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3.Grundrechtsmündigkeit Minderjähriger

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118Die Grundrechtsmündigkeit bezeichnet die Fähigkeit natürlicher Personen, Grundrechte selbstständig ausüben zu dürfen.32 Diese Frage ist streng zu trennen von der Überlegung, ob jemand grundrechtsfähig ist. Auch Minderjährige sind selbstverständlich Träger von Grundrechten, es geht nur darum, ob sie dieses Grundrecht auch selbständig ausüben können.33

119Obwohl Parallelen nicht von der Hand zu weisen sind, ist die Grundrechtsmündigkeit weder mit der Geschäftsfähigkeit noch mit der Prozessfähigkeit identisch.34

120a) Das Verhältnis des Minderjährigen zur Staatsgewalt. Zur Grundrechtsmündigkeit Minderjähriger werden im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen vertreten. Teils wird auf die natürliche Einsichtsfähigkeit als Voraussetzung eigenverantwortlicher Grundrechtsausübung abgestellt.35 Anderer Ansicht nach seien für die Grundrechtsmündigkeit bestimmte gesetzlich festgelegte Altersgrenzen entscheidend. So soll sich die Grundrechtsmündigkeit an den Vorschriften des BGB zur Geschäftsfähigkeit orientieren, wenn die Grundrechtsausübung mit privatrechtlichen Rechtsgeschäften verbunden ist (z. B. Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1).36 Knüpfen Grundrechte hingegen allein an die menschliche Existenz an (z. B. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2), soll ihre Ausübung nicht vom Erreichen einer Altersgrenze abhängen.37 Eine weitere Auffassung, die die Grundrechtsmündigkeit aller Minderjährigen anerkennt, will im Verhältnis des Minderjährigen zum Staat auf Altersgrenzen gänzlich verzichten.38 Das Grundgesetz selbst sieht mit Ausnahme der Art. 12a Abs. 1 und Art. 38 Abs. 2 kein Mindestalter des (Grundrechts­) Berechtigten vor.

121b) Das Verhältnis des Minderjährigen zu seinen Eltern. Im Verhältnis des Minderjährigen zu seinen Eltern kann es bei der Grundrechtsausübung zu Kollisionen mit dem Elternrecht (vgl. Art. 6 Abs. 2) kommen. Derartige Kollisionen sind nicht mit dem gängigen dogmatischen Zugriff „Schutzbereich, Eingriff, Rechtfertigung“ zu erfassen, weil Private nicht in Grundrechte anderer Privater eingreifen können.39 Art. 6 Abs. 2 gewährt den Eltern also kein Eingriffsrecht gegenüber den minderjährigen Kindern40, es ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, normative Regelungen für auftretende Konfliktlagen (etwa im Kontext religiöser Selbstbestimmung oder der körperlichen Unversehrtheit) zu treffen.41 Das Elternrecht erstreckt sich auf alle Gegenstände der Personen- (§§ 1626 ff. BGB) und der Vermögensorge (§§ 1638 ff. BGB), beinhaltet mithin die Sorge für das körperliche Wohl (Pflege), die seelische und geistige Entwicklung, die Bildung und Ausbildung des Kindes (Erziehung),42 also eine umfassende Verantwortung der Eltern für die Lebens- und Entwicklungsbedingungen des Kindes.43 Aus dem Elternrecht folgt ein allgemeines, aber nicht unbegrenztes Entscheidungsrecht der Eltern gegenüber dem minderjährigen Kind.44 Die Befugnisse aus dem Elternrecht nehmen mit zunehmendem Alter des Kindes ab und erlöschen mit dessen Volljährigkeit (vgl. auch § 1626 Abs. 2 BGB).45

122Sonderregelungen zur eigenständigen Grundrechtswahrnehmung durch Minderjährige bestehen für den Bereich der Religionsausübung (sog. Religionsmündigkeit). § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung (RelKErzG)46 lautet:

„Nach der Vollendung des 14. Lebensjahrs steht dem Kind die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Hat das Kind das 12. Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden.“

123c) Prozessfähigkeit des Minderjährigen im Verfassungsbeschwerdeverfahren. Das BVerfGG enthält keine Vorschriften zur Prozessfähigkeit der Beteiligten. Die Regeln des allgemeinen Prozessrechts, wonach sich der Minderjährige in einem Rechtsstreit von seinen gesetzlichen Vertretern vertreten lassen muss (vgl. §§ 51 ZPO, 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), können nicht ohne weiteres auf das Verfassungsbeschwerdeverfahren übertragen werden.47 Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des BVerfG

„die Prozessfähigkeit zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde […] auch bei einem noch nicht Volljährigen gegeben, wenn er die nötige Einsicht in die Voraussetzungen und den Zweck einer Verfassungsbeschwerde gegen die ergangenen Entscheidungen und an der Fähigkeit zur ordnungsgemäßen und selbstständigen Führung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens hat.“48

124Da es für die Prozessfähigkeit auf die Einsichtsfähigkeit des Beschwerdeführers ankommt, ist ein 14-Jähriger bezüglich des Grundrechts der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (vgl. § 5 RelKErzG) und ein 17-Jähriger für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als prozessfähig anzusehen.49

Sind die sorgeberechtigten Eltern wegen eines Interessenkonflikts an der Wahrnehmung der Interessen ihres Kindes im Verfassungsbeschwerdeverfahren verhindert, muss ein Ergänzungspfleger bestellt werden.50

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