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4.Verlangen ergänzender Angaben
Оглавление295Wenn es im Zusammenhang mit der angezeigten Versammlung möglicherweise zu Gefahren für die öffentliche Sicherheit (oder Ordnung) kommen kann, besteht auf Seiten der Behörde u. U. das Bedürfnis, über die Standard-Angaben hinaus weitere Informationen zu erhalten. In den Versammlungsgesetzen sind hierzu meist keine Normen enthalten, auf die ein entsprechendes behördliches Auskunftsverlangen gestützt werden könnte. Lediglich in Niedersachsen gibt es eine umfassende Regelung hierzu (§ 5 Abs. 3 NVersG); für die Geltungsbereiche der übrigen Versammlungsgesetze ist jeweils zu fragen, ob sich ein solches Verlangen nach ergänzenden Angaben anderweitig begründen lässt.
296Grundvoraussetzung für das Verlangen ergänzender Angaben ist in Niedersachsen nach § 5 Abs. 3 NVersG eine (unmittelbare)713 Gefahr für die öffentliche Sicherheit.714 Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung genügt nicht. Bayern legt die Eingriffsschwelle noch höher und verlangt in Art. 13 Abs. 6 S. 1 BayVersG Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Friedlichkeit der Versammlung gefährdet ist. Bevor die ergänzenden Daten verlangt werden, ist eine der Prognose bei Beschränkungs-, Verbots- und Auflösungsentscheidungen vergleichbare Gefahrenprognose hinsichtlich der Versammlung anzustellen. Für diese Prognose sind die Daten aus der Versammlungsanzeige sowie sonstige Erkenntnisse heranzuziehen; die durch das Mitteilungsverlangen erst noch zu gewinnenden Informationen können insoweit naturgemäß noch nicht einbezogen werden und sind auch nicht etwa geeignet, das Mitteilungsverlangen im Nachhinein zu rechtfertigen.715
297§ 5 Abs. 3 Nr. 1 NVersG ermöglicht das Verlangen der Mitteilung des geplanten Ablaufs der Versammlung. Ablauf ist äußerer Geschehensverlauf.716 Zu nennen sind hier Art und Weise der Durchführung (etwa: Kundgebung, Diskussion, Schweigemarsch, Ablaufplan (dazu gehören Rednerauftritte) und Besonderheiten (z. B. Auftritte von Musikern). Nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 NVersG kann die Behörde Angaben zu bei der Versammlung mitgeführten Gegenständen, insbesondere technischen Hilfsmitteln, verlangen. Zu den zu nennenden technischen Hilfsmitteln zählt insbesondere ein Lautsprechereinsatz.717 Für ein Verlangen all dieser ergänzenden Informationen gibt es in den übrigen Bundesländern keine rechtliche Grundlage: Die Behörde kann lediglich im Rahmen der Kooperation den Veranstalter oder Leiter bitten, entsprechende Auskünfte zu geben; das Zur-Verfügung-Stellen solcher Informationen mag sich für den Veranstalter durchaus empfehlen, damit die Behörden die Versammlung besser schützen können.718
298Schließlich erlaubt § 5 Abs. 3 Nr. 3 NVersG der Behörde, die Mitteilung der Anzahl und der persönlichen Daten von Ordnern zu fordern. Deutlich enger ermöglicht Art. 13 Abs. 6 S. 1 BayVersG das Verlangen der Mitteilung von persönlichen Daten eines bestimmten Ordners. Persönliche Daten im Sinne dieser Vorschrift sind – entsprechend der Legaldefinition in Art. 10 Abs. 3 S. 1 BayVersG bzw. § 5 Abs. 2 Nr. 4 NVersG – Name, Vorname, Geburtsname, Geburtsdatum und Anschrift, nicht aber etwa eine telefonische oder sonstige Erreichbarkeit. In der Praxis wird der Versammlungsleiter vor Versammlungsbeginn nicht viel mehr mitteilen können und müssen als die vorgesehene Anzahl der Ordner pro Teilnehmer. Sowohl die konkrete Anzahl der Ordner als auch die Frage, wer Ordner sein soll, lässt sich nämlich normalerweise abschließend nur an Ort und Stelle der Versammlung entscheiden – in Abhängigkeit davon, wer tatsächlich erschienen ist. Erst dann kann der Versammlungsleiter eine vollständige Mitteilung an die Behörde machen.719 Unterhalb der gesetzlich festgelegten Schwelle ist der Veranstalter (oder Leiter) nicht verpflichtet, die Daten eines Ordners zu übermitteln.720 Dementsprechend können in Schleswig-Holstein, wo der Veranstalter nur die Anzahl der Ordner mitteilen muss, keine persönlichen Daten der Ordner verlangt werden.721 Für Sachsen, Sachsen-Anhalt und diejenigen Bundesländer, in denen das Versammlungsgesetz des Bundes gilt, stellt sich die Frage hier insoweit anders, als ja die Behörde über die Genehmigung von Ordnern entscheidet und der Ordnereinsatz schon in der Versammlungsanzeige mitzuteilen ist.722 Hieraus wird zum Teil geschlussfolgert, die Behörde könne die Angabe der Namen der Ordner verlangen.723 Das ist allerdings in dieser Allgemeinheit nicht ganz richtig. Vielmehr ist Übermittlung von Ordner-Personalien an die Behörde grundsätzlich eine bloße Obliegenheit des Veranstalters724; unterlässt der Veranstalter die entsprechende Mitteilung, kann nämlich die Genehmigung des Ordnereinsatzes insgesamt verweigert werden.725 Möglich soll es darüber hinaus sein, bezogen auf Ordner mit Spezialfunktion (z. B. „Wagenverantwortliche“) mittels beschränkender Verfügung dem Veranstalter aufzugeben, die Personalien mitzuteilen.726
299Zwar gibt es in den meisten Bundesländern keine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Erhebung von Daten von Ordnern für deren Zuverlässigkeitsprüfung. Sofern jedoch im jeweiligen Gesetz eine Verwendung von Ordnern der Genehmigung bedarf, kann daraus geschlussfolgert werden, dass in der Regel auch insoweit eine Zuverlässigkeitsprüfung zu erfolgen hat bzw. stattfinden kann. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine (vertiefte) Zuverlässigkeitsprüfung der Ordner zu erfolgen hat, könnte wie folgt vorgegangen werden: behördliche Bitte um vorherige Übermittlung der Ordnerliste durch die Versammlungsbehörde im Kooperationsgespräch auf freiwilliger Basis; wenn die Liste nicht freiwillig übergeben wird, kann im konkreten Einzelfall die Verpflichtung zur Vorlage einer Ordnerliste zwecks Abwehr einer unmittelbaren Gefahr auf § 15 Abs. 1 VersG (bzw. die entsprechende Landesnorm) gestützt werden. Dann müssen allerdings hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Gefährdung (gerade bezogen auf die Zuverlässigkeit und Eignung der Ordner) bestehen, z. B. Verwendung ungeeigneter Ordner in der Vergangenheit. Das Verlangen nach der Vorlage einer Liste könnte auch auf § 18 Abs. 2 VersG (bzw. die entsprechende Landesnorm) gestützt werden.
300Das SächsOVG bezieht sich ausdrücklich auf die Rechtsprechung des VG Freiburg.727 Das Verwaltungsgericht Freiburg führt aus, dass die Aufforderung, Personalien der Ordner in einer Liste zusammenzufassen, die auf Anforderung der Polizei der Versammlungsbehörde vorzulegen ist, keinen rechtlichen Bedenken begegne. Die Überprüfung der Personalien durch Vorlage eines Personalausweises sei zweifelsfrei durch § 18 Abs. 2 SächsVersG (bzw. als Minusmaßnahme zur Auflösung durch § 15 Abs. 3 SächsVersG) gedeckt. Die Überprüfung von Personalien durch Vorlage eines Personalausweises sei aber kein milderes Mittel gegenüber der Vorlage einer Ordnerliste. Denn auch im Fall einer solchen, für die Polizei aber wesentlich zeitaufwendigeren und damit im Einzelfall nicht zumutbaren Verfahrensweise werden die Personalien der Ordner bekannt. Kommt der Anmelder dem Wunsch der Versammlungsbehörde nach Benennung der Ordner nicht nach, könnte dies zur Folge haben, dass es keine Genehmigung von Ordnern für die betreffende Versammlung gibt mit der Folge, dass dies unmittelbare Auswirkungen auf die Gefährdungseinschätzung und auf beschränkende Verfügungen hat. Die Frage, inwieweit sich die Versammlungsbehörde idealerweise eine Ordnerliste freiwillig vorlegen lässt, ist gleichzeitig jedoch auch eine Frage der Sinnhaftigkeit. Die Versammlungsbehörde selbst könnte verwaltungsintern zunächst lediglich das Vorliegen der Volljährigkeit prüfen. Für eine weitergehende Zuverlässigkeitsprüfung von Ordnern bedarf es anderer Erkenntnisquellen, insbesondere Register/Datenbanken (inpol, BZR usw.). In der Regel unterliegen die in Betracht kommenden Register strengen Zweckbindungsvorschriften, die eine Zuverlässigkeitsprüfung von Ordnern bei Versammlungen gegebenenfalls nicht einschließen.
301Im Übrigen gilt zu bedenken, dass selbst nach vorheriger Vorlage der Ordnerliste hinsichtlich der genehmigten Ordner im Zeitpunkt der Versammlung ein „Vor-Ort-Ordnerabgleich“ (Aufruf der einzelnen Namen mit Vortritt der Person mit Personalausweis) erforderlich ist, um zu überprüfen, ob auch tatsächlich nur die vorher geprüften und als zuverlässig befundenen Ordner eingesetzt werden. Dieses Prozedere kann sich als untauglich erweisen, weil oft lediglich ein Bruchteil der auf der Liste aufgeführten Ordner auch tatsächlich vor Ort zum Ordnereinsatz erscheint und die restlichen Ordner dann ohnehin unter Vorlage und Einsammeln der Personalausweise von der Polizei ad hoc geprüft werden.
302Andere als die im Gesetz aufgeführten Informationen wird die Behörde in der Regel (auch im Rahmen der Kooperation) nicht anfordern dürfen.728 Insbesondere darf nicht die Vorlage von Texten von vorgesehenen Reden, Musikbeiträgen o. ä. verlangt werden.729 Ganz abgesehen von der fehlenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage würde ein derartiges Verlangen auch am (in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG verankerten) Zensurverbot scheitern. Aus diesem folgt nämlich die Unzulässigkeit auf die Versammlungsinhalte bezogener systematischer Kontrolle vor Beginn der Versammlung.730