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1.Jedermann-Grundrechte und Deutschen-Grundrechte

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114Für den Geltungsbereich der einzelnen Grundrechte muss zwischen Jedermann-Grundrechten und Deutschen-Grundrechten differenziert werden.

Die Jedermann-Grundrechte, die auch als Menschenrechte bezeichnet werden, stehen jeder natürlichen Person unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit zu. Ersichtlich ist dies aus Formulierungen wie „jeder, jedermann, alle Menschen oder niemand.9 Gleiches gilt, wenn der Verfassungstext einen unpersönlichen Begriff verwendet, um den Schutzbereich eines Grundrechts zu umschreiben.10

Einige Grundrechte gelten nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nur für Deutsche (Deutschen-Grundrechte oder Bürgerrechte), wie z. B. die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1), die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1), die Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1), der Schutz vor Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1) und das Auslieferungsverbot (Art. 16 Abs. 2). Darüber hinaus sind politische und staatsbürgerliche Rechte ausschließlich Deutschen vorbehalten (vgl. Art. 33 Abs. 1 und 2 und nach h. M. obschon im Wortlaut nicht angelegt auch Art. 38 Abs. 1). Deutsche i. S. d. Grundgesetzes sind nach Art. 116 Abs. 1 deutsche Staatsangehörige und die sog. Statusdeutschen.11

Soweit der Geltungsbereich einzelner Grundrechte auf Deutsche beschränkt ist, genießen Ausländer und Staatenlose Grundrechtsschutz über das subsidiäre Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1.12 Dies betrifft insbesondere die thematischen Bereiche der Berufsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und des Freizügigkeitsrechts.13

Nach Auffassung des BVerfG darf der Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 jedoch nicht dazu führen, dass der Ausländer denselben Schutz beanspruchen kann, den das spezielle Freiheitsrecht den Deutschen gewährt.14 Auf den Grundrechtsschutz von Ausländern finden daher die Schranken des Art. 2 Abs. 1 Anwendung, zu denen vor allem die verfassungsmäßige Ordnung zählt:15

„Die Unanwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 auf Ausländer bedeutet nicht, dass die Verfassung sie in diesem Bereich schutzlos lässt. Der systemgerechte Ansatz liegt vielmehr bei dem subsidiären allgemeinen Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1. Das darf allerdings nicht so verstanden werden, dass der Nichtdeutsche, dem die Berufung auf die Berufsfreiheit verwehrt ist, denselben Schutz über Art. 2 Abs. 1 beanspruchen könnte. Eine solche Auffassung ließe das Spezialitätsverhältnis zwischen Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 außer Acht. Das allgemeine Freiheitsrecht ist insoweit nur anwendbar, als es im Rahmen der in ihm geregelten Schranken die Handlungsfreiheit gewährleistet. […] Schutz bietet Art. 2 Abs. 1 nur vor Eingriffen, die von seinen Schranken nicht mehr gedeckt sind und nicht vom speziellen Regelungsbereich des Art. 12 Abs. 1 erfasst werden.“16

115Für den Grundrechtsschutz von Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten gelten aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben besondere Grundsätze. Vor allem mit Rücksicht auf das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV ist eine Gleichbehandlung von Unionsbürgern und Deutschen erforderlich.17 Besteht darüber Einigkeit ist umstritten, wie die gebotene Gleichstellung konstruktiv zu bewirken ist. Zum Teil wird mit Blick auf den Vorrang des Europarechtes angenommen, dass die Privilegierung Deutscher in den sog. Deutschengrundrechten vor Art. 18 Abs. 1 AEUV keinen Bestand haben könne.18 Das wohl überwiegende Schrifttum steht dieser Konstruktion ablehnend gegenüber.19 Die Einbeziehung der Unionsbürger in den persönlichen Schutzbereich der Deutschen-Grundrechte sei mit dem eindeutigen Wortlaut des Verfassungstextes („alle Deutschen“) nicht vereinbar.20 Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten ist daher im Bereich der speziellen Freiheitsrechte durch eine erweiterte Auslegung des Art. 2 Abs. 1 ein gleichwertiger Grundrechtsschutz zu gewähren.21 Konstruktiv wird dies dadurch bewältigt, dass für Unionsbürger Art. 2 Abs. 1 zunächst wie bei allen Ausländern Auffangwirkung im Bereich der Deutschenrechte entfaltet, dass aber bei Staatsangehörigen von EU-Mitgliedsstaaten – insoweit anders als bei anderen Ausländern – im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Eingriffen die Schranken des Spezialgrundrechts Anwendung finden.

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