Читать книгу Korea Inc. - Karl Pilny - Страница 33
Berlin, Kreuzberg
ОглавлениеWalter Korff, der sich soeben eine Ladung eingelegten Chinakohl in den Mund geschoben hatte, schmatzte anerkennend. „Das Kimchi hier ist wirklich Extraklasse – fast so gut wie im berühmten Ongnyu-Restaurant in Pjöngjang. Nur ist dort die Inneneinrichtung schöner.“ Er warf einen zweifelnden Blick über den Raum. Mit seinen rustikalen Holzbänken, der grauen Betondecke, über die sich metallverkleidete Leitungen zogen, den Neonlampen und der roten Blechwand an der Rückfront verströmte das Restaurant „Kimchi Princess“ den Charme einer Universitätsmensa aus den siebziger Jahren. „Tja, es gibt eben durchaus Dinge, die in Pjöngjang besser sind als in Berlin“, stellte er sodann fest, nahm die vor ihm stehende 0,375-Liter-Flasche Soju, schenkte die kleinen Schnapsgläser voll und prostete seinem Gegenüber zu: „Auf die guten alten Tage! Auf die deutsch-koreanische Freundschaft.“ Er nahm sein Glas und leerte es in einem Zug. Das fast geschmacklose koreanische Nationalgetränk, das ein wenig wie mit Wasser und Zucker versetzter Wodka schmeckte, übte eine wohltuende Wirkung auf seinen etwas angeschlagenen Magen aus.
Der Koreaner mit den wachsam funkelnden Augen verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln, trank ebenfalls und beugte sich wieder über seinen Teller – Bul Nak, scharfer Tintenfisch mit Rindfleischstreifen, direkt am Tisch gegart. Korff fiel erneut die Geschwindigkeit auf, mit der Kyok sein Essen wölfisch in sich hineinstopfte, als könnte ihm jeden Moment jemand den Teller wegreißen. Dann schob er entschieden seinen eigenen Teller weg, der nur zur Hälfte geleert war. Es war an der Zeit, zum Thema zu kommen. Schließlich hatte er gleich noch einen Termin in der Chausseestraße.
„Schlimm, das mit dem Anschlag dieser islamischen Separatisten auf die chinesische Botschaft gestern, nicht?“ Korff fuhr sich durch sein kurzes, graublondes Haar.
Kyok hielt in seinem Schlingen inne. „Es hätte schlimmer kommen können.“ Um seine Lippen lag ein schwer einzuordnendes Grinsen.
„Kam’s aber nicht“, unterstrich Korff. „Was hatten Sie denn so Eiliges am Telefon mit dem Botschafter zu besprechen?“ Kyok schlürfte geräuschvoll ein großes Stück Tintenfisch in sich hinein. „Der Botschafter ist ein junger Mann“, sagte er sodann. „Noch unerfahren. Er muss seine Lektion lernen, wenn er ein guter Botschafter sein will.“ Korff nickte. Auch so eine Eigenart, die Kyok, den er nun schon so lange kannte, mit vielen seiner Landsleute beiderseits des 38. Breitengrades gemeinsam hatte: Auf allzu viele Fragen folgte eine Antwort, die bestenfalls indirekt zu nennen war. „Welche Folgen wird der Anschlag für die auf heute Abend angesetzten Gespräche haben?“, fragte Korff weiter. „Nach meinen Informationen werden sie stattfinden – der nordkoreanischen Delegation ist nichts geschehen und die Chinesen sind heute nicht beteiligt. Oder wissen Sie Gegenteiliges?“
„Der stellvertretende Delegationsleiter Lee Hyun Hae wird wieder die Verhandlungsführung übernehmen“, berichtete Kyok. „Unserem Obersten Führer ist sehr an einem Zustandekommen der Gespräche gelegen. Ich selbst werde dem Anlass erneut fernbleiben – zu heiß.“
Korff quittierte den versteckten Hinweis mit einem Nicken. „Wir werden uns darum kümmern. Und was ist mit dem eigentlichen Delegationsleiter Pak Song Rim? Ist er wieder unpässlich?“
Kyok wiegte den Kopf hin und her, versteckte ihn dann tief in seiner Schüssel und hantierte eifrig mit den Stäbchen, bis alles blitzblank war. Er leckte sich die Lippen und begann: „Der verehrte Genosse Pak Song Rim ist ein alter, kranker Mann. Er ist noch gestern Abend zur Erholung in die Schweiz gefahren. Mit dem Nachtzug. Er wird kaum je wieder nach Deutschland zurückkehren.“
Korff nickte erneut. „Der alte Fuchs. Tut, als wäre er scheintot, und dann schlägt er doch allen ein Schnippchen. Dann weiß er also, dass wir ihm auf den Fersen sind, diplomatische Immunität hin oder her. Irgendetwas ist gestern schiefgelaufen, draußen am Wannsee. Die Sache könnte brenzlig werden. Und was es wohl mit diesen chinesischen Islamisten auf sich hat?“ Doch Kyok setzte wieder sein undurchsichtiges Lächeln auf. Korff wusste, dass heute nichts mehr aus ihm herauszuholen war. Er sah auf seine Uhr, seufzte, griff nach seiner Jacke. „Ich habe leider einen dringenden Termin.“ Der Koreaner deutete eine kleine Verbeugung an. Korff wandte sich zum Gehen, drehte sich dann noch einmal um. „Danke für den kleinen ... Tipp gestern.“
„Keine Ursache. Gleichfalls danke für die, wie soll ich sagen ... diskrete Reaktion eines verständnisvollen alten Bekannten.“
„Wir werden uns natürlich auf die übliche Weise erkenntlich zeigen. Vielleicht fällt Ihnen bis zu unserem nächsten Treffen noch die eine oder andere Zusatzinformation ein. Dann gibt’s einen Zuschlag.“
Kyok lächelte und nickte leicht. Dann sagte er: „Tut mir leid, dass Sie Ihren ... geschätzten Kollegen verloren haben.“
„Wo gehobelt wird, fallen Späne“, antwortete Korff mit ungerührtem Achselzucken, trat auf die Manteuffelstraße und ging zur Skalitzer Straße hinunter. In zehn Minuten musste er in der Chausseestraße sein. Sollte er ein Taxi rufen? Aber die U-Bahn war jetzt wohl schneller. Ächzend stieg er die Stufen zum Görlitzer Bahnhof hinauf.