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II.Die Kooperation 1.Grundidee
Оглавление340Das Bundesverfassungsgericht hat schon im Brokdorf-Beschluss793 mehrfach das Kooperationsgebot betont. Die Zusammenarbeit der Behörden mit dem Veranstalter und dem Versammlungsleiter dient verschiedenen Zwecken: Vor der Versammlung ermöglicht sie den wechselseitigen Informationsaustausch und die Erörterung offener Fragen zum geplanten Versammlungsablauf. Durch die Zusammenarbeit mit dem Veranstalter erhält die Versammlungsbehörde die notwendigen Angaben, um die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu planen. Sie berät ihrerseits den Veranstalter über die versammlungsrechtlichen Fragen und darüber hinausgehende ordnungsbehördliche Belange.794 Während der Versammlung soll die Kooperation dazu dienen, die für den friedlichen Verlauf der Versammlung wichtigen Informationen auszutauschen. In jeder Phase soll sie darüber hinaus zwischen den Beteiligten vertrauensbildend wirken, um den friedlichen Ablauf der Versammlung zu gewährleisten und gewalttätigen Aktionen vorzubeugen.795 Die Zusammenarbeit erschöpft sich nicht in einem im Vorfeld der Versammlung geführten Gespräch, sondern ist ein sich von der Versammlungsanzeige bis zum Ende der Versammlung erstreckender Prozess. Aus diesem Grund sollte die Versammlungsbehörde vor Ort und nicht lediglich im Führungs- und Lagezentrum der Polizei anwesend sein.
341Das BVerfG leitet die Kooperationspflicht aus der Verfahrenswirkung der Grundrechte ab; ob die Schutzwirkung Gleiches gebietet, wird angesprochen, bleibt aber offen.796 Weiter argumentiert das Gericht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den es aber nicht auf Handlungsformen oder Maßnahmen (öffentlich-rechtlicher Vertrag statt Verwaltungsakt) bezieht: Ein bestimmtes Verfahren kann als milderes Mittel geboten sein.797 Zugleich ist das Kooperationsgespräch funktional der rechtsstaatlich gebotenen allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Anhörung verwandt798; sie unterscheidet sich von der Anhörung indes darin, dass bei der Anhörung eine belastende Verwaltungsentscheidung bereits (vorbehaltlich der Anhörung) avisiert ist, wogegen es sich bei der Kooperation um einen offenen Prozess handelt, der gerade zur Vermeidung belastender Entscheidungen dienen soll.799
342Eine gesetzliche Regelung der Kooperation enthalten alle Länder-Versammlungsgesetze (Art. 14 BayVersG; § 6 NVersG; § 14 Abs. 5 SächsVersG, § 4 VersFG BE; § 3 Abs. 3 und Abs. 4 VersFG SH; § 12 Abs. 3 VersammlG LSA), nicht jedoch das Versammlungsgesetz des Bundes. Da das Bundesverfassungsgericht die Regeln der Kooperation vorgegeben hat, ist gleichwohl in ganz Deutschland Kooperation grundsätzlich in gleicher Weise durchzuführen; die fehlende Normierung im VersG und die Detailunterschiede in den Formulierungen der verschiedenen Länder-Versammlungsgesetze sind weitgehend unerheblich.
343Auch wenn die meisten Länder-Versammlungsgesetze die Kooperation nur für Versammlungen unter freiem Himmel normiert haben (rühmliche Ausnahmen: § 4 VersFG BE sowie § 3 Abs. 3 und Abs. 4 VersFG SH), gelten die Grundsätze der Kooperation im Prinzip ebenso für Versammlungen in geschlossenen Räumen, auch wenn dies infolge der fehlenden gesetzlichen Anzeigepflicht kaum praktische Bedeutung hat.800 Dass in mehreren Bundesländern der ausdrückliche Wortlaut der Versammlungsgesetze nur eine Kooperation bei öffentlichen Versammlungen vorsieht (§ 14 Abs. 5 SächsVersG, § 4 VersFG BE, § 3 Abs. 3 VersFG SH, § 12 VersammlG LSA) bzw. die Kooperations-Norm sich wie das Gesetz insgesamt nur auf öffentliche Versammlungen bezieht801, schließt eine Kooperation bei nicht-öffentlichen Versammlungen nicht aus.802
344Die Kooperation ist ein Verwaltungsverfahren, auf das – spätestens von der Einladung zum Kooperationsgespräch an – die §§ 9 ff. VwVfG Anwendung finden.803