Читать книгу Glock 17 - Emely Bonhoeffer - Страница 27

Szene 23:

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Sämtliche Blicke hafteten an ihr und Gespräche verstummten, als sie zur Party eintraf. Olivia trug ihren neuen, dunkelblauen Bikini mit einem leichten Strandoverall darüber. Eine Sonnenbrille schmückte ihren Kopf und sie hatte eine kleine Strandtasche mit all ihren Wertsachen und einem Handtuch dabei. Dass sie angestarrt wurde, störte sie nicht im Geringsten. Selbst die wenigen, die zu der lauten Musik tanzten, hielten inne und beobachteten sie interessiert. Olivia schlenderte an ihnen allen vorbei und begab sich auf die Suche nach Tiffany. Außer einigen Leuten aus ihrer Klasse und den meisten aus ihrer Schule gab es hier auch noch wenige Menschen, die sie noch nie gesehen hatte. Das zweite Anwesen der Cherletons, Tiffanys Familie, war im Strandhaus-Stil eingerichtet und wesentlich kleiner als das, wo die erste Party stattgefunden hatte – das Haus, in dem sie Zayn geküsst und dann bewusstlos geschlagen hatte. Doch daran wollte sie jetzt nicht denken. Sich zu fragen, wie er wohl reagieren würde, wenn er sie jetzt wiedertraf, war nicht hilfreich. Sie würde nur spekulieren können und sich verrückt machen, deshalb wartete sie einfach ab, was wohl passieren würde. Spätestens um 18 Uhr müsste sie sowieso wieder zurück sein, da sie Leyre in ihrem Appartement zurückgelassen hatte. Ihr war zwar nicht besonders wohl dabei, aber mitnehmen konnte sie sie aus mehreren Gründen nicht. Außerdem hatte sie Ryan damit beauftragt, ein Auge auf sie zu haben. Mittlerweile sprach Leyre sogar mit ihm. Zwar nur das Nötigste und immer in einer demütig zu Boden blickenden Haltung, aber sie machte Fortschritte. Tausend Mal hatte Olivia ihr versichert, dass Ryan Freund und nicht Feind war und er es sich niemals erlauben würde, sie anzufassen. Zudem hielt er sich immer bewusst auf Abstand zu Leyre, um ihr keine Angst einzujagen.

Endlich entdeckte Olivia die Gastgeberin, die gerade dabei war, die Caterer zusammenzustauchen. Während Olivia sich näherte, bekam sie mit, dass es sich wohl um die Farbe der Cupcake-Toppings drehte. Scheinbar hatte Tiffany blau und lila angedacht, aber es wurde lila und rosa umgesetzt.

„Hey, tolle Party!“ Olivia lenkte Tiffanys Aufmerksamkeit von den gestresst wirkenden Männern weg, die ihr dafür äußerst dankbar waren.

Tiffany freute sich, als sie ihre Freundin zu Gesicht bekam. „Endlich bist du da! Jetzt kann die Party richtig losgehen.“

Während sie Olivia umarmte, lachte diese glucksend. „Ich freue mich auch, dich zu sehen.“

„Ganz ehrlich, wie findest du es? Ich könnte es mit den Lichterketten etwas übertrieben haben …“, meinte Tiffany, doch Olivia beruhigte sie: „Es ist super hier. Die Location ist der Hammer und die Stimmung auch. Es ist richtig gut geworden.“

„Ich bin seit acht Uhr morgens am Organisieren, Aufbauen lassen und Verschieben. Es sollte perfekt sein.“

„Das ist es“, versicherte Olivia ihr.

„Wunderbar! Jetzt, wo du da bist, will ich unbedingt auch mal in den Pool.“ Tiffany lief unmittelbar los. Olivia folgte ihr und entdeckte, dass sie direkt am Poolrand unter großen Palmen extra zwei Liegen für sie beide reserviert hatte. Anstatt am Beckenrand zu stoppen, rannte ihre Freundin immer schneller, und sprang vollständig bekleidet ins kühle Nass. Olivia jedoch stellte ihre Tasche erst mal an einer der beiden Liegen ab und streifte alles an überschüssiger Kleidung ab. Dann stieg sie über die Leiter ins erfrischende Wasser.

Als es ihr bis zum Bauch reichte, blieb sie jedoch abrupt stehen: Es versetzte sie in ein paar schreckliche Momente zurück. Das türkisfarbene Nass umspielte ihren Körper in kleinen Wellen, doch allein diese Berührung reichte, um es wieder in ihrem Mund gluckern zu spüren.

Und zu fühlen, wie die Hand sie erbarmungslos unter Wasser drückte.

Ihre Schreie im Ohr und der Geschmack von Salz in ihrem Mund.

Gefangen in ihrer Angst vergaß sie das Atmen.

„Olivia, komm zu mir!“ Tiffanys Stimme riss sie aus ihrer Starre und sie schwamm zu ihr in die Mitte des Beckens. Es waren zwar nur wenige Augenblicke gewesen, aber die Erinnerung hatte sie in einen Hurrikan der Gefühle geschleudert und ihr wieder einmal gezeigt, wie mächtig ihre Vergangenheit war. Langsam ließ sie ihren Atem ruhiger werden und die erstickenden Gefühle verschwanden so plötzlich, wie sie aufgekommen waren. In der Mitte des Pools erreichte sie Tiffany und sie fingen an, wie die anderen Gäste zur Musik zu tanzen. Zwar konnten sie sich im Wasser nicht so gut bewegen, doch das hinderte sie nicht daran, ihren Spaß zu haben. Nach einer Weile stiegen sie aus dem Pool und ließen sich von der Sonne auf ihren Liegen trocknen. Olivia achtete darauf, dass ihre langen Haare die Narbe an ihrer Schulter die meiste Zeit verdeckten.

Ihr Gespräch war mittlerweile bei einem, wie Olivia herausgefunden hatte, beliebten Thema von Mädchen angelangt: Jungs. Typisch normal und das tat Olivia jetzt gut.

„Und? Auf wen hast du ein Auge geworfen?“, fragte sie Tiffany interessiert.

„Ich weiß nicht ganz …“, lautete die für ihren Geschmack viel zu vage Antwort.

„Ich werde dich eiskalt nerven, bis du damit rausrückst!“, versprach Olivia. Den Satz hatte sie in einem Film aufgeschnappt.

„Okay, okay“, lenkte ihre Freundin ein. „Erinnerst du dich an Jordan? Der Typ in der Reihe vor dir?“

Natürlich erinnerte sie sich an ihn. Der Name allein hätte schon gereicht. Jordan war nett und witzig – das hatte sie bei dem Gruppenprojekt, währenddessen sie sich angefreundet hatten, festgestellt. Als Kind war er adoptiert worden und seinen Eltern gehörte eine große Modekette. Sie hatte die Akten von fast jedem Schüler auf Auffälligkeiten durchkämmt und sich dabei automatisch ein paar Eckdaten eingeprägt. Darauf war sie trainiert worden. Wie dem auch sei, Jordan war eine tolle Wahl – und einer von Olivias ersten Freunden an der Schule.

„Na klar erinnere ich mich! Ich kenne ihn sogar persönlich“, antwortete sie. „Er ist echt cool und ihr würdet gut zusammenpassen. Jetzt musst du ihn nur noch ansprechen.“

„Das … könnte etwas schwierig werden“, gestand Tiffany. „Na ja, ich bin nicht die Beste im Ansprechen …“

Olivia winkte ab. „Kein Problem, ich kann dir helfen“, bot sie an.

Dankbar strahlte Tiffany sie an, bevor das Gespräch eine Wendung nahm.

„Und, Olivia? Auf wen hast du ein Auge geworfen?“, erkundigte sie sich mit einem Grinsen im mit Sommersprossen überzogenen Gesicht. Bevor Olivia jedoch antworten konnte, ertönte eine wohltuende Stimme hinter ihr. „Auf niemand Geringeren als mich.“ Innerlich erschrak Olivia. Zayn. Super. Der wollte bestimmt reden. „Ganz schön viel Selbstbewusstsein für einen Kerl wie dich“, konterte sie. Sie stand auf und drehte sich zu ihm um. Was sie sah, verschlug ihr die Sprache: Zayn trug nur eine dunkelblaue Shorts, die ihm tief auf den Hüften hing, und sah darin beeindruckend gut aus. Er war muskulös, aber nicht so überladen wie manch andere Jungen. Bei so wenig Kontrast an seinem Oberkörper kamen seine Augen besonders gut zur Geltung. Saphirblau funkelten sie sie an. „Ich habe kein Auge auf dich geworfen“, log Olivia. Vom ersten Tag an war er ihr aufgefallen, wenn auch erst negativ. „Das ist gut“, log nun Zayn weiter. Einer seiner Arme griff nach ihr, während er eindringlich sagte: „Wir müssen reden.“ Was auch sonst!, dachte sich Olivia, doch sie lenkte ein. „Von mir aus.“ Sie befreite sich aus seinem Griff und zog sich ihre Sandalen und den Overall wieder an. „Ich bin gleich wieder da“, versprach sie Tiffany, die belustigt daneben saß und offenbar total Zayns Meinung war. „Ihr solltet echt reden.“ Mit energischem Kopfnicken unterstrich sie ihre Worte. „Lasst euch ganz viel Zeit!“ Sie zwinkerte Olivia zu, dann zog Zayn diese auch schon durch die Masse an Tanzenden und hinter ein etwas weiter entfernt stehendes Gartenhäuschen. Hier war die Musik nur noch gedämpft zu hören. Sofort nachdem sie dahinter verschwunden waren, befreite sich Olivia aus seinem lockeren Griff und verschränkte die Arme demonstrativ vor der Brust. Abwartend blickte sie ihn an. Er wollte reden, er konnte also auch anfangen. „Ich bin verwirrt …“,

setzte er nach ein paar Augenblicken an zu sprechen, doch sie unterbrach ihn seelenruhig: „Ich

weiß.“

„Du hast mich k. o. geschlagen …“

Er kam auch dieses Mal nicht sonderlich weit. „Auch das weiß ich.“ Sie nahm sich zusammen und

sagte: „Ich weiß, wie das alles auf dich wirken muss, aber ich kann es dir nicht so erklären, dass du es

verstehen würdest. Jedoch war das, was ich getan habe, notwendig …“

„Notwendig?!“, fragte er entgeistert. „Du hast mich erst geküsst und dann bewusstlos geschlagen.

Was soll ich davon halten?“

Olivia wurde langsam wütend. „Du weißt nur nicht, was du davon halten sollst, weil du es nicht

verstehst. Es war zu deinem Besten! Ich habe dich doch nur geküsst, weil …“ Sie verstummte. Das

Ende des Satzes durfte sie ihm nicht verraten, aber, um ehrlich zu sein, wusste sie nicht wirklich, ob

es da nicht doch mehrere Gründe gegeben hatte.

Zayn wirkte nun nicht mehr sauer, sondern neugierig. „Ja? Warum hast du mich geküsst?“ Er legte

den Kopf schief und trat näher an sie heran. Daraufhin wich sie einige Schritte zurück und spürte

plötzlich die Wand des Gartenhauses an ihrem Rücken wie eine Mauer.

„Die bessere Frage ist doch, warum du mich zurückgeküsst hast und warum du es jederzeit wieder

tun würdest!“ Herausfordernd blitzte sie ihn an.

„Woher willst du das wissen?“

„Ich sehe es dir an! Wenn ich dich wieder küssen würde, würdest du mich nicht fortstoßen.“

„Würdest du es denn wieder tun?“

„Und erneut stellst du die falsche Frage: Wäre es nicht viel wichtiger zu wissen, ob ich dich danach

wieder schlagen würde?“

Automatisch lachte er und es spiegelte sich in seinen Augen wider, diesen unendlich blauen Augen. Jetzt stand er direkt vor ihr und legte jeweils eine Hand rechts und links von

ihrem Kopf ab. Nachdenklich musterte er sie, um dann festzustellen: „Du könntest dich aus meinen

Armen befreien, wenn du willst.“ Leugnen war unmöglich. Dazu verwirrte seine Nähe sie zu sehr.

„Wer sagt denn, dass ich es will?“, erwiderte sie, was er jedoch überging.

„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet“, bemerkte er.

„Ich habe viele deiner Fragen nicht beantwortet, da musst du schon genauer werden“, entgegnete

sie frech. Wieder näherte er sich ihr um einige Zentimeter und seine deutliche Präsenz vereinnahmte

sie, während sein Duft nach Sandelholz sie fesselte.

„Die Frage, ob du mich wieder küssen würdest“, präzisierte er.

Sie tat so, als ob sie angestrengt überlegen müsste, und begutachtete ihn ausgiebig. „Ich werde dir

darauf keine Antwort geben“, entschied sie sich einfach.

Zayn wollte ihr bereits etwas entgegensetzen, als sie bestimmte, dass sie genug geredet hatten. Kurzerhand legte sie die Arme um seinen Hals und zog ihn an sich. Sie war sich nicht sicher, wieso sie das tat, sie handelte rein instinktiv und sämtliche ihrer Instinkte hatten sie dazu verführt, ihre Lippen einfach auf seine zu drücken. Erst war er überrascht davon, doch dann schien er daran Gefallen zu finden. Er löste sie von der Wand und sie schmiegte sich an ihn, sodass kein Blatt mehr zwischen sie passte. Es war unglaublich, ihn zu küssen. Sanft und leidenschaftlich zugleich. Seinen Geschmack von Honig auf ihrer Zunge zu schmecken. Sie liebte Honig. Traumhaft, schoss es ihr nur durch den Kopf. Entschlossen vergrub sie die Hände in seinem Haar und er schlang die Arme fester um sie. Die Zeit schien für ein paar Momente einfach stehen zu bleiben. Olivia vergaß alles um sich herum, wo sie war und vor allem, was sie durchgemacht hatte. Es fühlte sich an wie eine Erlösung von all ihrem Schmerz – eine unwiderstehlich süße. Sie fühlte, wie weich seine Lippen waren, wie ein Kissen. In jeder Zelle konnte sie ihn fühlen, auf ihrer Zunge schmecken und sich von seinem Duft den Verstand vernebeln lassen. Berauschend floss ein vollkommen neues Gefühl durch ihre Adern und ließ ihr Herz schneller schlagen.

Auf einmal jedoch wurde ihr klar, welchen Fehler sie begangen hatte. Jemand könnte sie sehen. Jemand, der ihrem Vater nur allzu gerne von einem ihrer Schwachpunkte berichtete. Mit ihrem langen und intensiven Kuss schubste sie Zayn geradezu ins Scheinwerferlicht für ihre Feinde, die, sollten sie Olivia erst einmal gefunden haben, sie höchstwahrscheinlich nicht aus den Augen ließen. Obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie beobachtet wurden oder nicht, zeigte ihr allein, dass die Möglichkeit bestand, wie gefährlich es für ihn war. Das war dumm von ihr gewesen. Dumm und egoistisch und … wunderschön, aber zu risikoreich. Olivia musste das schleunigst unterbinden, etwas tun, um ihn von sich fortzustoßen. Bildlich und wörtlich. Hatte sie denn gar nichts aus der Sache mit Henry und Tylor gelernt? Es würde zwar wehtun, ihn zu vertreiben, aber ihre Gefühle durften hierbei keine Rolle spielen, wenn es um seine Sicherheit ging. Also löste sie sich langsam von Zayn und ignorierte das plötzliche Stechen in ihrer Brust. Verträumt lächelte er sie an, doch sie erwiderte es bösartig. Ein Plan hatte in ihrem Kopf Gestalt angenommen und die Gefühle in ihr hoffentlich ausgeschaltet: Er musste sie hassen. Der Pfad zwischen Liebe und Hass war schmal und sie musste sicherstellen, dass er auf der Seite des Hasses wandelte und nicht der der Liebe.

„Sag ich doch: Du wirst mich nicht wegstoßen, niemals.“

Ihm schwante Übles.

„Aber ich kann es tun!“

Die nächsten Worte trafen ihn unvorbereitet. „Wie ich schon sagte: Ich liebe es zu spielen, aber mit dir bin ich fertig. Es wird Zeit, mich dem Nächsten zu widmen. Wir alle spielen doch ein Spiel, springen von einem zum Nächsten, aber wenn auch nur eine Person nicht loslassen kann, ist die ganze Kette unterbrochen. Also lass mich in Ruhe.“

Die Rolle der bösen Zicke beherrschte sie perfekt, was sie endlosen Filmeabenden mit Ryan zu verdanken hatte, an denen sie sich so gut wie jeden Highschool-Drama-Film reingezogen hatten. Zayns ungläubiger Anblick verriet ihr dies. Gleichzeitig freute sie sich und hätte ihm am liebsten all ihre Beweggründe gebeichtet, aber der letzte funktionstüchtige Teil ihres Gehirns hielt sie zurück, und so setzte sie ihre Sonnenbrille auf, lächelte ihn zufrieden an und ließ ihn mit offenem Mund stehen.

Glock 17

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