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Ganz im Heute – Politik, Pop und Sport

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Pilgern – kultur- und zeitübergreifend – entwickelt ständig neue Formen. Ein kultureller Paradigmenwechsel führt auch zu anderen Pilgerzielen und zu neuen Motiven. Ein gutes Beispiel dafür ist Stonehenge, die Megalithstruktur aus der Jungsteinzeit in Südengland, die zwischen 3500 und 2000 v. Chr. errichtet wurde. Sie diente möglicherweise als Observatorium – doch dann wohl ähnlich der antiken chinesischen Astronomie und Astrologie vor dem religiösen Hintergrund, durch Festlegung von guten und schlechten Zeiten das Schicksal beeinflussen zu wollen. Stonehenge war aber damals wohl auch ein Kultort, vielleicht zudem eine Begräbnisstätte, zu der viele Pilger der Region wanderten. Dieser Ort ist in unserer Zeit als Pilgerziel und religiöse Stätte »wiederbelebt« worden: Hier treffen sich vor allem zur Sommersonnenwende viele tausend Anhänger neopaganer Strömungen, die von keltischer Religiosität und Druidentum beeinflusst sind. Eine esoterische Suche nach Sinn und religiösen Ausdrucksformen hat hier ein altes Ziel neu entdeckt.

Ganz anders sind ausgesprochen profane Pilgerziele einzuordnen, an denen eine Verehrung von herausragenden Gestalten der Politik, der Popkultur und des Sports stattfindet. Meist stehen im politischen Raum geschichtlich einflussreiche Alleinherrscher oder Revolutionäre im Vordergrund. Das Bild zeigt das Mausoleum von Ho Chi Minh, des vietnamesischen Revolutionärs und Präsidenten Vietnams, der sein Volk durch die Befreiungskriege gegen Frankreich und später gegen Amerika führte. Obwohl Ho Chi Minh persönlich bescheiden war, entstand nach seinem Tod im Jahr 1969 ein Personenkult, bei dem sein einbalsamierter Leichnam zum Pilgerziel unzähliger Menschen wurde (oft »Zwangspilger« in herbeizitierten Gruppen).

Ein ähnlich pompöses Mausoleum befindet sich auf dem größten Platz der Welt, dem Tian’anmen (Platz des Himmlischen Friedens) in Peking, China. Hier wird in einem gewaltigen Mausoleum der im Jahr 1976 verstorbene Mao Zedong verehrt. Sein konservierter Leichnam ist ebenso wie bei Ho Chi Minh das Pilgerziel gewaltiger Menschenmassen, die – oft staatlich verordnet – in einer endlosen Schlange am »Großen Vorsitzenden« vorbeiziehen. Etwas Vergleichbares gab es auch auf dem Roten Platz in Moskau mit dem Lenin–Mausoleum.


Besucher des Ho-Chi-Minh-Mausoleums, Hanoi, Vietnam

Was für Politiker gilt, gilt auch für andere »Größen« heutiger Kultur, etwa für verstorben Popmusiker. Das Grab von Elvis Presley (1935–1977), des » King of Rock ’n’ Roll«, im amerikanischen Memphis etwa ist ebenso Ziel von Pilgern wie das Grab des Rocksängers James Morrison (1943–1971, »The Doors«) auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise oder das von Rockmusikern und Motorradgangs oft besuchte Grab des österreichischen Musiker Falco (1957–1998) auf dem Wiener Zentralfriedhof. Auch gibt es in weiterer Sicht ein Totengedenken, das zu Pilgerreisen Anlass gibt, etwa zu Veteranenfriedhöfen, wo die »Helden der Nation« erinnert und gefeiert werden.

Ganz anders stellt sich eine säkulare Form des Pilgern im sportlichen Bereich dar: Die Fans der verschiedenen Fußballmannschaften etwa besuchen nicht nur die Heimspiele in ihrer Stadt, sondern sie pilgern – oft mit hohen Kosten – zu den Auswärtsspielen, um ihre Verbundenheit mit der Mannschaft und einzelnen Sportidolen auszudrücken. Dies führt zu einer tiefen Gemeinschaftserfahrung, Stichworte: Fanblock, gemeinsames Singen, einstudierte Rituale mit einheitlichen Bewegungen (La Ola – Stadionwelle), einheitlichen Kleidungsstücken, Fahnen und Abzeichen, manchmal auch in den Vereinsfarben geschminkten Gesichtern und vielem anderen mehr. Solches Reisen ist ein ins Profane gewandeltes Pilgern, das aber dennoch in seiner Gestaltung den sakralen Ursprung nicht verleugnen kann.

Wieder ganz anders sind Wege, die an Schreckliches erinnern bzw. die zum Handeln in der Welt auffordern. Als der Olof-Palme-Friedensmarsch 1987 einen Pilgerweg zu den Konzentrationslagern durchführte, war dies als Mahnung an die Lebenden gedacht. Wenn pazifistische und antimilitaristische Ostermärsche jedes Jahr zum Frieden aufrufen oder Anti-Atom-Tod-Märsche vor Atomkatastrophen warnen, dann wird die Form des Pilgern zum gesellschaftlichen Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Schutz der Umwelt – auch hier lassen sich im Hintergrund noch religiöse Motive erahnen.

Man ist dann mal weg

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