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„Habt ihr getrunken?“

Florian trocknete sein Gesicht mit dem Handtuch.

„Nur ein Bierchen. Oder zwei.“

Roswitha verzog ihre Miene.

„Zwei, oder drei, vielleicht noch ein viertes und fünftes. So wie du aussiehst, könnten sich da unbemerkt ein paar Flaschen angesammelt haben.“

Florian Stöckel warf das Handtuch in die Ecke des Badezimmers.

„Nein, wir haben nicht gesoffen. Sind halt spät schlafen gegangen.“

„Wie auch immer. Es ist höchste Zeit für die Arbeit. Wer weiß, wie lange das Wetter hält.“

Florian schlüpfte in die Arbeitshose und schnürte die Schuhe. Er band sein langes Haar zu einem Zopf, strich sich durch den dunkelblonden Bart und nickte Roswitha zu.

„Ich geh ja schon.“

„Und der Hias? Was ist mit ihm?“

Roswitha verstand Florians gebrummte Antwort nicht. Er ließ hinter sich das Haustor offen. Roswitha öffnete die Tür zum Zimmer. Matthias wandte ihr den Kopf zu, nickte und zog sein T-Shirt über. Roswitha verschränkte die Arme und lehnte sich an den Türstock. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen. Sie musterte Matthias, seine breiten Schultern, die kräftigen Hände, die Tätowierungen auf den muskulösen Oberschenkeln. Matthias, von allen Hias genannt, war wie geschaffen für die Arbeit auf dem Hof, er konnte zupacken, konnte mit dem Werkzeug umgehen, erledigte, was er begonnen hatte. Viel sprach er nicht, auch lächelte er nicht sehr oft, manchmal fürchtete sich Roswitha auch ein bisschen vor ihm, nämlich dann, wenn er zu viel getrunken hatte, wenn er laut wurde, wenn er wütend wurde, aber in der Regel war er einfühlsam, still und verständnisvoll. Und zu den Tieren hatte er einen direkten Draht. Mit zwei solchen Männern würde der Hof bald wieder gut in Schuss sein, Florian gab mit seiner Schnelligkeit den Rhythmus vor, Matthias stemmte die schweren Brocken. Roswitha brauchte nur zu trachten, dass die beiden bei Stimmung blieben.

„Ist der Flo schon an der Arbeit?“, fragte Hias.

„Ja. Das Frühstück steht auf dem Tisch. Allerdings ist der Kaffee längst kalt.“

„Ich komme ja schon.“

Roswitha marschierte in die Waschküche und öffnete die Waschmaschine. Die meisten Kleidungsstücke hatte sie auf diversen Flohmärkten besorgt. Unglaublich, was die Leute alles weggaben, erstklassige Hemden und Hosen, höchstens ein paarmal getragen, fast neue Schuhe, Mäntel, Jacken, Pullover, wenn man sich ein bisschen auf Flohmärkten umsah, konnte man sich außerordentlich kostenschonend einkleiden, und für die Arbeit auf einem halbverfallenen Bauernhof musste man wahrlich nicht den lackierten und gepuderten Hohlköpfen aus den Werbebroschüren nacheifern. Sie hängte die Wäsche auf die Leine hinter dem Haus. Die Sonne und das laue Lüftchen würden die Wäsche schnell trocknen.

Sie hatte Florian in der Zeit ihres Studiums kennengelernt, im siebten Semester, das wusste Roswitha noch genau. Sie hatte auf der Mariahilfer Straße bei einem Infostand des Tierschutzverbandes gestanden, ein kalter Wind hatte durch die Straßen Wiens gepfiffen und sie war nicht ganz passend angezogen gewesen, so war sie nach drei Stunden völlig durchfroren gewesen. Da war Florian gekommen, hatte sie mit seinen blitzblauen Augen angesehen, hatte seinen trotz seiner Jugend erstaunlich dichten Bart gekratzt und ihr seine Jacke geschenkt. Und sie waren ins Gespräch gekommen, hatten hitzig über Kastenstände in der Zuchtsauhaltung diskutiert, hatten auf den Leibeigenen der Agrarkonzerne im dienstlichen Rang eines Landwirtschaftsministers geschimpft, hatten vegane Rezepte ausgetauscht und am Morgen des nächsten Tages gemeinsam im Bett Haferflocken in Sojamilch gefrühstückt. Zwei wunderbare Tage lang waren sie nur für die notwendigsten Verrichtungen aus den Federn gekrochen. Und dann war Matthias in Florians kleiner Bude aufgetaucht, hatte sie rausgejagt, hatte sie in seinem alten Ford Fiesta zu einer Wanderung in das Weinviertel mitgenommen und tief im Wald ein Zelt aufgebaut. Zu dritt hatten sie trotz einsetzendem Schneefall im Zelt gelegen und geredet und geredet. Und Roswitha hatte mit beiden geschlafen. Zuerst mit Florian, natürlich, er hatte immer die Ideen, er ergriff die Initiative, er hatte alles eingefädelt, dann mit dem zurückhaltenden Matthias. Seither waren die drei unzertrennlich.

Roswitha schreckte aus ihren Gedanken hoch. Die alten Dachziegel krachten polternd in den bereitstehenden Container. Wenn die Burschen anpackten, dann ging auch etwas weiter. In spätestens drei Tagen würde die Scheune neu eingedeckt sein. Roswitha lächelte.

Neumondnacht

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