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3.Öffentliche und nicht-öffentliche Versammlung

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226Während das Grundgesetz nicht zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Versammlungen differenziert, ist nach dem VersG und den meisten Länder-Versammlungsgesetzen (Ausnahmen: Niedersachsen589 und gemäß § 2 Abs. 3 VersFG BE Berlin sowie nach § 2 Abs. 3 VersFG SH Schleswig-Holstein) diese Unterscheidung von hoher Bedeutung: Die Regelungen in den Versammlungsgesetzen finden grundsätzlich nur auf öffentliche Versammlungen Anwendung, nicht hingegen auf nicht-öffentliche; ausdrücklich ist dies bestimmt in Art. 2 Abs. 3 BayVersG, während es sich aus § 1 Abs. 1 VersG bzw. § 1 Abs. 1 SächsVersG und § 1 Abs. 1 VersammlG LSA nur indirekt entnehmen lässt. Nichtöffentliche Versammlungen werden zwar vom Versammlungsgesetz als Versammlungen angesehen, doch enthält das Versammlungsgesetz hierfür nur punktuelle Regelungen (insbesondere §§ 3 und 21 VersG).590

227Eine Versammlung ist öffentlich, wenn sie sich nicht an einen abgeschlossenen Personenkreis richtet591; dieser bundesweit geltende Grundsatz ist in § 2 Abs. 2 VersFG BE sowie in § 2 Abs. 2 1. Alt. VersFG SH gesetzlich normiert. Entscheidend ist dabei, wem der Veranstalter das Zutrittsrecht zu der Versammlung einräumt. Öffentliche Versammlungen zeichnen sich dadurch aus, dass der Zutritt grundsätzlich jedermann oder einem individuell nicht abgegrenzten Personenkreis gestattet ist592. Der Ausschluss bestimmter Personen von der Versammlung wird in § 6 Abs. 1 VersG als Ausnahmefall behandelt und macht dementsprechend die Versammlung nicht zu einer nicht-öffentlichen Versammlung593. Lediglich Indizwirkung hat die Bezeichnung der Versammlung als öffentlich bzw. nicht-öffentlich in der Einladung594. Unerheblich ist, ob die Einladung ihrerseits öffentlich oder nicht-öffentlich (verdeckt) erfolgt.595 Wenn der Veranstalter die Beschränkung der Zugangsmöglichkeit nicht durchsetzt, ist die Versammlung faktisch öffentlich596. Der Veranstalter muss also bei zu erwartendem Hinzutritt nicht berechtigter Personen den Ausschluss der Öffentlichkeit gewährleisten, wenn er die Durchführung einer nicht-öffentlichen Versammlung erreichen will; dafür ist eine Zugangskontrolle oder vollständige Abschirmung nach außen nötig. Angesichts der damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten hält eine verbreitete Meinung nicht-öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel nur auf befriedetem Besitztum für faktisch möglich597. Letzteres ist allerdings so pauschal nicht richtig598. Denn auch unter freiem Himmel auf öffentlichen Straßen und Plätzen ist es für den Veranstalter durchaus möglich, den Teilnehmerkreis von vornherein festzulegen und die Teilnehmerschaft entsprechend auch faktisch zu beschränken. Erste Voraussetzung hierfür ist freilich ein klares Entscheidungskriterium, wofür insbesondere die Mitgliedschaft in einer Partei, einem Verein oder einer anderen organisatorisch festgefügten Vereinigung in Betracht kommt; dürfen Einladungen frei kopiert und weitergegeben werden, ist die Versammlung öffentlich599. Zweite Voraussetzung ist die Überprüfbarkeit, etwa anhand von Mitgliedsausweisen (bzw. anhand einer Mitgliederliste und des Personalausweises) oder aufgrund persönlicher Bekanntschaft der Mitglieder untereinander. Dritte Voraussetzung ist das tatsächliche Stattfinden einer entsprechenden Überprüfung; diese wird – wenn die Teilnehmer persönlich bekannt sein müssen – nur bei kleineren Versammlungen praktikabel sein (die Grenze mag bei etwa 200 Teilnehmern liegen), beim Vorhandensein von Mitgliedsausweisen (bzw. einer Mitgliederliste) auch bei Versammlungen mit Hunderten oder gar Tausenden von Teilnehmern. Besonders für Demonstrationen, u. U. auch für andere Versammlungen stellt sich allerdings die Frage, ob die Öffentlichkeit der Versammlung sich auch aus ihrer (beabsichtigten) Ausstrahlungswirkung in die Öffentlichkeit ergeben kann. Beantworten lässt sich diese Frage durch Heranziehung von § 14 VersG: „Aufzüge“ und „öffentliche Versammlungen“ werden dort gleichgestellt. Typisch für einen Aufzug ist, dass dieser aufgrund seiner Fortbewegung in der Öffentlichkeit Beachtung findet. Dementsprechend ist jede auf Beachtung in der Öffentlichkeit angelegte Versammlung als „öffentliche Versammlung“ anzusehen600. Im Ergebnis kommen nicht-öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel nur in drei Fallgruppen in Betracht: erstens auf Privatgrundstücken, zweitens auf abgelegenen öffentlichen Plätzen und drittens (freilich nur für sehr kleine Versammlungen) auf stark belebten öffentlichen Plätzen, auf denen die Versammlung nicht auffällt; dabei sind dann die o. g. Kriterien für die Festlegung und Überprüfung des Teilnehmerkreises zu beachten. Dementsprechend kommen nicht-öffentliche Versammlungen letztlich doch eher in geschlossenen Räumen in Betracht.601

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