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9.Der Umgang mit Scheinanmeldungen

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336Die Anmeldung einer Versammlung ist nur dann bestätigungsfähig, d. h. wirksam erfolgt, wenn die Versammlung konkret geplant ist. Die konkrete Benennung des Leiters der Versammlung kann hierfür ein Indiz sein. Eine bloße Anmeldung „auf Vorrat“ genügt nicht. Die Versammlungsbehörde ist befugt, durch feststellenden Bescheid verbindlich zu entscheiden, dass eine Versammlung nicht bestätigungsfähig und deshalb zurückzuweisen ist. Rechtsgrundlage für eine solche „Minusmaßnahme“ ist § 15 Abs. 1 (i. V. m. § 14 Abs. 1?) VersG785 bzw. die jeweilige versammlungsgesetzliche Norm für beschränkende Verfügungen (Art. 15 Abs. 1 BayVersG, § 8 Abs. 1 NVersG usw.).

337Zwar genießt die Scheinversammlung786 keinen Schutz nach Art. 8 GG787 und könnte sogar verboten werden, wenn von vornherein erkennbar ist, dass es sich bei der Anzeige einer Gegendemonstration um eine Scheinanmeldung handelt und diese lediglich das Ziel hat, der Ausgangsversammlung den Platz zu nehmen.788

338Falls aber die Versammlungsbehörde nicht frühzeitig feststellen bzw. belegen kann, dass es sich um eine Scheinanmeldung handelt, ist die Problematik mit den derzeitigen rechtlichen Instrumenten kaum zu bewältigen789. Zunächst einmal muss trotz Verdachts einer Scheinanmeldung wie bei einer ernstgemeinten Versammlungsanzeige vorgegangen werden. Stellt sich dann an Ort und Stelle heraus, dass die angezeigte Versammlung faktisch nicht stattfindet, fehlt es an wirksamen Sanktionsinstrumenten gegen den Scheinanmelder. Niedersachsen ist das einzige Bundesland, in dem es überhaupt eine ansatzweise hierauf zielende Norm gibt: § 21 Abs. 1 Nr. 5 NVersG erklärt die wider besseres Wissen unrichtig gemachte Angabe in der Versammlungsanzeige für ordnungswidrig. Die Wirksamkeit dieser Norm für Fälle von Scheinanmeldungen ist indes fraglich; das Anwendungsproblem könnte darin liegen, dass der Anmelder im Nachhinein vorgibt, er habe mit deutlich mehr Teilnehmern gerechnet und insoweit die Lage falsch eingeschätzt, weil ihm selbst Informationen gefehlt hätten – dann nämlich liegt keine Ordnungswidrigkeit vor790. Derartige Schutzbehauptungen mögen sich widerlegen lassen, wenn für die Versammlung in keiner Weise geworben worden ist. Aus dem allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrecht kommt § 118 OWiG in Betracht. Der von einer Scheinanmeldung gar nicht so weit entfernte Fall des missbräuchlichen Herbeirufens eines polizeilichen Einsatzwagens ist als grober Unfug (entsprechend einer Ordnungswidrigkeit nach § 118 OWiG gemäß heutiger Rechtslage) gewertet worden791. Auch hier wird es aber im Einzelfall nicht einfach sein, einem Scheinanmelder das Vorhandensein der entsprechenden subjektiven Voraussetzungen nachzuweisen. De lege ferenda könnte daher erwogen werden, auch eine fahrlässig grob unrichtige Einschätzung der Teilnehmerzahl als Ordnungswidrigkeit zu normieren.792

339Sofern die Möglichkeit besteht, dass es sich um eine Scheinanmeldung handeln könnte, bedarf es unbedingt eines Kooperationsgespräches. Oft werden Scheinanmeldungen einer zweiten Versammlung eines Anmelders als Druckmittel gegenüber der Behörde angewandt, um die Durchführbarkeit der erstangezeigten Versammlung durchzusetzen. Desweiteren steht hinter dieser Art von Anzeigen in der Regel das Ziel eines politischen Gegners, Örtlichkeiten zu blockieren oder von der Versammlungsbehörde herauszubekommen, wo die Anlassversammlung ihre Veranstaltung konkret durchführen wird.

Handbuch Versammlungsrecht

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