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Kinderlose Erblasser

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Für eine Verwandtschaftsforschung, die stark an Strategien der Vererbung und Besitzarrondierung orientiert ist (wie jene J. Goodys), haben kinderlose Erblasser eine besondere Qualität als Testfälle. Über deren Verhalten aber liegen kaum Studien vor. Nützte es der Kirche tatsächlich, wenn Erblasser keine Kinder oder nicht einmal Familie hatten? Eine Lokalstudie zum spätmittelalterlichen Basel läßt an Deutlichkeit der Befunde wenig zu wünschen übrig. Von Eltern mit Leibeserben hatte die Kirche ohnehin nicht viel zu erwarten: „Waren Leibeserben vorhanden, vermied man es (nicht nur) in Basel gewöhnlich, seinen Besitz ‚zu Ehren Gottes‘ oder zugunsten seiner Freunde zu dezimieren. […] Das Gros der Erbeinsetzungen diente auch primär dazu, bestehende Lücken im Erbrecht zu füllen, etwa was das fehlende Eintrittsrecht der Enkel oder der Geschwisterkinder anbelangt.“ Insgesamt bildeten die Testamente anschaulich die „gesellschaftsregulierende Hierarchie der Werte ab: Zuerst kommen die Kinder. […] Auf die Kinder folgen die Ehepartner, erst später die nächsten Verwandten und noch später die Kirche, bei einzelnen Erblassern in chronologischer Reihenfolge“ (G. Signori).

Selbst bei den Kinderlosen sah es nicht besser aus für die Kirche. Die weitaus meisten Kinderlosen, nämlich drei Viertel, akzeptierten die Intestaterbfolge, und von dem übrigen Viertel gaben die meisten nur etwa zehn Prozent an die Kirche. Hauptgewinner waren die Geschwisterkinder, zahlenmäßig gefolgt von den illegitimen Kindern (bei denen Signori auf einen Alimentationsanspruch schließt), ferner wurden Pflegekinder und Stiefkinder bedacht. Das Ausbleiben von Leibeserben kam also ebensowenig der Kirche zugute wie die Möglichkeit, Testamente zu machen. In der Hierarchie der Wichtigkeiten der Erblasser landete – wohl kaum nur im spätmittelalterlichen Basel – das eigene Seelenheil weit abgeschlagen hinter den weltlichen Für- und Vorsorgen – sei es zugunsten der Kinder, sei es zugunsten des hinterbliebenen Partners.

BERNHARD JUSSEN

Enzyklopädie des Mittelalters

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