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4. Die materielle Verfassungsmäßigkeit steuerlicher Gestaltungswirkungen von Lenkungsnormen

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Fiskalzwecknormen dienen in erster Linie dem Zweck, Erträge zu erzielen. Fiskalzwecknormen sind daher am Gebot der steuerlichen Lastengleichheit auszurichten. Demgegenüber zielen Lenkungsnormen nicht auf die gerechte Verteilung der Belastungswirkungen, sondern vielmehr darauf ab, dass der Eintritt bestimmter Gestaltungswirkungen erreicht wird. Um die beabsichtigten Lenkungseffekte zu erzielen, nimmt der Gesetzgeber idR eine Durchbrechung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in Kauf.

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Ungleiche Belastungswirkungen bei gleicher Leistungsfähigkeit der StPfl bedürfen – wie alle Ungleichbehandlungen – der Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung kann aber nur gelingen, wenn dem Lenkungszweck verfassungsrechtlich ein förderungswürdiger Rang zukommt, der die ungleiche steuerliche Lastenzuteilung aufwiegen kann. Es müssen also die Bedeutung des Lenkungszwecks und die Schwere der Abweichung von der Leistungsfähigkeit gegeneinander abgewogen werden[181].

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Bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung von Steuerrechtsnormen ist wie folgt zu verfahren:

- Auf einer ersten Stufe ist zu prüfen, ob die steuerlichen Belastungswirkungen einer Norm am Maßstab des Gleichheitssatzes, dh nach dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit „gleich“ verteilt werden.
- Entfaltet eine Steuerrechtsnorm neben Belastungswirkungen auch Gestaltungswirkungen, ist auf einer zweiten Stufe sodann zu überprüfen, ob die mit den Gestaltungswirkungen ausgelösten Verhaltenszwänge mit den Freiheitsrechten des Bürgers (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 GG etc) vereinbar sind. Verstoßen weder Belastungswirkungen noch Gestaltungswirkungen gegen die Verfassung, ist die Norm insgesamt verfassungsgemäß.
- Problematisch sind Steuerrechtsnormen, deren Belastungswirkungen gegen den Maßstab der gleichen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen, deren Gestaltungswirkungen jedoch verfassungsgemäß sind, uU sogar der Verwirklichung von Staatszielbestimmungen (zB Art. 20a GG) dienen[182]. Hier ist dann auf einer dritten Stufe danach zu fragen, ob das Gestaltungsziel die Durchbrechung des Gleichheitssatzes rechtfertigt[183].

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Beispiel:

Das Erbschaftsteuergesetz begünstigt in erheblichem Maße den Übergang von Betriebsvermögen, indem es entsprechende Erwerbsvorgänge aus Gründen des Bestandsschutzes mittelständischer Unternehmen und dem Erhalt von Arbeitsplätzen ganz oder teilweise von der Steuer freistellt (dazu Rn 1589 ff). Rechtfertigen diese Lenkungsziele die Ungleichbehandlung, dh sind sie geeignet, die gesetzgeberischen Ziele zu erreichen, sind sie erforderlich und ist der Umfang der Steuerverschonung verhältnismäßig? Der Gesetzgeber braucht für jedes Maß der Steuerverschonung tragfähige Rechtfertigungsgründe, die das BVerfG nach neuerer Rechtsprechung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsprinzips prüft[184].

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Das BVerfG rechtfertigt steuerliche Ungleichbehandlungen nur dann durch Lenkungszwecke, wenn „der Gesetzgeber“ erkennbar die Entscheidung getroffen habe, das Steuerrecht in den Dienst außerfiskalischer Zwecke zu stellen. Ein etwaiger Lenkungszweck müsse zudem tatbestandlich vorgezeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein[185]. Die Begünstigungswirkung muss den Begünstigungsadressaten möglichst gleichmäßig zugute kommen und darf nicht von Zufälligkeiten abhängen[186]. Etwaige Lenkungszwecke, die der Gesetzgeber zwar verfolgen dürfte, tatsächlich aber nicht verfolgt hat, können damit nicht zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen herangezogen werden[187].

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Lösung Fall 8 (Rn 190):

Dem Unternehmer A ist es aufgrund seiner gewerblichen Dienstleistungstätigkeit faktisch nicht möglich, die Steuervergünstigung in Anspruch zu nehmen. Hieraus folgt eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Gewerbetreibenden, die wegen der Eigenart ihrer Betätigung die erhöhte Absetzbarkeit für Wirtschaftsgüter, die dem Umweltschutz dienen, in Anspruch nehmen können. Maßgeblich ist insoweit die Frage, ob die ungleichen Belastungswirkungen hier durch den Lenkungszweck der Norm (Umweltschutz) gerechtfertigt werden können. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Umweltschutz der Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) dient und damit grds durch das Gemeinwohl gerechtfertigt ist.

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