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2. Haftung für Verletzungen von supranationalen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen
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Finanzielle Belastungen können sich für die Bundesrepublik Deutschland aus der Verletzung supranationaler oder völkerrechtlicher Verpflichtungen ergeben. Art. 104a Abs. 6 GG regelt die Lastentragung aus solchen Verpflichtungen im Innenverhältnis. Typische haftungsauslösende Ereignisse sind die Verhängung von Zwangsgeldern oder Pauschalbeträgen durch die EU, Finanzkorrekturen durch die EU aufgrund fehlerhafter Verausgabungen von EU-Mitteln (Anlastung) oder Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte[118]. Die nähere Ausgestaltung erfolgt durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz, Art. 104a Abs. 6 Satz 4 GG[119].
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Die Haftungsregelung in Abs. 6 ist gegenüber Art. 104a Abs. 5 GG lex specialis. Bei Sanktionsmaßnahmen der EU im Zusammenhang mit den Bestimmungen in Art. 126 AEUV zur Einhaltung der Haushaltsdisziplin (Maastricht-Kriterien) tritt Art. 104a Abs. 6 GG allerdings hinter den spezielleren Art. 109 Abs. 5 GG zurück (Rn 509).
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Art. 104a Abs. 6 Satz 1 GG erfasst sowohl Verwaltungs- als auch gesetzgeberisches und rechtsprechendes Handeln von Bund und Ländern und richtet die Haftung (verschuldensunabhängig) am Verursachungsprinzip aus. Maßgeblich für die Haftung im Innenverhältnis ist damit die innerstaatliche Zuständigkeit für die haftungsbegründende Aufgabe. Dabei regelt die Vorschrift nicht nur das Verhältnis zwischen Bund und Ländergesamtheit, sondern auch die Haftung der Länder untereinander[120].
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Art. 104a Abs. 6 Satz 1 GG ist insofern eine Ausnahme zum Konnexitätsprinzip, als grds dem Bund die Aufgabe der Pflege auswärtiger Beziehungen zusteht, und er gemäß Art. 104a Abs. 1 GG zur Tragung entsprechender Lasten verpflichtet wäre. Allerdings ist die Verknüpfung der innerstaatlichen Zuständigkeit mit der Haftungslast verwaltungsökonomisch sinnvoll und systemkonform. Ein Abstellen auf die auswärtigen Beziehungen würde auch der erheblichen innenpolitischen Bedeutung v.a. der EU-Verpflichtungen nicht gerecht.
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Eine Abweichung von der reinen Verursacherhaftung enthält Art. 104a Abs. 6 Satz 2, 3 GG. Das Verursacherprinzip wird dabei bei länderübergreifender Finanzkorrekturen der EU um eine Solidarhaftung erweitert[121].
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Eine länderübergreifende Finanzkorrektur liegt vor, wenn die EU-Kommission die Maßnahme aufgrund eines Fehlers, der in einem oder mehreren Ländern konkret festgestellt wird, ohne weitere Prüfung auf die Gesamtheit der die Regelung durchführenden Länder erstreckt[122]. Die Haftungsfolgen treffen in diesem Fall den Bund zu 15 % und die Ländergesamtheit zu 85 %. Auf horizontaler Ebene wird der Haftungsanteil der Länder wie folgt aufgeteilt: 35 % der Gesamtlast trägt die Ländergesamtheit nach einem allgemeinen Schlüssel, der Steuereinahmen und Bevölkerungszahlen der einzelnen Bundesländer berücksichtigt (Königsteiner Schlüssel)[123]. Die verbleibenden 50 % werden von den Ländern getragen, die den Nachweis rechtmäßigen Verhaltens nicht erbringen können[124].
Erster Teil Staatliche Ebene: Bund und Länder › § 3 Staatliche Ausgaben › IV. Subventionen und Steuervergünstigungen