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Bastarde und Genitores

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Die Frage nach dem Genitor konnte mangels Überprüfbarkeit keine Rolle spielen. Entscheidend war wohl die Rechtsform der Geburt in einer legitimen Ehe. Als Genitor galt offenbar, wen die Ehe als Vater auswies. Dazu gibt es allerdings keine Forschungen. Demgegenüber war die Genetrix statusrelevant. Die Figur des Bastards setzt die Möglichkeit illegitimer Geburt voraus. Insofern gibt es einige Jahrhunderte in der Geschichte der poströmischen Gesellschaften Lateineuropas, in denen es keine Bastarde gab. Den Merowingern und ihrer mächtigen politischen Umgebung – den alten romanischen Aristokraten auf den Bischofsstühlen ebenso wie den fränkischen Großen – war es gleichgültig, wer den Königen einen Nachfolger gebar. Als es den kirchlichen Politikern und Rechtsexperten in der Karolingerzeit gelang, Monogamie durchzusetzen und in diesem Zuge die Nachkommenschaft in „legitime“ und „natürliche“ geschieden wurde, sollte es noch bis ins Spätmittelalter dauern, ehe die „natürlichen“ Kinder zumindest in Herrscherfamilien als eigene Statusgruppe der Bastarde mit wichtigen Funktionen am Hof erscheinen. Insgesamt läuft die Existenz von Bastarden als eines sozialen Standardphänomens dem geschichtswissenschaftlichen Hauptnarrativ von der erfolgreichen Durchsetzung der Monogamie so deutlich zuwider, daß die Bastarde als soziale Gruppe von der Forschung bislang weitgehend übergangen worden sind. Die noch spärliche Forschung legt nahe, daß adlige Bastarde als wichtiger, oft in die familiale Repräsentation integrierter Stand untersucht werden müssen, als Stand mit prekärem Status im Herrschaftsgefüge, mit eigenen Standesregeln, -zeichen, -gesetzen und -titeln. Bastarde gehörten offenbar in die Palette der adligen Normalfälle und trugen ihren Status im Titel (Grand Bâtard de Bourgogne etc.). Zwar taucht der Typus des Bastards als sozialhistorisch relevantes Phänomen erst vergleichsweise spät auf und hat kaum einmal die „normalen“ Erbgänge beeinflußt (also praktisch nie ein gleichberechtigtes Erbe antreten können); gleichwohl dürfte er – wenn er besser erforscht ist – zu einer Überarbeitung der langfristigen Deutungsmodelle animieren.

BERNHARD JUSSEN

Enzyklopädie des Mittelalters

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