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3. Grundprobleme steuerlicher Lenkung

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Auch wenn steuerliche Lenkungsnormen grds verfassungsrechtlich zulässig sind, so werfen sie doch erhebliche Gerechtigkeitsfragen auf. Zunächst kommen Lenkungssteuern regelmäßig in Konflikt mit der Belastungsgleichheit. Wenn zB der Gesetzgeber dem StPfl, der in den Wohnungsbau investiert, Steuervergünstigungen gewährt, so differenziert er bei der Zuteilung der Steuerlast nicht nach der Leistungsfähigkeit, sondern nach der Bereitschaft des StPfl, seinem Verhaltensvorschlag zu folgen. Die Lenkungssteuer behandelt gleich Leistungsfähige unterschiedlich, je nachdem wie sie ihre verfügbaren Mittel ausgeben.

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Diese Durchbrechung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung bedarf der Rechtfertigung. Sie ist nur dann verfassungskonform, wenn die steuerliche Lenkungsregelung zwecktauglich ist, wenn die Vorschrift also geeignet ist, das gesetzgeberische Ziel zu erreichen[176]. Erforderlich ist weiter, dass dem Lenkungsziel ein bestimmter verfassungsrechtlich bedeutsamer Stellenwert zukommt, wie etwa die Herstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 109 Abs. 2 GG) oder wie im Fall der Förderung von Investitionen in den neuen Bundesländern die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse (Art. 72 Abs. 2 GG)[177].

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Ein weiteres Problem ist die Privilegierung bei lenkungssteuerlichen Sonderbelastungen. Möchte der Staat durch Sonderbelastungen erreichen, dass bestimmte Verhaltensempfehlungen befolgt werden, so schafft er eine Wahlschuld: Der leistungsfähige StPfl hat die Möglichkeit, sich von dem staatlichen Lenkungsbefehl „freizukaufen“[178]. Bestimmte Verhaltensalternativen werden damit zu Privilegien leistungsfähiger StPfl. Wenn die Energiesteuer auf 5 € pro Liter Kraftstoff erhöht würde, würde – unter Zugrundelegung heutiger Verbrauchswerte – Autofahren zum Privileg der begüterten Kreise. Weniger Leistungsfähige müssten der Verhaltensempfehlung folgen und auf das Autofahren verzichten.

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Auch lenkungssteuerliche Begünstigungen in Form von Abzügen von der Bemessungsgrundlage weisen solche gleichheitsrechtlichen Defizite auf. Aufgrund des progressiven Tarifs im Einkommensteuerrecht (Rn 627 ff) wirken sie sich nämlich umso stärker aus, je höher die Bemessungsgrundlage und damit der Steuersatz ist. Das bedeutet, dass derjenige am meisten davon profitiert, der es (unter Gerechtigkeitsaspekten) am wenigsten nötig hat.

Gewährt der Staat demjenigen, der bestimmte steuerbegünstigte Investitionen tätigt, zB eine 50 %ige Sonderabschreibung (Rn 814, 950), so wirkt sich dies bei einer Investitionssumme von 50 000 € bei A, dessen zu versteuerndes Einkommen in Folge der Sonderabschreibung von 1 000 000 € auf (1 000 000 € – 1/2 · 50 000 =) 975 000 € sinkt, mit einer Steuerersparnis iHv 11 250 € aus. Sein persönlicher Steuersatz (Durchschnitt) bleibt bei rd 43 %. Bei B, dessen zu versteuerndes Einkommen von 40 000 € auf 15 000 € sinken würde, wirkt sich die Sonderabschreibung nur iHv 7323 € aus, obwohl (bzw weil) Bs persönlicher Steuersatz von rd 21 % auf 6,7 % abnimmt. Der Förderungseffekt sinkt also mit zurückgehender Leistungsfähigkeit, obwohl es eigentlich umgekehrt richtig wäre.

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Schließlich können lenkungssteuerliche Regelungen den Staat in einen Interessenkonflikt bringen, wie das insb am Beispiel der Ökosteuern[179] deutlich wird. Belastet der Staat ökologisch oder gesundheitspolitisch unerwünschtes Verhalten (Abfallerzeugung, Energieverbrauch, Rauchen, Alkoholkonsum), so ist er einerseits am Ertrag interessiert, der, wie bei der Tabaksteuer, einen erheblichen Teil des Haushalts ausmachen kann (rd 14,5 Mrd €). Andererseits wird aber das Lenkungsziel umso besser erreicht, je weniger Ertrag erzielt wird. Dieser Widerspruch macht das Instrument der Lenkungssteuern als Maßnahme der Verhaltenslenkung leicht unglaubwürdig, wenn sie sich – wie die Tabaksteuer oder Energiesteuer – als unverzichtbarer Teil der Finanzierung des Haushalts darstellen. Für die rechtliche Bewertung von Lenkungssteuern ist dieser „Interessenkonflikt“ jedoch ohne Bedeutung[180].

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