Читать книгу Neumondnacht - Günter Neuwirth - Страница 24
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ОглавлениеDas Morgenlicht war wunderschön. Ein heller Glanz in den taunassen Blättern, die den ersten Anflug herbstlicher Färbung zeigten. Der Sommer neigte sich dem Ende zu, die Hitze war beständig gebrochen, kalte Westwinde und merklich frühere Sonnenuntergänge hatten die heranziehende Jahreszeit schon angekündigt. Selma Felder freute sich wie jedes Jahr auf den Herbst. Ihre Jahreszeit! Alle entscheidenden Ereignisse in ihrem Leben hatten im Herbst stattgefunden, ihre Geburt mit eingeschlossen. Sie würde bald wieder Bergtouren machen. Morgen schon? Oder erst Mitte nächster Woche? Sie ließ es noch offen, konnte spontan je nach Wetterlage entscheiden. Und von Aschach aus waren ihre Lieblingsberge mit dem Auto schnell erreicht. Selma ging barfuß durch das kühle feuchte Gras, strich mit der Hand über die Blätter eines Lorbeerstrauches, steckte den Finger in die Erde einiger Blumentöpfe, um zu prüfen, ob die Pflanzen wieder Wasser benötigten. Vogelgezwitscher und der Blick auf die anhebenden Vorberge nördlich des Sengsengebirges gaben ihr das Gefühl von Heimat, von Vertrautheit, von Beständigkeit. Die Lage des Grundstückes auf der Spitze des Hügels hatte ihr von allem Anfang an gefallen, sie hatte sich schnell und unverbrüchlich in dieses Haus und den Garten verliebt. Selma fühlte, wie sich mit dem Nahen des Herbstes ihre Stimmung besserte, wie sie, die die pralle Sonne und Hitze des Sommers mied, geradezu unerträglich fand, auffrischte gleich den herbstlichen Winden. Kühle Luft, klare Nächte und die Farben der Bäume im Oktober, danach sehnte sie sich das ganze Jahr über, und jetzt, da der Oktober vor der Tür stand, fiel die Lähmung des Sommers langsam von ihr.
Selma Felder streifte ihr Nachthemd ab, schlich katzenhaft über die kühlen Marmorsteine der Terrasse, setzte ein paar Tanzschritte, drehte sich im Kreis und ließ die Morgensonne die Kälte der Nacht auf ihrer nackten Haut vertreiben. Ja, sie fühlte es, ja, jetzt kamen gute Tage. Morgen würde sie, so fasste Selma den Entschluss, morgen würde sie ihre Schuhe in den Kofferraum packen und eine Bergtour unternehmen. Sie überlegte und entschied sich rasch. Mit dem Auto zum Gleinkersee und dann den steilen, aber nicht allzu langen Anstieg zur Seespitze, das war zum Beginn der Wandersaison eine anspruchsvolle und doch nicht zu schwierige Tour. Sobald Herbert zum Frühstück kam, würde sie ihm von ihrem Entschluss erzählen. Und vielleicht sollte sie wieder in das gemeinsame Schlafzimmer siedeln. Herbert würde sich gewiss darüber freuen.