Читать книгу Glock 17 - Emely Bonhoeffer - Страница 18
Szene 14:
ОглавлениеDie ersten Sonnenstrahlen kitzelten sie wach, als sie durch die Fenster brachen. Die Wärme, die sie mit sich brachten, tat ihr gut. Einen Moment lang genoss sie sie, dann öffnete Olivia die Augen und das Licht blendete sie. Nachdem sie ein paar Mal geblinzelt hatte, ließ sie ihren Blick im Raum umherschweifen. Er war so anders als das Zimmer, das sie früher hatte. Von Sekunde zu Sekunde wacher werdend, schaute sie von ihrem dunklen Bett über ihren hellen Teppich, den dunkelbraunen Parkettboden, der überall im Appartement verlegt war, die Eichenholzmöbel, die schwarze Holzvertäfelung mit den feinen Spiegeln, die die Wände umkleidete, bis hin zu dem dunklen, mit länglichen Edelsteinen besetzten Kronleuchter, der einen Kontrast zur weißen Decke bildete. Ihr Schlafzimmer war wie sie. Hell an manchen Stellen, doch dunkel an den meisten. Es hatte fast etwas Geheimnisvolles an sich – und ein paar Sachen verbargen sich hier durchaus. In einem Fach ihres Nachttisches befand sich eine Glock 17, unter ihrem Bett eine Wurfmessersammlung, in ihrem Schrank eine weitreichende Sammlung an Schusswaffen, und zwölf unterschiedliche Wurfsterne schauten einen an, wenn man ihre Spiegel öffnete. Im gesamten Appartement hatte sie jegliche Art von Waffen versteckt. Nur für den Fall, dass ihr Vater mal mit seinen Freunden zu Besuch kam oder irgendwelche anderen unerwünschten Gäste sie behelligten. Wenn man die genauen Plätze der Waffen und die speziellen Öffnungsmechanismen jedoch nicht kannte, würde man sie auch nicht finden. Das kaputte Kleid von gestern hatte Ryan bereits entsorgt und ihre Wunden waren kaum mehr sichtbar.
Aus der Küche vernahm sie das Klappern von Geschirr und der Duft nach Frühstück, der durch ihre angelehnte Tür drang, zauberte ihr ein Lächeln ins Gesicht. Munter rollte sie aus dem Bett, machte sich fertig, zog sich ihre Trainingsklamotten an, band sich einen Pferdeschwanz und folgte dem Frühstücksduft in die Küche. Dort stibitzte sie sich ein Stück Bacon von Ryans Teller und biss genüsslich hinein. Ryan lachte herzlich, als er sie so unbekümmert sah. Sie ließ sich eben nicht unterkriegen. Was am Tag vorher passiert war, war abgeschlossen. Sobald ein neuer Morgen anbrach, gehörte der letzte der Vergangenheit an. Denn sie wusste, wenn sie das nicht tat, sondern ihre Vergangenheit immer wieder neu aufrollte, ständig darüber nachdachte, dann würde das, was bereits geschehen war, sie irgendwann zerfressen. Abschließen und Ausblenden war ihre einzige Option, wenn es um Nächte wie gestern ging. Wenn es nötig war, würde sie sich daran erinnern, aber zum jetzigen Zeitpunkt wäre es reine Selbstqual.
Nach dem Frühstück suchte sie den Trainingsraum auf. Er lag unter dem Gebäude in einem Kellerkomplex, den sie gekauft und für ihre Zwecke umfunktioniert hatte. Eigentlich hätte jeder Bewohner seinen Anteil daran, aber dank einer großen Tasche voll Banknoten, die sich jetzt im Besitz des Vermieters befand, gehörte er ihr ganz allein und die anderen Hausbewohner wussten nichts von seiner Existenz. So riesig wie das Gebäude war, so gigantisch war auch der Kellerkomplex. Im Trainingsraum angekommen, der mit einer ordentlichen Waffensammlung, allen möglichen Trainingsgeräten und einem mit Matten bedeckten Boden ausgestattet war, übte sie als Erstes mit einem Metallstab die Schlaggrundtechniken. Danach stand Messerwerfen auf dem Plan, wobei sie kein Ziel verfehlte, dann das Wiederholen von Nahkampf- und Faustschlagtechniken. Als sie nach den Wurfstern- und Waffenschießübungen gerade mit Pfeil und Bogen ihr siebtes Ziel anvisierte und in die Mitte traf, unterbrach Ryans Ankunft ihr Training. In der Hand hielt er ihr Telefon und bedeutete ihr, zu ihm zu kommen.
Kurz griff sie noch nach ihrer Wasserflasche, trank einen Schluck, hängte sich ihr Handtuch über die Schultern und schlenderte dann zu ihm rüber an die Eingangstür, wo er geduldig wartete.
„Einen Moment, bitte“, sagte er gerade, hielt ihr daraufhin das Telefon hin und erklärte: „Es ist Tiffany. Ich habe ihr gesagt, dir wäre es gestern Abend nicht so gut gegangen und du hättest dir ein Taxi genommen. Das hatte eine Reifenpanne und deshalb warst du gestern noch nicht daheim, als sie angerufen hatte. Jetzt geht es dir wieder gut.“
Olivia zwinkerte ihm zu. „Gerissen, Ryan, gerissen.“
Dann nahm sie ihm das Telefon ab und hielt es sich ans Ohr. „Hi, Tiffany!“
Gleich darauf ertönte Tiffanys besorgte Stimme am anderen Ende der Leitung. „Hi, Olivia. Geht es dir wirklich wieder besser? Vielleicht war der Tequila gestern etwas viel gewesen …“
Ein Lächeln schlich sich auf Olivias Lippen. „Nein, passt schon, mir geht es echt wieder besser. Das war nichts Ernstes.“ Sie konnte sich nicht verkneifen, hinzuzufügen: „Am Tequila lag es ganz bestimmt nicht.“ Tiffany sollte doch keinen falschen Eindruck von ihrer guten Trinkfestigkeit bekommen.
„Also bist du wieder fit?“, erkundigte sie sich mit dem typischen Unterton in der Stimme, den man nur verwendete, wenn man gleich noch etwas anderes erfragen wollte.
„Ja, ich bin wieder fit. Wieso fragst du?“
„Na ja, gestern konnten wir uns nicht richtig unterhalten und da wollte ich fragen, ob wir heute zusammen shoppen gehen wollen.“
Ryan blickte sie fragend an. Natürlich hatte er mitgehört. Olivia hielt den Hörer kurz zu und flüsterte in seine Richtung: „Irgendwie muss ich mich ja schließlich in die Gemeinschaft integrieren.“
Dann sprach sie ins Telefon: „Klar, ich würde mich freuen.“
Tiffany gab beinahe kreischende Laute von sich vor Freude. „Super! Wir treffen uns um 14 Uhr am Westfield Centre. Bis dann!“
„Adiós“, konnte Olivia noch antworten, bevor Tiffany auch schon auflegte.
Das Telefon reichte sie kopfschüttelnd wieder an Ryan. Dieser brachte sie noch schnell auf den neusten Stand, bevor er sie wieder verließ. „Komm in ein paar Minuten mal nach oben. Ich habe weitere Informationen zum Aufenthaltsort eines Kartellmitgliedes.“
Sie nickte und er verschwand wieder. Olivias Gedanken wanderten noch einmal zu Tiffanys freudiger Reaktion auf ihre Zusage. Sie musste lächeln. Nun blickte sie dem gemeinsamen Nachmittag doch zuversichtlicher als gedacht entgegen.
Für heute beendete sie das Training und nach einer schnellen Dusche erwartete Ryan sie bereits am Esstisch. Vor ihm waren Fotos weitläufig ausgebreitet. Allesamt zeigten sie ein und denselben Mann in einem teuren, grauen Anzug. Er war um die vierzig Jahre alt und sah zwar unglaublich gut aus, doch sie wusste, was für eine kranke Persönlichkeit sich hinter der glänzenden Fassade versteckte. Von seinem Anblick wurde ihr übel. In der Vergangenheit hatte sie sich immer unwohl in seiner Gegenwart gefühlt.
Dieser Mann war ein ganz hohes Tier im Kartell: Sergio, ein treuer Freund ihres Vaters. Dank ihm hatte sie jeden Atemzug, den sie machen konnte, sehr zu schätzen gelernt. Jedoch hatte er ihr diese Wertschätzung grausam beigebracht, denn damals war sie nur haarscharf am Tod vorbeigeschrammt. Dabei war es ihm nie darum gegangen, sie Dankbarkeit zu lehren, sondern einzig und allein darum, sie auf schreckliche Art und Weise zu quälen. Auf diesen Fotos lächelte er meistens sein charmantes Lächeln, das erste kleinere Falten in seinem attraktiven Gesicht offenlegte. Sobald sie mit ihm fertig wäre, würde er nicht mehr lächeln. Nie wieder.
„Sag mir alles, was du weißt“, verlangte sie.
„Mein Informant hat mir mitgeteilt, dass Sergio heute Nacht auf seiner Jacht eine Privatparty gibt. Sehr exklusiv. Er ist eingeladen und könnte dich mitnehmen. Es würde allerdings etwas mehr kosten als das übliche Honorar.“
Sie blickte Ryan misstrauisch an.
„Was ist?“, fragte er. „Geht es um das zusätzliche Geld?“
Olivia bezahlte Ryans Informanten regelmäßig im Austausch für brauchbare Informationen.
„Nein, daran liegt es nicht. Ich vertraue deinen Informanten, wenn es darum geht, Aufenthaltsorte ausfindig zu machen, aber ein persönliches Treffen? Ist er in der Hinsicht denn auch vertrauenswürdig? Und warum sollte er das tun? Warum überlässt er mir nicht einfach seine Einladung, sondern will mit? Er würde sich damit wissentlich in Gefahr begeben.“
„Ich kenne ihn schon ewig. Er ist durchaus vertrauenswürdig und loyal mir gegenüber. Er würde mich nicht hintergehen. Außerdem ist er ein Verräter in Sergios engstem Kreis. Sergio hat unwissentlich seine Geliebte getötet und dafür will er nun Rache, aber er ist kein Typ fürs Morden. Es würde ihn innerlich zerreißen. Er will Sergios Tod und er will mit Sicherheit wissen, dass er tot ist. Deswegen will er mit.“
Olivia lachte empört auf. „Ich soll also seine Drecksarbeit erledigen und dann verlangt er von mir noch Geld?! Du kannst ihm sagen, dass es zu seinem Glück auch mein Anliegen ist, Sergio die Luft zum Atmen abzudrehen, doch er wird keinen Schein von mir kriegen. Er darf mit auf die Party, aber töten werde ich Sergio allein. Er darf sich danach gerne selbst versichern, dass er weg ist. Also, der Deal sieht folgendermaßen aus …“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Er bringt mich rein und ich töte Sergio, was auch in seinem Interesse ist. Dadurch sind wir quitt. Es ist eine Frechheit, noch Geld von mir zu verlangen, wo ich doch das tue, was er sich nicht traut. Ruf ihn an, Ryan, und sag ihm das, mit dem kleinen Zusatz, dass er sich glücklich schätzen kann, dass ich ihn nicht wegen seiner Respektlosigkeit umbringe.“
Nicht gerade unbeeindruckt holte Ryan sein Handy hervor und übermittelte seinem Informant Olivias Worte eins zu eins. Nach einem kurzen Gespräch legte er schließlich auf. Abwartend ruhte Olivias Blick auf ihm. „Er nimmt den Deal an und bittet um Entschuldigung.“
Sie lächelte zufrieden. „Geht doch.“
Sergio hatte ihr so viel Leid zugefügt und diese Chance war perfekt, um sich gerechtfertigt an ihm zu rächen. Gut, dass sie mit Tiffany shoppen ging, denn wie es aussah, war sie heute Abend auf eine ziemlich exklusive Party eingeladen und sie brauchte dem Anlass entsprechend noch ein passendes Kleid.
„Um 20 Uhr trefft ihr euch an dieser Adresse, nur zwei Blocks entfernt vom Standort der Jacht“, erklärte Ryan und schob ihr einen Zettel zu. Sie nahm ihn und verstaute ihn an einem sicheren Ort in ihrer Tasche. Bis heute Abend hatte Sergio noch zu leben, dann war seine Zeit vorbei und sie würde ihm die Luft zum Atmen rauben. Wortwörtlich.