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2. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes

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Art. 105 Abs. 2 GG gewährt dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung für die Grundsteuer (Satz 1) und die „übrigen Steuern, wenn ihm deren Erträge ganz oder teilweise zustehen oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen“ (Satz 2). Über Art. 106 GG ergibt sich eine Bindung an die Steuertypen des Grundgesetzes[49], ein freies Steuererfindungsrecht besteht nach dem BVerfG nicht[50]. Es wird unterschieden zwischen Steuern, deren Erträge gem. Art. 106 GG dem Bund ganz oder zum Teil zufließen und Steuern, deren Erträge zwar den Ländern zufließen, hinsichtlich derer aber gem. Art. 72 Abs. 2 GG im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist. Hat also der Bund (zumindest auch) die Ertragskompetenz über eine Steuer, kommt es im Unterschied zur allgemeinen Regelung der konkurrierenden Gesetzgebung in Art. 72 Abs. 2 GG nicht darauf an, ob eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist. IErg dürfte es daher ausgeschlossen sein, dass die Länder hier gesetzgeberisch tätig werden, wenn dem Bund (auch) das Aufkommen zusteht.

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Für Steuern, deren Erträge allein den Ländern (oder den Gemeinden bzw Gemeindeverbänden) zufließen, Art. 106 Abs. 2 GG, kommt es darauf an, ob eine bundesgesetzliche Regelung aus den in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Gründen erforderlich ist.

Die Rspr ist hier eher großzügig. Für die allein den Ländern zustehende Erbschaftsteuer (Art. 106 Abs. 2 Nr 2 GG) hat das BVerfG lapidar festgestellt, dass eine bundesgesetzliche Regelung zur Vermeidung der Rechtszersplitterung, also zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich ist[51]. Während der bis 1994 geltenden aF des Art. 72 Abs. 2 GG – hier reichte ein „Bedürfnis“ nach bundesgesetzlicher Regelung – wurde dem Bundesgesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zuerkannt, was das BVerfG allerdings jetzt ablehnt[52]. Dennoch hat der Bund iErg bislang eine umfassende Befugnis zur Gesetzgebung in Anspruch genommen. Auf Art. 72 Abs. 2 GG aF gestütztes Bundessteuerrecht gilt gem. Art. 125a Abs. 2 GG als Bundesrecht fort, neues Bundessteuerrecht muss sich aber an der Erforderlichkeitsklausel messen lassen. Für die Grundsteuer (Rn 70) hat der verfassungsändernde Gesetzgeber 2019 eine ausdrückliche Zuordnung zur konkurrierenden Gesetzgebung vorgenommen (Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG), die um eine Öffnungsklausel für die Länder ergänzt ist (Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr 7 iVm Art. 125b Abs. 3 GG)[53].

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Die Frage, wann der Bund seine konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis ausgeübt hat und damit die Wahrnehmung der Länderkompetenz nach Art. 105 Abs. 2 GG sperrt, entscheidet sich – wie auch im Fall des Art. 105 Abs. 2a GG (dazu unten Rn 132) – nach dem Merkmal der Gleichartigkeit[54]. Nach der Rspr des BVerfG ist eine Landessteuer einer Bundessteuer gleichartig, wenn die steuerbegründenden Tatbestände, also insb Steuergegenstand und Besteuerungsmaßstab, übereinstimmen und die gleiche Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit beansprucht wird[55].

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Für die Beurteilung, ob Steuern in ihren wesentlichen Merkmalen übereinstimmen, muss auf die Wirkungsstruktur der Steuernorm abgestellt werden, dh es müssen Belastungs- und Gestaltungswirkungen der Norm miteinander verglichen werden. Es ist also danach zu fragen, welche Ausprägung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Rn 60 ff) durch den Geldentzug belastet wird und welche Auswirkungen die Steuer auf das wirtschaftliche Verhalten des Einzelnen (Gestaltungswirkungen) entfaltet (dazu näher Rn 196 ff).

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Die Vorherrschaft des Bundes bei der Steuergesetzgebung wird gem. Art. 105 Abs. 3 GG zumindest partiell dadurch kompensiert, dass Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder auch nur teilweise zufließt, der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Auf diese Weise finden Interessen der Länder bei der Steuergesetzgebung jedenfalls bei eigener Ertragszuständigkeit hinreichende Berücksichtigung.

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Weichen die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat von denen im Bundestag ab, so kann es zu einer „Gesetzgebungsblockade“ kommen und zur Anrufung des Vermittlungsausschusses (Art. 77 Abs. 2 GG), der Kompromisslösungen finden muss. Der Kompromissvorschlag zur Änderung oder Ergänzung der vom Bundestag beschlossenen Vorschriften muss sich aber innerhalb des Anrufungsbegehrens halten. Geht er über dieses Anrufungsbegehren hinaus, so liegt ein formeller Fehler des Gesetzgebungsverfahrens vor, der zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes führt[56].

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