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RÖMISCHE JAHRE
ОглавлениеZehn Jahre später, im April 1937, schrieb Carl Erdmann seinem Freund Gerd Tellenbach ein paar tröstliche Worte. Denn dieser war soeben nach Würzburg versetzt worden, wo er – nach Heidelberg und Gießen – ein weiteres Mal einen vakanten Lehrstuhl vertreten sollte. Er war es leid, von Universität zu Universität herumgeschickt zu werden und nannte sich einen magister peripateticus, der ein unstetes Leben zu führen hatte, da er nirgends seinen Platz finden konnte.1 Erdmann hatte Verständnis für den Unmut des Freundes, musste aber zugeben, dass er die Universität Würzburg »in netter Erinnerung« behalten habe.2 Mit Chroust vertrug er sich, dessen Konflikte betrafen ihn nicht. Finanziell hatte er ein Auskommen, sodass er sogar seine Mutter nachziehen lassen konnte. Mit seinem älteren Kollegen (und Konkurrenten) Erich von Guttenberg, zur gleichen Zeit in Würzburg promoviert, entwickelte sich ein höflich-vertrauensvolles Arbeitsverhältnis um der Wissenschaft willen. Noch Jahre später, als Guttenberg zum Ordinarius in Erlangen avanciert und Erdmann auf einer einfachen »Hilfsarbeiter«-Stelle sitzen geblieben war, verband sie gegenseitiger Respekt miteinander.3
Chroust sah sich weiterhin in der Verantwortung für seinen »Schüler«. Gerne hätte er dessen Dissertation in Druck gehen gesehen und zeitweilig stand auch eine Würzburger Habilitation im Raum. Doch nichts davon ließ sich realisieren. Denn Chroust beging einen schweren strategischen Fehler. Er machte seinen Schützling mit jemandem bekannt, der ganz andere Möglichkeiten besaß als ein umstrittener Professor an einer mittelgroßen fränkischen Universität: mit einem begnadeten Organisator von Großforschung, der über Stellen und Mittel wie kein zweiter Historiker in Deutschland verfügte, mit einem akademischen Machtmenschen zudem, der keine Hemmungen kannte, seinen Einfluss auf möglichst viele Institutionen auszudehnen und wissenschaftliche Talente via Patronage auf seine Seite zu ziehen – er machte ihn bekannt mit Paul Fridolin Kehr.