Читать книгу Neumondnacht - Günter Neuwirth - Страница 12

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Albrecht nippte an seinem Glas. Die kühle Abendluft und die feinherbe Note des südsteirischen Weißburgunders taten ihm gut. Eine passable Wahl, wie Albrecht fand. Er schaute in den finsteren Himmel hoch. Obwohl sich eine wolkenlose Neumondnacht über ihn erstreckte, sah er von den Milliarden Sternen kaum etwas. Im Umkreis eines in Kunstlicht gegossenen Gebäudes war das Beobachten von Sternen eine vergebliche Mühe, also lauschte Albrecht den in einem leisen Lüftchen raschelnden Kastanienbäumen. Ein beruhigender Klang, der für einen Augenblick die mühselige Plackerei der letzten Stunden vergessen machte. Nun, er hatte das Menschenmögliche getan, so wie Wendelin ihn gebeten hatte, die Teller waren serviert worden, die Gäste widmeten sich dem Hauptgericht, damit lag das Gelingen des Abends nicht mehr in seiner Hand. Er hoffte das Beste. Ein paar Minuten Auszeit am Hinterausgang hatte er sich genommen, und einen Tropfen des Weines. Zu viel durfte er nicht trinken, denn einerseits war der Arbeitstag noch lange nicht beendet, zum anderen musste er nach Dienstschluss seinen Motorroller sicher die paar Kilometer nach Hause lenken können.

Er blickte hinüber zu den Lichtern der unweit gelegenen Wallfahrtskirche Christkindl. Unwillkürlich formte sich ein Schmunzeln in seinem Gesicht. Er hatte die ersten dreiundzwanzig Jahre seines Lebens in Steyr gelebt, daher kam ihm der Ortsname Christkindl nicht merkwürdig vor, aber seine Kinder, die vor einem Jahr zum allerersten Mal in Steyr zu Besuch gewesen waren, hatten wegen des Namens gekichert. Wohnt hier das Christkind? Hat das Christkind hier seine Geschenkfabrik? Können wir hier mit dem Christkind mal ein ernstes Wörtchen reden? Diese und ähnlich alberne Fragen hatten sie gestellt. Wobei die kleine Sofie diese Fragen nicht albern gefunden hatte, sondern im Gegenteil den spöttischen Tonfall der älteren Geschwister. In Sichtweite der Wallfahrtskirche lag der Steyrtalerhof, ein altehrwürdiges Gebäude und seit zwei Jahrhunderten eine Gaststätte, welche vor kurzem generalsaniert und somit für die nächsten Jahrzehnte nutzbar gemacht worden war. Es war natürlich ein Glücksfall gewesen, dass Albrecht nicht lange nach einem adäquaten Arbeitsplatz hatte suchen müssen. Wendelin und er hatten sich schnell geeinigt. Natürlich lag sein Gehalt hier weit unter jenem, welches er in Genf erhalten hatte, einerseits lag das Lohnniveau in Österreich generell unter jenem der Schweiz, und andererseits verkehrten im Steyrtalerhof die Einwohner einer zwar wohlhabenden, dennoch aber überschaubaren Provinzstadt, während an seiner letzten Arbeitsstelle am Genfer See Diplomaten und Geschäftsleute aus aller Welt dinierten. Albrecht hatte das Gehalt und die Arbeitsbedingungen schnell akzeptiert und war mit seiner Familie übersiedelt. Zum Glück sprachen seine Kinder fast ebenso gut Deutsch wie Französisch. Es war ihm ein Herzensanliegen gewesen, ihnen seine Muttersprache beizubringen, und Chantal hatte ihn diesbezüglich tatkräftig unterstützt.

„Albrecht? Ah, da bist du ja!“

Albrecht schrak aus seinen Gedanken hoch und blickte zur Hintertür. Wendelin Sattler winkte ihm.

„Ich habe dich schon gesucht. Komm doch bitte mal herein. Die Gäste fragen nach dir.“

Ein bitterer Geschmack lag plötzlich auf seiner Zunge. Er eilte auf Wendelin zu.

„Die Gäste? Merde! Gibt es viele Beschwerden? Ich habe getan, was ich konnte, ich habe sogar den ersten Sud ausgegossen, aber …“

Wendelin Sattler legte seine Hand auf Albrechts Schulter und schob ihn voran durch die Tür.

„Halt die Luft an und komm mit.“

Albrecht stellte das Weinglas ab, zu zweit durchquerten sie die Küche, gefolgt von den Augen der Kollegen. Albrecht erwischte einen flüchtigen, irgendwie merkwürdigen Blick des Maître. Wendelin marschierte mit schnellen Schritten voran. Zu zweit traten sie in den Speisesaal. Albrecht wurde von der brodelnden Menge beinahe umgeworfen. Applaus brandete ihm entgegen. Der Directeur trat mit breitem Lächeln auf Albrecht zu, schüttelte seine Hand, legte seinen Arm um die Schulter des Souschefs und präsentierte ihn wie eine kostbare Trophäe. Er winkte um Ruhe.

„Liebe Freunde“, posaunte Herbert Felder, „hier unser Küchenchef, dem wir dieses hervorragende Steirische Wurzelfleisch zu verdanken haben. Wir haben keine Kosten und Mühen gescheut und einen internationalen Spitzenkoch, der in den besten Restaurants Frankreichs gearbeitet hat, hierher an den Steyrtalerhof gebracht. Ein Prosit auf die Küche!“

Albrecht schluckte den Knödel im Hals mühsam hinunter und legte ein professionelles Lächeln auf. Er mochte solche Inszenierungen nicht. Im Laufe der Zeit hatte er einige Köche kennengelernt, die dieses Theater liebten und nur deswegen zu Spitzenleistungen aufliefen, er stand nicht gern im Rampenlicht, er stand lieber am Herd. Albrecht schüttelte viele Hände, nahm Komplimente entgegen, grinste bemüht in Fotoapparate, musste immer wieder mit dem Weinglas anstoßen und hütete sich redlich, zu viel Wein zu trinken. Der Motorroller! Betrunken mit dem Auto zu fahren, war für die anderen Verkehrsteilnehmer gefährlich, betrunken Motorrad zu fahren, in erster Linie für den Fahrer selbst. Nach und nach verebbte das Interesse an ihm und Albrecht konnte sich zurückziehen. Wesentlich mehr Männer als Frauen befanden sich in dieser Gesellschaft, und viele von ihnen waren dem südsteirischen Weißwein mehr als auffällig zugetan.

Noch bevor er durch die Personaltür entschwinden konnte, fasste ihn jemand von hinten am Oberarm und hielt ihn zurück.

„Na, Maestro, so schlecht war also die Schweineschulter doch nicht“, brummte der Directeur düster.

Albrecht dachte an die knifflige Arbeit der letzten vier Stunden. Er konnte diesen Mann nicht leiden. Und auch nicht seine Gäste, die wegen eines mäßigen Tellers ein solches Aufheben machten. Albrecht schüttelte die Hand des Directeurs brüsk ab. Das war kein Mann der Gastronomie, das war ein Geschäftemacher.

„Wir haben Glück gehabt, Monsieur le Directeur.“

Herbert Felder trat nahe an Albrecht heran. Seine Fahne war unverkennbar, der Weißwein also.

„Sie haben Glück gehabt, Kammerhofer. Nur Sie.“

Damit stapfte Felder davon und mischte sich scherzend und lautstark lachend unter seine Gäste.

Neumondnacht

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