Читать книгу Neumondnacht - Günter Neuwirth - Страница 14
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ОглавлениеDer Abend neigte sich sichtlich dem Ende zu, die ersten Gäste der Abendgesellschaft waren schon aufgebrochen, weitere waren eben im Begriff dies zu tun. Wendelin Sattler schnappte ein Ginger Ale, kippte die Krone hoch und füllte ein Glas. Er hielt sich gut, trank eigentlich nur mit seinen Gästen Alkohol, wenn diese mit ihm anstießen, ihn auf eine Runde einluden oder er eine Runde spendieren musste, er trank gleichsam aus beruflichen Gründen Alkohol, für sich selbst praktisch nie. Nach einem intensiven Arbeitstag ein Schnäpschen oder ein Glas Wein waren für ihn, anders als für viele Leute in der Gastronomie, die absolute Ausnahme. Er hatte manche Kollegen älterer Jahrgänge gesehen, deren Disziplin im Laufe der Jahre vom Alltag, jeden Tag Alkohol ausschenken zu müssen, zerrieben worden war und die sich dadurch vor der Zeit erhebliche gesundheitliche Probleme eingehandelt hatten. Er hielt sich an Ginger Ale und Schwimmsport, er war Nichtraucher und Berufstrinker geblieben. Die letzte Bezeichnung hatte bei seinen Sportsfreunden im Schwimmclub für Erheiterung gesorgt, als er einmal eine Runde Bier nach einem Wettkampf ausgeschlagen hatte. In jungen Jahren war er sogar österreichischer Meister im Brustschwimmen über einhundert Meter gewesen. Diesen und andere Pokale hielt er nach wie vor in Ehren. Die Wettkämpfe waren zwar lange her, aber der Spaß am Sport war geblieben.
„Es freut mich, dass dein Geschäft läuft.“
Wendelin Sattler drehte sich zu dem auf ihn zukommenden Mann um.
„Ach, Engelbert! Bist du auch schon beim Aufbruch?“
Engelbert Bernsteiner schlüpfte in sein Jackett und stellte sich neben Wendelin Sattler an die Bar. Der großgewachsene Mittsechziger beugte sich vertraulich zu dem Mittvierziger.
„Es wird Zeit. Um ehrlich zu sein, ich mag solche Gesellschaften nicht besonders und suche immer nach der besten Gelegenheit, das Weite zu suchen.“
Die beiden Männer lachten. Engelbert Bernsteiner schaute sich im Lokal um.
„Wirklich, Wendelin, ich bin froh, dass der Steyrtalerhof so gut läuft. Hervorragende Küche, zufriedene Gäste, die Renovierung ist gut gelungen. Dein Vater muss sehr stolz auf dich sein. Wie geht es ihm denn?“ Franz Sattler und Engelbert Bernsteiner waren gemeinsam oft in den Bergen gewesen. Beide leidenschaftliche Mitglieder des Alpenvereins, hatten sie sich zu vielen Touren getroffen, und natürlich hatte Wendelin den Bergkameraden seines Vaters kennengelernt. Wendelins Vater Franz Sattler war zwar ein paar Jahre älter als Engelbert Bernsteiner, aber ab einem gewissen Alter trennten verschiedene Lebensansichten die Menschen viel klarer als ein paar Lebensjahre.
„Es geht ihm recht gut. Die Herzprobleme hat er dank guter medizinischer Betreuung im Griff. Manchmal will er wieder in die Berge, aber das geht halt nicht so wie früher.“
Engelbert Bernsteiner lächelte Wendelin an, es war ein im besten Sinne onkelhaftes Lächeln, ein Lächeln mit Stolz auf die Tüchtigkeit der jüngeren Generation.
„Richte ihm schöne Grüße aus. Wenn es sich einmal ausgeht, werde ich ihn besuchen.“
„Das wird ihn bestimmt sehr freuen.“
„Und das Steirische Wurzelfleisch war bemerkenswert“, hob Engelbert anerkennend hervor. „Du weißt ja, ich bin ein Mann vom Fach und ich habe es geschmeckt, dass da ein sehr fähiger Koch wirklich Großes geleistet hat. Dieser neue Mann in der Küche, Wendelin, den müsst du dir unbedingt warmhalten, der darf dir nicht davonrennen. Ich kenne ja die Hintergründe ein bisschen und ich weiß, woher der Herbert seine Ware kriegt. Ich habe da meine eigene Meinung, der muss man sich nicht anschließen, schon klar, aber eines sage ich dir, Wendelin, wenn ich nicht müsste, würde ich niemals zu einem Empfang von Herbert Felder gehen. Und natürlich, wenn der Empfang nicht bei dir im Steyrtalerhof stattfinden würde. Ich habe gehört, dass du auch unter die Fittiche von Herbert gekommen bist.“
Wendelin Sattler verzog sein Gesicht, huschte hinter die Bar, griff nach der Cognacflasche und zwei Schwenkern, goss mit geübtem Auge ein und reichte seinem Gast ein Glas. Die beiden Männer stießen an und tranken. „Engelbert, du weißt ja, mein Vater war Gastwirt mit Leidenschaft, er hat den Steyrtalerhof dreißig Jahre lang gut geführt, praktisch täglich sprechen mich Leute an und wünschen Papa alles Gute. Er hat die Gabe gehabt, die Menschen zu erreichen. Ich muss ehrlich zugeben, diese Gabe habe ich nicht von meinem Vater geerbt, mir liegt es nicht, auf die Gäste zuzugehen, mit ihnen über dies und das zu plaudern, ihnen das Gefühl zu geben, eine große Familie zu sein. Dafür bin ich definitiv besser in Kostenrechnung als mein Vater. Der Steyrtalerhof war, als ich ihn übernommen habe, hoch verschuldet. Und da ist Herr Felder aufgetaucht.“
Engelbert Bernsteiner legte seine Hand auf Wendelins Unterarm.
„Ich weiß genau, wovon du sprichst, lieber Wendelin, leider weiß ich das nur zu gut. Herbert kommt mit seinem Geld, hilft, wo er kann, ist der beste Freund der Welt, und ehe man sich versieht, ist man der Trottel vom Dienst.“