Читать книгу Schuldrecht I - Allgemeiner Teil - Jacob Joussen - Страница 25

2.Allgemeine Geschäftsbedingungen

Оглавление

71Bevor man sich der für die Fallprüfung wesentlichen Thematik der Kontrolle der AGB widmen kann, ist es zunächst notwendig, sich vor Augen zu führen, was AGB sind und warum es sie überhaupt gibt.

Der Begriff der AGB ist in § 305 Abs. 1 BGB legaldefiniert: Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Dabei ist es nach § 305 Abs. 1 Satz 2 gleichgültig, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Wählt der Verwender aber ein Vertragsmuster mit unterschiedlichen Ankreuzoptionen, muss er durch das Ankreuzen klar zum Ausdruck bringen, welche Regelungen von ihm gewollt sind, ansonsten liegt gar keine AGB vor, die überprüft werden müsste.104

72Die Definition lässt schon erkennen, worum es bei dem Recht der AGB geht. Dem BGB liegt die Idee zugrunde, dass der Einzelne seine Angelegenheiten selbstbestimmt und eigenverantwortlich regelt, insbesondere dadurch, dass er frei mit anderen Verträge aushandelt. Geschieht dies, spricht viel für einen ausgewogenen Interessenausgleich, häufig ist von der „vertraglichen Richtigkeitsgewähr“ die Rede.105 Kauft jemand etwa ein Pfund Orangen und verhandelt mit dem Verkäufer über den Preis, kommt am Ende ein Preis zustande, mit dem beide Parteien gut leben können, andernfalls wird der Vertrag nicht geschlossen. Verwendet jedoch eine Partei AGB, ist die Ausgangslage eine andere. Denn die AGB werden nicht frei ausgehandelt. Das macht der letzte Teil der Legaldefinition des § 305 Abs. 1 deutlich: Satz 3 der Vorschrift bestimmt, dass dann, wenn die Vertragsbedingungen ausgehandelt sind, keine AGB vorliegen.

73Kernelement der AGB ist also der Umstand, dass diese nicht ausgehandelt sind. Daraus folgt, dass bei ihnen auch die „vertragliche Richtigkeitsgewähr“ für eine faire Lösung nicht eingreifen kann. Der Vertragspartner, der von seinem Gegenüber mit AGB konfrontiert wird, befindet sich vielmehr in einer „Alles-oder-Nichts“-Situation. Entweder er akzeptiert das oftmals umfangreiche AGB-Regelwerk, oder er muss auf den Vertragsschluss verzichten. Die Verhandlungsparität zwischen den Vertragspartnern ist gestört. In diesem Fall greift das BGB zugunsten der schwächeren Partei ein, also desjenigen Vertragspartners, dem die AGB letztlich vorgegeben werden.

74Das BGB verbietet AGB dabei nicht grundsätzlich, denn sie erfüllen im heutigen Wirtschaftsleben, das erheblich von dem um 1900 abweicht, wichtige Funktionen. So werden insbesondere bei Massengeschäften beide Seiten entlastet, wenn sie sich nicht langwierig über viele Vertragsdetails austauschen müssen, sondern eine Partei diese schon vorbereitet hat. Das gilt vor allem für solche Vertragstypen, für die das Zivilrecht selbst gar keine Kodifikationen enthält, wie z. B. für neuere Vertragsformen wie den Leasingvertrag.106 Daher haben AGB an sich ihre Existenzberechtigung, der Gesetzgeber musste jedoch der durch sie gestörten Vertragsparität ebenso Rechnung tragen. Das tut er, indem er vom Rechtsanwender, also auch von den Studierenden in der Falllösung, eine Kontrolle der AGB verlangt.

Schuldrecht I - Allgemeiner Teil

Подняться наверх