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VIII.Problemfelder 1.Versammlungsbeginn
Оглавление246Die Frage, wann eine Versammlung beginnt, ist in mehrerer Hinsicht von Bedeutung. Zunächst einmal beanspruchen die Versammlungsgesetze mit Blick auf behördliche Eingriffsmaßnahmen grundsätzlich erst ab Beginn der Versammlung Geltung, auch wenn es versammlungsgesetzliche Regelungen für die Zeit vor dem Beginn gibt (etwa zu Einladung, Anmeldung und Kooperation). Auch die Geltung versammlungsgesetzlicher Verbote und die Anwendbarkeit von versammlungsgesetzlichen Strafvorschriften ist teilweise an das Vorliegen einer bereits begonnenen Versammlung geknüpft. Zudem kann der Versammlungsbeginn für die Frage der behördlichen Zuständigkeit, d. h. für die Aufgabenaufteilung zwischen Polizei und Versammlungsbehörde, eine Rolle spielen, was in mehreren Versammlungsgesetzen ausdrücklich bestimmt ist (Art. 24 Abs. 2 BayVersG, § 24 Abs. 1 NVersG).
247Nach verbreiteter Auffassung beginnt eine Versammlung mit ihrer Eröffnung durch den Leiter.617 Diese Ansicht hat den Vorzug, dass der Zeitpunkt des Zuständigkeitswechsels objektivierbar ist. Andererseits wirft das Abstellen auf die Eröffnung durch den Leiter auch Probleme auf. Für die vorher bestehende Zusammenkunft der Teilnehmer am Versammlungsort (Aufstellen von Tischen, Schautafeln etc., Warten auf die Eröffnung), die als im Entstehen begriffene Versammlung schon dem Schutz des von Art. 8 GG unterliegt618, ist damit eine reguläre Zuständigkeit der Polizei noch nicht gegeben; zuständig ist noch die untere Versammlungsbehörde. Dies hat zur Folge, dass die Polizei (sofern sie nicht selbst auch Versammlungsbehörde ist, etwa nach § 31 VersFG BE) versammlungsrechtlich nur in unaufschiebbaren Fällen Maßnahmen treffen kann (vgl. § 27 Abs. 5 VersFG SH). Ansonsten muss die Polizei zunächst Kontakt zur unteren Versammlungsbehörde aufnehmen, die in der Praxis nicht unbedingt vor Ort sein wird. Die untere Versammlungsbehörde hat dann die Entscheidung über etwaige Maßnahmen zu treffen; das Entschließungs- und Auswahlermessen obliegt ihr. Immerhin kann sie sowohl die Übermittlung der Entscheidung wie die Überwachung ihrer Durchführung der Polizei übertragen. Ist die Polizei, ohne dass Unaufschiebbarkeit vorliegt, von sich aus tätig geworden, ist der Verwaltungsakt rechtswidrig. Dem Zweck der versammlungsgesetzlichen Regelungen entspricht es eher, den Beginn der Versammlung mit dem Zusammenkommen der Teilnehmer am Versammlungsort anzusetzen.619 Denn die Notwendigkeit versammlungsbezogener schneller (und möglicherweise den Einsatz unmittelbaren Zwanges nach sich ziehender) Entscheidungen (für die typischerweise die Polizei ausgebildet ist, aber nicht unbedingt die untere Versammlungsbehörde) ergibt sich unabhängig von einer formellen Eröffnung schon bei Anwesenheit der Versammlungsteilnehmer. Zudem bedarf eine Versammlung keiner formellen Eröffnung; sie muss – zumindest als Spontanversammlung – noch nicht einmal einen Leiter haben. Daher sollte für den Beginn der Versammlung nicht auf die formelle Eröffnung durch den Versammlungsleiter abgestellt werden.620