nicht immer leicht gehabt hatten, aber ihre Sorgen und Probleme standen unzählige Stufen unter Olivias. Trotzdem tat sie es, weil sie nicht anders konnte.

Ein fröhliches „Olivia!“ riss sie aus ihren Gedanken. Tiffany winkte ihr schon von Weitem und drängelte sich in ihrem Sommerkleid durch die Menschenmenge zu ihr durch. Sie selbst trug weiße Shorts und ein bauchfreies, rotes Top. Beides war praktisch und nicht zu warm. Ihre Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz hochgebunden und auf ihrem Kopf thronte eine Sonnenbrille. Als Tiffany sie erreichte, umarmte sie Olivia stürmisch.

„Ich bin so froh, dass es dir wieder bessergeht und du gekommen bist! Ganz ehrlich: Ich habe wirklich kurz gedacht, du würdest absagen oder einfach fernbleiben. Na ja, du bist nicht so der Gruppentyp, oder?“, plapperte sie unbedacht los. Danach sah sie ein bisschen beunruhigt aus. So, als hätte sie Angst, mit ihrer Frage eine Grenze bei Olivia überschritten zu haben. Deswegen schob sie keine zwei Sekunden später nach: „Ist es okay, dass ich dich das frage? Oder ist es zu direkt? Ich meine, abgesehen davon, dass wir uns noch nicht so gut kennen, habe ich gesehen, wie beeindruckend du kämpfen kannst, wenn du wütend bist …“ Leicht verlegen stotterte sie und plötzlich wurde Olivia bewusst, warum Tiffany so beliebt war: Sie war wirklich nett, verdammt fröhlich und gleichzeitig echt charmant mit ihrer Art.

Olivia beruhigte sie: „Es ist okay. Ich schlage eigentlich nur zu, wenn ich muss oder wenn ich finde, der Typ hat es verdient. Aber du hast recht: Ich bin mehr die Einzelgängerin.“

„Wieso?“ Es kam sogleich die Nachfrage. In Tiffanys Augen konnte sie ehrliches Interesse erkennen.

„Na ja, Gruppenaktivitäten und generell jegliche Unternehmungen mit Leuten haben irgendwie immer etwas mit Vertrauen zu tun, und da meins mal auf Übelste missbraucht wurde, halte ich mich lieber erst mal etwas im Hintergrund. Ich bin nicht schüchtern, mir fällt es nur schwer, jemandem wirklich zu vertrauen.“ Das war die Wahrheit. Zumindest ein Teil von ihr.

„Das tut mir leid...“ Kurz schien Tiffany darüber nachzudenken, weitere Fragen zu stellen, verwarf es dann aber wieder und wechselte das Thema, wofür Olivia äußerst dankbar war. Sie wollte ihr nicht mehr Lügen auftischen als nötig. „Also, wo wollen wir als Erstes hin? Ich brauche dringend einen neuen Bikini. Apropos Bikini: Zayn und ich schmeißen morgen eine Poolparty und ich wollte dich einladen, besonders auf Zayns Wunsch hin.“

War ihre Nachricht bei ihm gestern etwa nicht angekommen? Oder warum sollte er sie einladen wollen, nachdem sie ihn niedergeschlagen hatte?

„Wieso sagt er es mir nicht selbst, wenn es ihm so wichtig ist?“ Olivia fand es komisch, dass Zayn sie überhaupt dabeihaben wollte, aber das konnte sie Tiffany schlecht sagen, zumal sie noch nicht wusste, was Zayn seiner Freundin von ihrer Aktion gestern mitgeteilt hatte.

„Na ja, die Party ist schon morgen, und da ich mich heute mit dir treffe, meinte er, ich solle dich lieber persönlich einladen. Allerdings hat er auch gesagt, dass ich nicht erwähnen soll, dass es auch seine Party ist und er will, dass du kommst … Ups!“ Tiffany lächelte sichtlich zufrieden mit sich selbst. Natürlich hatte sie es ihr absichtlich gesagt.

„Wieso hast du es mir dann erzählt?“, hakte Olivia neugierig nach.

„Weil ich dich mag und weil ich Zayns beste Freundin bin, will ich nicht, dass du nur sein Riesenego zu sehen bekommst. Er ist eigentlich viel mehr als das. Ich glaube, er mag dich total, obwohl er gestern irgendwas davon geschwafelt hat, du hättest ihn k.o. geschlagen.“

Eigentlich hätte Olivia sich zumindest ein bisschen schlecht deswegen fühlen sollen, doch sie konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Aber ich bin mir sicher, du hattest deine Gründe. Weißt du, obwohl die meisten es nicht glauben, ist Zayn nicht gerade sehr trinkfest und na ja, der Alkohol ist ihm wohl etwas zu Kopf gestiegen, weswegen ich mich auch entschuldigen will, falls er etwas … nicht so Gentleman-likes getan oder gesagt hat. Ich bin zu hundert Prozent überzeugt, dass er es nicht so gemeint hat.“

„Nein, passt schon, das war nur ein kleines … Missverständnis.“

Glücklicherweise tat Tiffany seine Aussage als irrelevantes Gerede ab. Tiffany wechselte erneut das Thema, scheinbar eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen. „Du scheinst anders zu sein als diese ganzen arroganten Mädels an unserer Schule. Das finde ich gut. Mein Motto ist: Jeder kann versuchen, jemand anders zu sein, aber nur du kannst am besten du selbst sein.“

Olivia musste kichern. Tiffany war nicht so wie die meisten. Sie war süß, witzig und gleichzeitig schien sie eine bewundernswert positive Einstellung zu besitzen.

„Wir sollten jetzt mal so langsam los, immerhin ist die Party morgen und ich brauche noch einen Bikini. Kommst du denn?“ Geduldig wartete Tiffany auf eine Antwort.

Olivia wollte ihr nicht absagen, das wäre unhöflich, außerdem war es doch nur eine Party. Andererseits war sie von der letzten Fete mit Tiffany mit Blut an den Fingern nach Hause gekommen. Sie rang mit sich. Eigentlich wollte sie wirklich zur Party gehen, deshalb ging sie das Risiko ein. „Na klar. Immerhin kann ich Zayn doch nicht enttäuschen, wenn er wirklich so eine tolle Persönlichkeit hat, wie du sagst.“ Spaßeshalber zwinkerte sie Tiffany zu.

„Toll! Ich schicke dir noch die Adresse. Komm dann einfach so gegen zwei vorbei“, sagte Tiffany, bevor sie sich wieder dem zuwandte, weswegen sie hergekommen waren. „Okay, ich kenne einen supersüßen Laden mit Badesachen, der dir gefallen könnte. Fangen wir doch dort an“, schlug sie aufgeregt vor. Ohne eine Antwort abzupassen, lief sie schon los.

Olivia folgte ihr zu einem Geschäft, das Bademode aller Art auf mindestens drei Etagen verteilt verkaufte. Meterhohe Wände, allesamt mit bunten Graffitis besprüht, und Spiegel an jeder Ecke, die das einfallende Sonnenlicht reflektierten und den sowieso schon gigantischen Laden nochmal doppelt so groß erscheinen ließen.

„‚Supersüß‘ habe ich mir irgendwie anders vorgestellt“, gestand Olivia ihr, „definitiv kleiner und rustikaler, mit mehr rosa vielleicht.“

„Die Umkleiden sind – bei den Mädels zumindest – knallpink, bei den Jungs eher kräftig dunkelblau. Ansonsten ist der Laden echt der beste, wenn’s um Bikinis geht“, schwärmte Tiffany.

Olivia fragte sich insgeheim, woher sie so genau wusste, in welcher Farbe die Männerumkleiden gestrichen waren. Aber sie sollte recht behalten: Die Auswahl war riesig und traf exakt Olivias Geschmack in Sachen Mode. Kurz musste sie den Kopf schütteln über diesen Gedanken. Erst seit ihr vor guten drei Jahren die Flucht aus dem Kartell gelungen war, hatte sie einen eigenen Modegeschmack entwickelt. Noch vor vier Jahren hatte sie nicht einmal einen Gedanken an etwas so Banales wie Mode verschwendet, an etwas so Normales. Etwas, mit dem sich jedes Mädchen in ihrem Alter hätte beschäftigen sollen, einfach, weil es gezeigt hätte, dass nichts Schweres ihre junge Seele belastete und die Sachen, um die ihre Gedanken kreisten, sich auf Dinge wie Mode bezogen. Hätten, hätten, hätten … hatten sie sich aber nicht. Zum Glück lenkte Tiffany sie nun von ihren Gedankengängen ab, die Olivia sowieso nur wieder zurück zur Quelle ihres ewigen Leidens gebracht hätten: ihrer Vergangenheit.

Schon bald hatten sie beide etwas gefunden, das ihnen gefiel. Tiffany entschied sich für einen dunkellila Badeanzug, der ihr grandios stand und zu ihren braunen Locken passte, und Olivia nahm einen Bikini in dunkelblau mit in die Umkleide, bei deren Betreten sie von der schieren Menge an Pink förmlich erschlagen wurde. Olivia sah in ihrem so gut aus, dass sie, als beide vor ihren Kabinen standen und sich gegenseitig ihre Sachen präsentierten, mehrere interessierte Blicke von den anwesenden Jungen bemerkte. Ein paar blieben sogar stehen und pfiffen, nur um dann einen Kommentar loszulassen, bei dem sie jedes Mal die Augen verdrehte.

„Sie haben nicht Unrecht“, stimmte Tiffany ihnen zu, „du siehst wirklich gut aus.“

„Du aber auch“, gab Olivia sofort zurück.

Beide zogen sie wieder ihre normalen Klamotten an und kauften die anprobierten Sachen. Als sie das Geschäft mit den Taschen in ihren Händen verließen, fühlte sich das Leben für Olivia ein kleines Stück leichter an als normalerweise und sie lachte befreit und glücklich. Tiffany fiel mit ein und dabei merkte Olivia, dass sie ihr ans Herz zu wachsen schien. Zum ersten Mal seit Langem erkannte sie in einem Menschen eine wahrhaftige und aufrichtige Freundin. Genau das konnte Tiffany für sie werden, wenn sie es zuließ.

Schließlich klapperten sie noch vier weitere Läden ab und im dritten fand Olivia ein hübsches Kleid, perfekt geeignet für ihre Pläne heute Abend. Wie immer war es knapp und eng, diesmal jedoch blutrot und funkelnd im Licht, weil sie wusste, dass Sergio ein Faible für alles Glitzernde besaß. „Ziemlich viel Glitter“, kommentierte Tiffany. „Für was brauchst du so ein Kleid eigentlich? Ich weiß zwar, dass du offenbar gerne feiern gehst, aber das muss schon eine echt spezielle Party sein.“

„Heute Abend bin ich so eine Art unerwartete Überraschung auf einer sehr exklusiven Feier“, erklärte Olivia geheimnisvoll. Tiffany musste sich wohl oder übel mit dieser Antwort zufriedengeben.

Nach dem Shoppen holten sie sich noch ein Eis und setzten sich an den Hafen, um die Wellen zu beobachten, in denen sich das Licht der bereits untergehenden Sonne brach. Es war zwar ein schöner Nachmittag gewesen, doch leider musste er irgendwann enden. Sobald die Nacht den Tag ablöste, musste Olivia sich ihrer Vergangenheit stellen und sie erneut durchleben, nur, um mit ihr abschließen zu können. Nachdem sie sich von Tiffany verabschiedet hatte und ein letztes Mal auf das unruhige Wasser im Hafenbecken zurückblickte, streifte ein Gedanke sie mit voller Entschlossenheit:

Heute Nacht, Sergio, wird dein Blut das Wasser färben. Deine Leiche wird hier untergehen und mit ihr all das Leid, das du mir und allen anderen bereitet hast. Dann wandte sie der Szenerie den Rücken zu.

Glock 17

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