Читать книгу Korea Inc. - Karl Pilny - Страница 26

Auf den Straßen von Berlin

Оглавление

„Ihre Anrufe können Sie später erledigen“, sagte der Fahrer, zufrieden, dass Jeremy auf sein drohendes Kopfschütteln prompt reagiert hatte. „Jedenfalls dann, wenn Sie sich uns gegenüber kooperativ zeigen.“

„Jetzt verraten Sie uns erst mal, was Sie da draußen auf Schwanenwerder zu suchen hatten.“ Die zweite Stimme kam aus dem Rücksitz. Sie hatte einen stärkeren deutschen Akzent, der guttural klang. Jeremy wandte den Kopf, konnte im dunklen Auto aber nur die massige Silhouette eines Mannes erkennen, dessen Kopf im Dunkeln lag.

„Erst sagen Sie mir, wer Sie sind! Sind Sie etwa Polizisten oder so? Dann zeigen Sie mir bitte Ihren Ausweis.“

Der Mann auf dem Rücksitz lachte dröhnend. „Oder so – ja, da mögen Sie recht haben. Wie Sie bestimmt wissen, gilt Berlin als die europäische Hauptstadt der Agenten. Alle spionieren sie hier herum: unsere Feinde, unsre Freunde, Briten wie Amis, Chinesen wie Russen und so weiter. Was glauben Sie, wie viele ausländische Diplomaten hier herumlaufen, die in Wahrheit nichts als getarnte Agenten sind?“

„Okay, Sie sind also vom Geheimdienst“, versuchte Jeremy die Sache auf den Punkt zu bringen. „Und Sie halten mich für einen ausländischen Spion. Warum? Ist jeder, der die Insel Schwanenwerder besucht, ein ausländischer Spion? Gehen die alle dorthin? Dafür war dort heute aber verdammt wenig los – in Ihrer Agentenhauptstadt.“

„Nein, nicht alle. Aber eben der eine oder andere. Und die beschäftigen uns. Es hat heute, wie Sie vielleicht wissen, in Berlin einen terroristischen Anschlag gegeben.“ Nein, das wusste Jeremy noch nicht. Seine ehrliche Überraschung musste überzeugend gewirkt haben, denn nun mischte sich der Fahrer erklärend ins Gespräch: „Jemand hat von einem Schiff auf der Spree aus eine Handgranate auf die chinesische Botschaft geworfen. Vier Tote und viele Verletzte.“

Jeremy war für einen Moment sprachlos. Anders als London war Berlin bislang nicht als bevorzugtes Ziel politisch motivierter Anschläge aufgefallen. Dann fragte er: „Gibt es schon einen Verdacht?“

„Klar. Glauben Sie, wir haben Sie zum Vergnügen aufgegabelt?“

Wie bitte? Konnten die allen Ernstes meinen, Jeremy habe eine Verbindung zum Anschlag? „Hören Sie, werter Herr Geheimdienstler. Soviel ich weiß, befindet sich die chinesische Botschaft im Zentrum. Was hat das mit Schwanenwerder da draußen zu tun?“

„Das wissen wir noch nicht“, meldete sich der Mann auf der Rückbank wieder zu Wort. „Aber vielleicht können Sie uns das sagen?“

Vielleicht wollten sie ja nur seinen Expertenrat. Immerhin war er ein renommierter Fachmann in Sachen Fernost, und wenn die seinen Namen kannten, wussten sie das wohl auch. Jeremy kam ein Einfall. „Vielleicht gibt es eine Verbindung zu diesem Aspen-Institut?“

„Aha!“, kam die Stimme des Mannes. „Inwiefern denn?“

Jeremy hatte plötzlich das Gefühl, man versuche ihn in die Falle zu locken. „Hören Sie mal. Ich bin Fernostexperte, wie Sie vielleicht wissen. Momentan recherchiere ich für einen Thriller über den Koreakonflikt. Und als vor einigen Jahren ein Anschlag auf das SWFC in Shanghai verübt wurde, hatte ich direkt damit zu tun: bei der Aufklärung, nicht bei der Ausführung. Meine jetzige Frau ist damals entführt worden und ich hab sie befreit. Macht mich das etwa verdächtig?“

„Wir wollen nur wissen, was Sie wissen. Und wenn Sie schon so ein Experte sind, wie Sie sagen, dann erzählen Sie bitte weiter! Was wissen Sie über dieses Haus auf Schwanenwerder?“

„Nun, bekanntlich bemüht sich das Aspen-Institut um Vermittlung in den kniffligen Konflikten der Welt. Und da gibt’s in Ostasien jede Menge. Vielleicht liefen in dem Haus irgendwelche Gespräche.“

„Geht das nicht noch etwas genauer?“

„Nein, geht es nicht“, antwortete Jeremy wahrheitsgemäß.

„He, wenn Sie wirklich ein solcher Experte sind, sollten Sie nicht den Ahnungslosen mimen“, mischte sich der Fahrer ungehalten wieder ins Gespräch. „Sie wissen so gut wie wir, dass sich das Aspen-Institut schon seit Jahren nicht mehr auf Schwanenwerder befindet.“

„Was?“ Jeremy fiel aus allen Wolken. „Aber ich bin doch vorbeigegangen. Da war diese Tafel für den Aspen-Gründer und dann dieser Wachmann oder wer immer das war, der mich fortgeschickt hat.“

„Die Gedenktafel ist ja auch geblieben. Aber das Institut ist 2010 nach Mitte umgezogen, und das Haus wurde lukrativ an privat verkauft. Jetzt hören Sie doch auf, uns naive Märchen aufzutischen!“

Mittlerweile hatten sie die Autobahn verlassen und quälten sich durch den dichten Abendverkehr der Innenstadt.

„Sie halten sich wohl für sehr clever, was?“, kam die Stimme vom Rücksitz. „Aber wir können auch anders. Wenn Sie vermeiden wollen, dass die Sache für Sie ausgesprochen unangenehm wird, dann beantworten Sie unsere Frage.“

„Welche denn?“ Sie hatten Jeremy mittlerweile so viele Fragen gestellt, dass ihm regelrecht der Kopf schwirrte.

„Na, die erste. Immer der Reihe nach. Was Sie heute Nachmittag da draußen auf Schwanenwerder zu suchen hatten.“ – „Ich habe das Haus meiner Großmutter besucht.“ – „Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen.“ – „Nein, kann ich nicht. Ihr Deutschen habt sie in den Dreißigern aus dem Land gejagt und sie ist inzwischen verstorben.“ – „Nun ja, nicht so pauschal, bitte. Nicht wir persönlich. Wie hieß denn Ihre Großmutter? Damals?“ – „Sara Josephine Goldmann.“

„Mh“, grunzte der Korpulente. „Und da kommen Sie zufällig gerade heute an der Inselstraße 10 vorbeigeschnüffelt, um nachzusehen, ob der Name Ihrer Großmutter auf dem Klingelschild steht.“

„Ich wüsste nicht, dass dergleichen in Deutschland verboten ist. Klar, ihr mögt es nicht, wenn man in einer Geschichte herumstochert, über die ihr gern den Mantel des Vergessens breiten würdet. Das kenne ich von den Japanern. Deshalb ist ja auch keine Goebbels-Gedenktafel an dem Haus. Aber dass man hier gleich vom Geheimdienst verhaftet wird, wenn man auf den Spuren von Schandtaten des NS-Regimes an der eigenen Familie wandelt, ist mir neu.“

Dem dicken Deutschen platzte der Kragen. „Jetzt machen Sie aber mal ’nen Punkt, ja! Ist Ihnen eigentlich klar, wie verdächtig Sie sind? Dass wir allen Grund haben, in Ihnen einen terroristischen Staatsfeind der Bundesrepublik Deutschland zu vermuten? Und wenn Sie es nicht sind – dann seien Sie froh, dass Sie noch am Leben sind.“

Ringsum nun wieder Bäume und Sträucher. Der Tiergarten. Sie waren fast am Hotel. Ob die ihn auch wirklich dort absetzen würden? Jeremy wagte es kaum zu hoffen. Noch immer hatte er nicht die leiseste Ahnung, was man von ihm wollte. Er war entweder ein terroristischer Staatsfeind oder konnte froh sein, am Leben zu sein? Hallo?

„Jetzt hören Sie mal zu.“ Der dicke Schattenmann holte tief Luft. „Entweder Sie erklären sich bereit, mit uns zu kooperieren, dann können Sie jetzt ins Hotel gehen und sich morgen zu einer vertieften Befragung bei uns in der BND-Zentrale in der Chausseestraße melden.“

„Und wenn nicht?“

Der Mercedes hielt an einem Taxistand an der Eichhornstraße vor dem Park Hyatt. „Verdacht auf Beteiligung an terroristischen Straftaten, Verdunklungs –, Fluchtgefahr. Da gibt’s genug Gründe, Sie unsren Kollegen von der Polizei zu übergeben. Wie auch immer die Sache ausgehen wird: Die Nacht werden Sie dann jedenfalls nicht so bequem verbringen wie da oben im Hyatt.“

Jeremy, obwohl er innerlich vor Wut kochte, sah keinen Grund, dieses Angebot zurückzuweisen. „Ich habe nichts zu verbergen. Ja, ich komme morgen in die Chausseestraße. Dann kann ich jetzt gehen?“ „Wenn Sie uns zuvor noch einen Blick auf Ihr Handy und in Ihre Brieftasche werfen lassen ...“ Zögernd händigte Jeremy dem Fahrer das Gewünschte aus. Er durchstöberte Jeremys Brieftasche, zog den Pass heraus, reichte ihm die Brieftasche zurück. „Sie können gehen.“

„Mein Pass und mein Smartphone?“

„Können Sie sich morgen beides Punkt 13 Uhr in der neuen BND-Zentrale abholen. Sagen Sie dem Pförtner, dass Sie einen Termin im Büro von Dr. Fels haben. Keine Angst, Sie bekommen alles wieder. Ach, noch was: Lassen Sie sich heute auf keinen Fall nochmal im Umkreis von Schwanenwerder blicken! Sonst könnten Sie sich ernste Probleme einhandeln.“ Der Fahrer stieg aus, ging um den Wagen herum, öffnete Jeremy die Tür. „Dann bis morgen, Mister Gouldens.“

„Bis ... Nein, halt, eins noch: Was ist denn jetzt mit dieser Frau? Ich war auf Schwanenwerder mit einer Frau verabredet.“

„Die Frau? Aha, persönliche Interessen! Versteh schon.“ Jeremy konnte förmlich ein Zwinkern in seiner Stimme hören. „Wir kümmern uns um die kleine Japse. Keine Sorge. Bis morgen dann. Gute Nacht!“

Und schon war der dunkle Mercedes davongebraust.

Korea Inc.

Подняться наверх