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5.Behördliche Pflichten
Оглавление303a) Kommunikation mit dem Veranstalter/Leiter der Versammlung. Eine Anmeldebestätigung seitens der Behörde an den Anzeigenden ist üblich und sinnvoll, doch besteht hierzu keine gesetzliche Verpflichtung731; auf Verlangen muss die Behörde allerdings dem Anzeigenden den Zeitpunkt des Eingangs der Anzeige schriftlich bestätigen, damit der Anzeigende die Rechtzeitigkeit seiner Anzeige nachweisen kann.732 Solange die Behörde gar nichts tut, hat der Veranstalter das Recht, die Versammlung im verfassungsrechtlichen Rahmen (d. h. friedlich und ohne Waffen) wie vorgesehen durchzuführen.733
304Im Rahmen des Eingangs der Versammlungsanzeige bzw. der sich anschließenden Anmeldebestätigung gilt es, die entsprechenden (europarechtlichen) Datenschutzbestimmungen zu beachten. Mit dem Erheben der entsprechenden Daten agiert die Versammlungsbehörde als verantwortliche Stelle im Sinne des Datenschutzrechts. Vor diesem Hintergrund muss diese die entsprechenden Verpflichtungen erfüllen; die verantwortliche Stelle muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um den Datenabsender über die anstehende Datenverarbeitung und insbesondere seine Rechte zu belehren. Dafür ist insbesondere entscheidend, auf welchem Weg bzw. mit welchen technischen Mitteln die Versammlunganzeige abgegeben wird. So empfiehlt es sich, auf die entsprechenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen und Hinweisblätter nach Art. 13 und 14 EU-DSGVO manuell im Rahmen der Anzeigenbestätigung oder in Form einer automatisch generierten Antwort-E-Mail hinzuweisen. Sofern diese Angaben auf einem entsprechenden Vordruck bzw. Online-Formular bereits enthalten sind, ist dieser Hinweis entbehrlich.
305Formulierungsbeispiel: „Die angegebenen personenbezogenen Daten werden aufgrund einer gesetzlichen Grundlage erhoben und verarbeitet. Die Daten sind für die Bearbeitung erforderlich und werden nur für diesen Zweck verarbeitet. Ohne diese Angaben ist eine Verarbeitung des Antrages nicht möglich. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten erfolgt gemäß den Bedingungen der EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO). Bitte beachten Sie dazu das Hinweisblatt „Datenschutzinformationen Versammlung“ unter https://www… und die Informationen auf www…“
Exkurs: Grundsätzliches zur EU-DSGVO
306Am 25. Mai 2018 trat die EU-Datenschutzgrundverordnung (Verordnung EU) 2016/679 unmittelbar als geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Kraft. Die Datenschutzgrundverordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zweck der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Insoweit ist die Datenschutzrichtlinie 2016/680 vom 27. April 2016 einschlägig (JI-Richtlinie); die Richtlinie bedarf der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht. Die JI-Richtlinie war zum 6. Mai 2018 umzusetzen. Allerdings haben im Frühjahr 2019 nur etwa die Hälfte aller Bundesländer die Umsetzung der JI-Richtlinie aus ihrer Sicht vollständig abgeschlossen (Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen). Aus manchen Ländern sind hingegen noch keinerlei konkrete Entwürfe zur Umsetzung der JI-Richtlinie (öffentlich) bekannt – so etwa aus Bremen und dem Saarland. Soweit die Umsetzung bereits erfolgt oder konkret angegangen ist, lassen sich unterschiedliche gesetzgeberische Ansätze nachvollziehen. Einige Länder haben die Umsetzung der JI-Richtlinie zunächst im Wesentlichen in den allgemeinen Datenschutzgesetzen geplant bzw. vollzogen (Bayern, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen). Andere Länder nehmen die Umsetzung über spezielle Fachgesetze bzw. eigene JIRL-Gesetze in Angriff (Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt).
307Die für das Versammlungsgesetz geltenden Datenschutzregelungen richten sich, soweit es um die allgemeine, nicht straftatenbezogene Gefahrenabwehr geht, nach der Datenschutzgrundverordnung. Dies hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) in einem Abgrenzungsvermerk734 vom 4. Januar 2019 – in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz – dargelegt. Danach gilt:
– straftatenverhütende Gefahrenabwehr durch den PVD erfolgt im Anwendungsbereich der Richtlinie 2016/680
– sonstige gefahrenabwehrende Tätigkeit des PVD sowie die gefahrenabwehrende Tätigkeit der allgemeinen Polizei- und Ordnungsbehörden liegen im Anwendungsbereich der EU-DSGVO
– nicht straftatenverhütende Gefahrenabwehr des PVD sowie der allgemeinen Polizei- und Ordnungsbehörden wechselt vom Anwendungsbereich der EU-DSGVO in den der Richtlinie (bzw. des entsprechenden landeseigenen Umsetzungsgesetzes), sobald ein konkretes Ordnungswidrigkeitenverfahren eröffnet wird.
Damit muss allein die Organisationseinheit, die Bußgeldverfahren durchführt, ihre Datenverarbeitung an den Vorgaben der Richtlinie bzw. des entsprechenden Umsetzungsgesetzes ausrichten.
308Falls aus Sicht der Behörde beschränkende Verfügungen oder gar ein Verbot der Versammlung in Betracht kommen, muss die entsprechende Prüfung samt Erstellung der Gefahrenprognose unverzüglich nach Eingang der Versammlungsanzeige vorgenommen werden. Eine Verpflichtung der Versammlungsbehörde, den Veranstalter noch vor Ablauf der 48-Stunden-Frist zu bescheiden oder zumindest etwaige Maßnahmen frühzeitig zu treffen, ist bislang weder gesetzlich normiert noch von der Rechtsprechung angenommen worden.735 Sie wäre indes im Sinne einer aus der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) folgenden (Verfahrens-)Pflicht zu versammlungsfreundlichem Verhalten durchaus naheliegend, da dem Veranstalter u. U. allein schon durch die Bekanntgabe der Versammlung und auch im weiteren Verlauf vor dem Stattfinden der Versammlung Organisationsaufwand und Kosten entstehen mögen, die sich bei später seitens der Versammlungsbehörde ausgesprochenem Verbot oder z. B. zeitlicher oder räumlicher Beschränkung als vergebliche Aufwendungen entpuppen. Gleichwohl gilt es zu beachten, dass eine Behörde die Bekanntgabe etwaiger versammlungsbeschränkender Maßnahmen nicht ohne zureichende Gründe verzögern darf; tut sie dies aktenkundig doch und verhindert dadurch die im versammlungsrechtlichen Eilverfahren gebotene intensive gerichtliche Prüfung, so kann allein dieser Umstand bedingen, dass dem Veranstalter vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist.736 Solange es aber diesbezüglich weder eine gesetzliche Regelung noch eine einschlägige Rechtsprechung gibt, wird die Versammlungsbehörde auch auf die Unterhaltung eines Bereitschaftsdienstes verzichten können. Obwohl es keine gesetzliche Regelung zur Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes in den Bundesländern gibt, bei denen Versammlungsbehörde und PVD getrennt sind und die grundsätzliche Zuständigkeit für die Durchführung des Versammlungsgesetzes bei der kommunalen Versammlungsbehörde liegt, empfiehlt es sich – sofern die Personalausstattung dies zulässt – dennoch, einen irgendwie gearteten Notdienst am Wochenende oder an Feiertagen einzurichten. Als Begründung kann hierfür die grundsätzliche gesetzliche Zuständigkeit sowie die in § 14 Abs. 5 S. 1 VersG normierte Kooperationspflicht der Versammlungsbehörde herangezogen werden. Gerade im Hinblick auf besondere Jahrestage (z. B. 13. Februar in Dresden, 20. April, 20. Juli, 17. August, 9. November usw.), bei denen erfahrungsgemäß Versammlungsanzeigen (spät) eingehen oder grundsätzlich sehr dynamische Versammlungslagen vorherrschen, sollte ein Vertreter der Versammlungsbehörde entsprechend vor Ort und handlungsfähig sein, um entsprechende versammlungsbehördliche Entscheidungen mündlich zu verfügen. Gemäß § 37 Abs. 2 S. 2 VwVfG haben Betroffene einen Anspruch auf schriftliche Bestätigung der Entscheidung.
309Zudem muss die Behörde sich um Kooperation mit dem Veranstalter (sowie evtl. dem Versammlungsleiter) bemühen.737
310b) Versammlungsbehörde und andere Behörden sowie Dritte. – aa) Weiterleitung der Versammlungsanzeige. Sollte die Anzeige nicht bei der Versammlungsbehörde, sondern bei einer anderen Behörde eingehen, muss diese die Anzeige an die Versammlungsbehörde weiterleiten.738
311bb) Datenschutz. Wie in anderen Bereichen der Verwaltung auch ist die Behörde verpflichtet, den Datenschutz zu gewährleisten. Sie verfügt ja i. d. R. über personenbezogene Daten, die der Veranstalter bzw. Versammlungsleiter ihr in der Versammlungsanzeige oder auf weitere Anforderung hin mitgeteilt hat. Diese Daten dürfen grundsätzlich ohne entsprechende gesetzliche Grundlage weder für andere behördliche Zwecke verwendet noch an andere Behörden weitergegeben werden.
Eine Übermittlung von Daten an den Verfassungsschutz steht unter dem Vorbehalt des Prinzips der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten. Das Trennungsgebot gebietet eine Trennung der Aufgaben, Befugnisse und Arbeitsweisen. Während den Polizeibehörden die Aufgaben der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung obliegen, übernehmen Nachrichtendienste Aufklärungsaufgaben im Vorfeld von polizeilichen Gefahren.739 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliegt der Austausch von Daten zwischen den Polizeibehörden und den Nachrichtendiensten gesteigerten verfassungsrechtlichen Anforderungen. Der aus der informationellen Selbstbestimmung folgende Grundsatz der informationellen Gewaltenteilung lässt einen Austausch von Daten nur ausnahmsweise zu.740 In den Vorschriften (v. a. Verfassungsschutzgesetzen) des Bundes und der Länder finden sich entsprechende Vorschriften, die zur Übermittlungen von Daten zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten ermächtigen. Einschlägig sind insbesondere § 16 VSG NRW, Art. 24 BayVSG, § 9 LVSG BW, § 25 NVerfSchG, § 18 HVSG, § 13 LVerfSchG RP, §§ 10–11 SächsVSG, § 27 VSG Bln, § 19 LVerfSchG SH, § 14 BbgVerfSchG, § 17 VerfSchG LSA, §§ 19–20 ThürVerfSchG, § 19 HmbVerfSchG, § 24 LVerfSchG M-V, § 15 SVerfSchG und § 18 BremVerfSchG.
312Bei der Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Datenübermittlung zwischen Versammlungs- und Verfassungsschutzbehörde erfolgen kann, ist zu trennen: Sendet der Verfassungsschutz zur Erfüllung seiner Aufgaben zur Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung eine entsprechende An- bzw. Aufforderung zur Übersendung von Versammlungsanzeigen an die Behörde, bildet hierfür das jeweilige Verfassungsschutzgesetz die entsprechende Rechtsgrundlage. Benötigt jedoch die Versammlungsbehörde selbst zur Konkretisierung ihrer zu erstellenden Gefahrenprognose etwaige Erkenntnis- oder Lageeinschätzungen des Verfassungsschutzes, geht es im Kern um die Erfüllung der Aufgabe der Versammlungsbehörde. Für eine etwaige Datenweiterleitung kann das Verfassungsschutzgesetz daher nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden.
313Für die Versammlungsbehörde ist es manchmal wichtig, auf Erkenntnisse des PVD und des LfV zurückgreifen zu können, um die Gefahrenprognose konkretisieren zu können. Sofern daher die Versammlungsbehörde ihrerseits Versammlungsanzeigen, welche personenbezogene Daten enthalten, an das LfV mit der konkreten Bitte um Übersendung einer Lageeinschätzung weiterleitet, befindet sich die Rechtsgrundlage hierfür vielmehr im Versammlungsgesetz (§ 15) i. V. m. Artikel 6 EU-DSGVO i. V. m. der landesgesetzlichen Regelung hinsichtlich der Datenverarbeitung in Erfüllung einer ihr obliegenden Aufgabe oder in Ausübung von öffentlicher Gewalt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde (§ 3 DSG NRW, Art. 4 BayDSG, § 4 LDSG BW, § 3 NDSG, § 3 HDSIG, § 3 Abs. 1 SächsDSDG usw.).
314Solch ein Erfordernis besteht jedoch nicht bei jeder Versammlung. Vor dem Hintergrund des allgemeinen Grundsatzes der Datensparsamkeit bzw. des Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit und trotz der gesetzlich für Verfassungsschutzbehörden normierten Löschpflicht von Daten, welche nicht mehr benötigt werden, verbietet sich eine vorsorgliche oder rein informative Weiterleitung von Versammlungsanzeigen an den Verfassungsschutz. Vielmehr handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, inwieweit Versammlungen als potentiell konfliktträchtig eingeschätzt werden; Umstände wie das Motto der Versammlung, Erfahrungen der Behörde aus vergangenen Versammlungen, gewählter Tag, Erkenntnisse aus dem jeweils aktuellen Verfassungsschutzbericht spielen dabei eine Rolle.