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a) Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Konkretisierung des Gebots gleicher steuerlicher Lastenverteilung

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Der Gleichheitssatz muss bereichsspezifisch konkretisiert werden[133]. Gleichheit im Steuerrecht heißt unterschiedliche Belastung je nach individueller wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit[134]. Das BVerfG knüpft bei der Konkretisierung des Gleichheitssatzes im Steuerrecht an Art. 134 WRV an. Dieser lautete: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei.“ Das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gilt besonders strikt für die Einkommensteuer[135].

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Im Einkommensteuerrecht wird der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit durch das sog. Nettoprinzip (Rn 608 ff) konkretisiert. Die Bestimmung der Ist-Leistungsfähigkeit, an die die Einkommensteuerpflicht anknüpft, erfolgt, indem von dem erzielten Roheinkommen die erwerbssichernden und existenzsichernden Aufwendungen abgezogen werden. Leistungsfähigkeit entsteht also erst, nachdem der Einkommensbezieher seine Erwerbsvoraussetzungen geschaffen und seine zwangsläufigen Daseinsvoraussetzungen finanziell gesichert hat[136]. Das steuerbare Einkommen eines StPfl muss deshalb auch als Netto-Größe aufgefasst werden. In objektiver Hinsicht sind grds bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens diejenigen Beträge zu verschonen, die der StPfl zur Erhaltung und Sicherung seiner Einkommensquelle aufwendet (sog. objektives Nettoprinzip, s. Rn 608 ff). Allerdings muss der Gesetzgeber nicht unbedingt den tatsächlichen Aufwand zum Abzug zulassen, sondern kann auch typisieren (dazu Rn 207 f). Zudem kann er das objektive Nettoprinzip bei Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen[137].

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Eine steuerliche Teilhabe des Staates an dem privatwirtschaftlichen Einkommen des Steuerbürgers kommt jedoch nur in Betracht, soweit das Einkommen für die Steuerzahlung überhaupt verfügbar („disponibel“) ist[138]. Das Einkommen als Bemessungsgrundlage für den staatlichen Steuerzugriff kann sich deshalb nicht bereits in der Erfassung des Markteinkommens widerspiegeln, sondern hat auch leistungsfähigkeitsmindernde Aufwendungen des StPfl, die ihm zur Gewährleistung der persönlichen, ökonomischen Daseinsvoraussetzungen notwendig erwachsen, zu berücksichtigen. Neben der auf Netto gebrachten objektiven Leistungsfähigkeit sind also auch die Faktoren subjektiver Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen (subjektives Nettoprinzip). Da nach den erwerbssichernden noch die existenzsichernden Aufwendungen berücksichtigt werden müssen, ist somit nach heutigem, in der Steuerrechtswissenschaft unbestrittenem Verständnis die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage in zwei Schritten zu ermitteln[139]. Im Einkommensteuergesetz spiegelt sich diese Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Leistungsfähigkeit in den Begriffen Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) und zu versteuerndes Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG) wider.

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Auch das Verbrauch- und Verkehrsteuerrecht sollte sich grds am Leistungsfähigkeitsprinzip orientieren. Da Verbrauchsteuern aber regelmäßig indirekte Steuern sind, kann auf die individuelle Leistungsfähigkeit keine Rücksicht genommen werden. Allerdings sollten typisiert existenznotwendige Güter nicht oder nur moderat belastet sein. Das geltende Recht trägt dem nur ansatzweise Rechnung[140]. Eine Verfassungsbeschwerde gegen die Erhöhung der Umsatzsteuer hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen. Die damit verbundene relativ stärkere Belastung der Familien sei im System der indirekten Steuern notwendig angelegt und müsse iRd (einkommensteuerlichen) Familienlastenausgleichs kompensiert werden[141].

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