Читать книгу Korea Inc. - Karl Pilny - Страница 38
Berlin, Chausseestraße
ОглавлениеDer kleine Gesprächsraum im nagelneuen, noch immer unfertigen Hauptquartier des BND war zwar angenehm temperiert, dennoch überkam Jeremy das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Was nicht nur am Geruch von frischer Farbe und Lack lag, der über dem Raum hing, sondern auch daran, dass seine Nervosität und Verärgerung mit jeder Minute stieg, die man ihn hier sitzen ließ.
Den Vormittag hatte Jeremy mit ergebnislosen Anrufen und ergebnislosem Grübeln zugebracht. Jetzt waren es auf einmal uigurische Islamisten aus dem Westen Chinas, die den Anschlag verübt hatten. Aber Mie blieb verschwunden. War sie wirklich in der Gewalt des Geheimdienstes? Nun, er hoffte es jetzt zu erfahren. Nach einem Spaziergang in der Pracht eines sonnigen Wintertags, der schon ein wenig nach Schneeglöckchen und Vorfrühling roch, war Jeremy pünktlich in der Chausseestraße angelangt. Der Anblick, der sich ihm dort bot, hatte ihn regelrecht erschlagen. Die mehrere Hundert Meter lange BND-Zentrale war ein grünlich graues Ungeheuer von Gebäudekomplex, wie ein steinerner Krake, der seine Arme in alle Richtungen ausstreckt, um Menschen und anderes Kleingetier zu verschlingen; dabei von einer auf bedrohliche Weise „futuristischen“ Architektur, die den Eindruck erweckte, als sei die BRD damals der DDR beigetreten und nicht umgekehrt. Kein Zweifel, Deutschland wollte mit diesem Komplex, in dem bald Tausende arbeiten sollten, demonstrativ unter Beweis stellen, dass es in Zukunft nicht mehr hinter den Kollegen von CIA, FBI und NSA bis MI6 und Mossad zurückstehen wollte.
Jeremy hatte an der Pforte nach Dr. Fels gefragt und war zwischen Baugruben, Bauwägen, gelblichen Pfützen und schmutzigen Schneeresten hindurch zu einem der schon einigermaßen fertigen Gebäudetrakte gewiesen worden. Dort hatte man ihn über Fluchten von Korridoren, über Treppen und Fahrstühle zu dem Konferenzraum geleitet, wo er jetzt wartete. Und wartete. Er wollte gerade aufstehen und sich bei der Dame im Vorraum beschweren, als sich die Tür öffnete und zwei Männer hereintraten. Der eine, etwas Gedrungenere, war Ende fünfzig, hatte einen Bürstenhaarschnitt und blondes, leicht ergrautes Haar. Er wirkte muskulös, doch war unter seiner schwarzen Lederjacke sein deutlicher Bauchansatz nicht zu übersehen. Der andere war jünger und wirkte verhältnismäßig farblos – eine typisch deutsche Beamtenpersönlichkeit, die vermutlich auch die Geheimdiensttätigkeit zu einer langweiligen, nüchternen Routinearbeit machen konnte.
„Entschuldigen Sie die kleine Verspätung, Mister Gouldens“, begann der Farblose. „Mein Name ist Fels und das ist Herr Korff vom diplomatischen Auslandsdienst. Wir hätten da ein paar Fragen.“
Der andere hatte sich inzwischen seiner Lederjacke entledigt und sie ungeniert über die Stuhllehne geworfen. Darunter war eine geschmacklos karierte Krawatte und ein offenbar maßgeschneiderter Anzug zutage getreten, der dem korpulenten Mann dennoch saß, als sei er von der Stange. Aus der Tasche zog er ein Zigarettenpäckchen mit dem Aufdruck „f6“. „Es stört Sie doch nicht, wenn ich rauche?“, warf er süffisant grinsend in den Raum. Es klang mehr nach Drohung als nach Frage. Seine Stimme hatte jenen gutturalen, typisch ostdeutschen Tonfall – als würde er sich bei jedem Wort verschlucken –, den Jeremy gestern auch an dem obskuren dunklen Mann auf dem Rücksitz des grauen Mercedes wahrgenommen hatte. Für einen Moment überlegte er, ob es die gleiche Person gewesen sein konnte; aber der Mann gestern hatte noch beleibter gewirkt. Jeremy entschied sofort, dass ihm dieser Korff zutiefst unsympathisch war. Er hoffte, ihm nie wieder über den Weg laufen zu müssen. Aber erst einmal diese Begegnung hinter sich bringen.
„Jetzt erzählen Sie uns bitte noch einmal in allen Einzelheiten, was Sie nach Berlin geführt hat, und besonders, was Sie gestern den ganzen Tag so getrieben haben“, begann der Farblose, Fels. Er war offenbar das eigentlich zuständige hohe Tier beim BND, was den undurchschaubaren Korff allerdings wenig zu beeindrucken schien.
„Lassen Sie sich ruhig Zeit, dann dauert es nicht so lang“, ergänzte Korff mit einem kryptischen Lächeln, nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und beugte sich weit vor, so dass Jeremy direkt in die roten Äderchen seiner unangenehmen wasserblauen Augen blickte.
Als Jeremy das BND-Gebäude zweieinhalb Stunden später verließ, verspürte er das dringende Bedürfnis, in einen klaren Bergsee zu springen und durchs Wasser zu tauchen, bis er allen Schmutz von sich abgewaschen hatte und sein Kopf wieder klar war. Noch immer hatte er weiche Knie und so setzte er sich für einige Minuten auf eine winterlich kalte Bank, um durchzuschnaufen und nachzudenken.
Zuerst war das Gespräch ganz erträglich verlaufen. Jeremy hatte erzählt, die beiden Männer hatten zugehört und nur hin und wieder kurze Nachfragen gestellt. Mit der Zeit waren sie jedoch zudringlicher geworden und hatten versucht, ihn einzuschüchtern, besonders dieser Widerling, Korff. Sie suchten nach Widersprüchen in Jeremys Aussagen, nach Schlingen, in denen er sich verfangen könnte, und als sie nichts fanden, bemühten sie alle möglichen Geheimdienstschlichen, drohten ihm mit unangenehmen Konsequenzen, wollten ihm Angst machen. Offenbar waren sie überzeugt, dass er ihnen etwas verheimlichte, und es wurmte sie, dass sie es nicht aus ihm herauslocken konnten. Sein Klingeln bei der nordkoreanischen Botschaft, seine Anwesenheit auf Schwanenwerder, sein Treffen mit einer Asiatin – alles schien ihn verdächtig zu machen.
Dann hatte sich der farblose Fels dringender Termine halber verabschiedet, und sobald sie beide allein waren, änderte Korff seine Strategie und wurde geradezu anbiedernd, was Jeremy fast noch unangenehmer war. Dennoch beschloss er, auf sein Entgegenkommen einzugehen und es dazu zu benutzen, um nun umgekehrt Informationen aus dem sächselnden Widerling herauszukitzeln. Womit er sich, wie ihm nun klar wurde, vermutlich genau auf das Spiel eingelassen hatte, das Korff mit ihm zu spielen und zu gewinnen beabsichtigt hatte.
Aber jedes Spiel hat seine Grenzen.
Vor allem hatte Jeremy mehr über den Verbleib Mies herausfinden wollen. Aber hier biss er auf Granit. Entweder Korff wusste wirklich nicht, wohin sie verschwunden war, oder er wollte es ihm nicht sagen. Jeremy erschien es zunehmend unwahrscheinlich, dass sie sich in der Tat im Gewahrsam des Geheimdiensts befand. Aber natürlich konnte es auch nur bewusste Taktik sein, diesen Eindruck zu erwecken.
Und dann hatte dieser Widerling versucht, den Spieß umzudrehen. „Mie Chang, sagten Sie? Eine koreanische Schauspielerin? Gut, wir werden das überprüfen. Bis dahin kann ich Sie nur warnen und Sie bitten, die Augen offenzuhalten. Womöglich ist diese Frau gar nicht so unschuldig, wie sie sich Ihnen gegenüber darstellt.“ Er hatte Jeremy eine Visitenkarte in die Hand gedrückt und hinzugefügt: „Im Klartext heißt das, ich möchte von Ihnen auf dem Laufenden gehalten werden. Lassen Sie mich wissen, sobald Sie wieder Kontakt mit ihr haben, und berichten Sie alles, was Sie durch sie und über sie in Erfahrung bringen können. Was haben Sie nun als Nächstes vor?“
Jeremy hatte nur mit Mühe die Fassung bewahren können. Er sollte seine Schauspielerin, zu der er doch ein Vertrauensverhältnis aufbauen wollte, im Auftrag eines fremden Landes ausspionieren? Was nahm sich dieser zwielichtige Kerl vom „diplomatischen Außendienst“, was auch immer sich hinter dieser harmlosen Bezeichnung verbarg, da heraus? Wollte der Geheimdienst in die persönlichen Beziehungen zweier Menschen eindringen, um sie zu unterminieren? Dennoch nahm Jeremy die Visitenkarte entgegen und beschloss, sich zur Vermeidung weiterer Schwierigkeiten lieber kooperativ zu zeigen. Natürlich hatte er nicht vor, Korff je anzurufen. Ohne auf Mie einzugehen, hatte er also möglichst gleichmütig geantwortet, dass er noch heute zu seiner Frau nach London zurückfliegen wolle. „Morgen reise ich dann nach Zürich, wo ich in Stiftungsangelegenheiten zu tun habe und Gespräche mit unserer Treuhandgesellschaft und dem Revisor Dr. Welti anstehen, in denen es unter anderem um den Ethikbericht der Stiftung geht, der übernächste Woche dem Stiftungsgeber vorgelegt werden soll.“
„Als Vermögensverwalter und Treuhänder der Stiftungsgelder fungiert die Zürcher Century Bank von Beat Bodmer, nicht wahr?“, bohrte Korff nach. Jeremy war abermals überrascht gewesen, wie viel diese Leute über ihn und seine Tätigkeit wussten.
„Ja. Mittlerweile führt aber Tochter Chloe Bodmer die Geschäfte für ihren erkrankten Vater. Er hat vor ein paar Tagen einen schweren Herzinfarkt gehabt und es ist fast ein Wunder, dass er überlebt hat. Von einem Tag auf den anderen ist sie jetzt für die angelegten Milliarden einer Bank zuständig. Eine schlimme Zeit für Chloe.“
„Sie wissen, dass Century Verbindungen nach Nordkorea hat?“
„Die Bank ist auf Geschäfte mit Ostasien spezialisiert – deshalb ‚Century‘: weil das 21. Jahrhundert das asiatische Jahrhundert ist. Sie hat dort Partner in vielen Ländern, allerdings nicht in Nordkorea, wo das aufgrund des Embargos gar nicht möglich ist.“
„Bei Ihren Recherchen dürften Sie wohl auch auf die Tatsache gestoßen sein, dass die nordkoreanische Nomenklatura Devisen kofferweise außer Landes schleppt und sie dann, teils über Mittelsmänner und ostasiatische Banken, besonders in Macao, teils auch direkt, mit gefälschten Pässen und ähnlichen Tricks, auf sicheren Banken in Europa anlegt. Das heißt im Regelfall: in der Schweiz. Unter anderem, wie wir vermuten, eben auch bei Century.“
„Das müssen Sie erst einmal beweisen. Wenn Sie dabei auf meine Hilfe zählen, muss ich Sie enttäuschen: Ich kann Ihnen versichern, dass ich keinerlei Einblick in das Kundengeschäft von Century habe. Die Bank verwaltet für uns nur die Anlage der Stiftungsgelder und da hat sie stets korrekt gearbeitet.“
„Century war bis vor einigen Jahren Europas größter Finanzpartner der Banco Delta Asia in Macao. Sagt Ihnen der Name etwas?“
„War das nicht die mit dem Falschgeldskandal?“
„Richtig. Die sogenannten Superdollars: Hundert-Dollar-Scheine, so perfekt gefälscht, dass sie sich kaum vom Original unterscheiden lassen. Die US-Geheimdienste haben herausgefunden, dass sie im Auftrag des Office 39 produziert wurden. Also der nordkoreanischen Geheimorganisation zur Devisenbeschaffung etwa mit Drogen- und Waffenhandel und Versicherungsbetrug, deren Profite jedoch allein dazu dienen, den luxuriösen Lebensstil des Herrscherclans zu finanzieren. Dem Office 39 unterstehen etwa 120 Außenhandelsunternehmen des Landes. Auch wenn sich das Office inzwischen um einen etwas legaleren Anstrich bemüht, macht Nordkorea mit seinen kriminellen Geschäften noch immer Milliardengewinne. Seit nun Portugal vor vielen Jahren, als Macao noch seine Kolonie war, Nordkorea dort verschiedene Handelsprivilegien zugestanden hat, ist Macao der wichtigste nordkoreanische Finanzplatz zum Handel mit der Welt. Dort hat der Kim-Clan allein bei der Delta Asia Bank 25 Millionen Dollar gebunkert – auf 40 Konten verteilt. Unseres Wissens hat Century seine Geschäftsbeziehungen zu Delta Asia inzwischen abgebrochen, hält aber weiterhin Bankkontakte nach Macao. Und praktisch jede Bank dort ist letztlich in Geschäfte mit Nordkorea verwickelt. Bei der Vielzahl kleiner Institute mit häufig wechselnden Namen und Besitzern fällt es allerdings schwer, den Überblick zu behalten. Wir wissen auch, dass Beat Bodmer wiederholt nach Macao geflogen ist. Wir möchten herausfinden, was er dort gemacht hat.“
„Warum fragen Sie ihn nicht einfach? Er ist ein redlicher Mann, und ich bin mir sicher, er wird Ihnen Rede und Antwort stehen.“
„Sie wissen so gut wie ich, dass er sich im Moment in einer Rehaklinik befindet und in keiner Weise vernehmungsfähig ist. Da lassen die Schweizer Ärzte nicht einmal den eigenen Geheimdienst ran. Mit seiner Tochter Chloe wäre es vielleicht einfacher ...“
„Wenn Sie glauben, mich als Ihren Handlanger und Schnüffler in die Sache hineinziehen zu können, haben Sie sich geschnitten.“
„Sie täten schon im eigenen Interesse gut daran, sich genauer über die Geschäfte der Bank Ihrer Stiftung zu informieren.“
„Chloe kenne ich gut genug, um mich für sie zu verbürgen. Ihre Bankgeschäfte werden stets mit der typischen Schweizer Korrektheit getätigt. Ich bin mir sicher, das gilt auch für ihren Vater.“
„Schweizer Korrektheit heißt nicht immer ethische Korrektheit. Mein guter Mister Gouldens: Ich darf Ihnen nicht viel verraten, aber eine Hand wäscht die andere, und wenn ich offen zu Ihnen bin, sind Sie es vielleicht auch zu mir. Also nur so viel: Der BND ist einem schmutzigen Deal auf der Spur, der unter anderem vermutlich über jenes ehemalige Aspen-Haus auf Schwanenwerder abgewickelt wird, an dem Sie gestern gesehen wurden. Und diese Spuren führen einerseits zurück bis in innerste Kreise der Nomenklatura in Pjöngjang und andererseits, über Zwischenstationen wie Macao und die Kanalinseln, weiter zu Banken in der Schweiz und Liechtenstein, die im Verdacht stehen, wissentlich oder unwissentlich mit der finanziellen Abwicklung dieses Deals in Verbindung zu stehen. Eine dieser Banken ist eben Century. Noch haben wir nichts in der Hand. Aber wir raten Ihnen, vorsichtig zu sein und Ihre geschäftlichen Verbindungen genaustens zu prüfen. Sie wollen sich doch nicht leisten, dass Ihre saubere Stiftung mit einer Bank in Verbindung gebracht wird, über die mögli cherweise die anrüchigsten Geschäfte laufen?“
„Natürlich nicht. Aber ich bitte Sie, solange Sie keinerlei ...“
„Sie wissen bestimmt, wie eng die Kim-Dynastie mit der Schweiz verbandelt ist. Nicht nur, was das Finanzielle angeht: In diesem Punkt ist die Schweiz natürlich mit der ganzen Welt verbandelt. In Genf zum Beispiel werden am Zentrum für Sicherheitspolitik auf Schweizer Kosten regelmäßig nordkoreanische Offiziere geschult – auch an der Waffe: Da dürfen die schon mal mit Schweizer Sturmgewehren herumballern. Kim Jong Il hat seine Kinder in verschiedene Schweizer Internate gesteckt. Und vielleicht haben Sie auch gehört, dass erst vor wenigen Tagen ein ehemaliger Mitschüler des heutigen Diktators Kim Jong Un in der Schweiz auf bestialische Weise ermordet worden ist.“
Nein, das hatte Jeremy noch nicht gehört. „Und was hat das alles mit den Vorgängen hier in Berlin zu tun?“
„Wir wissen es nicht. Vielleicht gar nichts. Wir halten unsere Augen und Ohren offen. Tun Sie das auch, Mister Gouldens. Sie befinden sich nahe am Zentrum von Ereignissen, die vielleicht etwas mit Ihnen zu tun haben, vielleicht auch nicht. Vielleicht werden diese Ereignisse erst in Zukunft etwas mit Ihnen zu tun haben; als würden Sie sie magisch anziehen. Vielleicht wissen Sie mehr darüber, als Sie uns verraten. Machen Sie, was Sie wollen. Wir haben nichts gegen Sie in der Hand. Und ich bin nicht einmal offiziell beim Geheimdienst – betrachten Sie dies hier also als einen rein freundschaftlichen, privaten Gesprächsaustausch. Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Seien Sie vorsichtig, kooperieren Sie mit uns. Und trauen Sie keinem. Außer uns.“
Das sagen immer die, denen man am wenigsten trauen sollte, hatte sich Jeremy gedacht. Laut aber sagte er: „Hatte ich Ihnen nicht gesagt, dass ich zu einem Thriller recherchiere? Sie geben hier vor, mich abschrecken zu wollen, und dann liefern Sie mir nur Material, um mir den Mund wässrig zu machen. Ist das etwa Absicht?“
Korff verzog die Mundwinkel zu einem in seiner Überheblichkeit fast dämonisch wirkenden Grinsen. „Wenn Sie Betaleser zu Ihren Rechercheergebnissen brauchen, möchte ich gerne Ihre erste Adresse sein.“ Dann legte er die Stirn in Falten, nahm ein Blatt Papier und schrieb darauf einen Namen, eine E-Mail-Adresse und eine Telefonnummer. „Das ist so ein bisschen unser Kontaktmann in dieser Sache, Friedhelm Albrecht Schliermeyer. Eine Mischung zwischen Geheimdienstzuträger, rein privat, versteht sich, und Enthüllungsjournalist, wenn es so etwas gibt. Mittlerweile über achtzig und ohne Angst vor dem Tod. Melden Sie sich mal bei ihm und sagen Sie ihm einen Gruß von Walter Korff.“
Dann war der undurchsichtige Unsympath aufgestanden, hatte seine schwarze Lederjacke genommen und den Raum verlassen.
Jeremy begann zu frösteln. Er stand von seiner Bank auf und hüllte sich fester in seine Winterjacke. Schwanenwerder, die Century Bank, Mie, Diktatorensöhnchen in der Schweiz, das sollte am Ende alles irgendwie zusammenhängen? Oder auch nicht? Und was war mit dem Anschlag auf die chinesische Botschaft? Ihm fiel auf, dass davon, dem eigentlichen blutigen Ereignis dieser Tage, nur am Rande die Rede gewesen war. Fast als wäre das für den deutschen Geheimdienst gar nicht mehr so wichtig. Was aber war dann wichtig?
Noch immer benommen kehrte er ins Hyatt Hotel zurück, um vor der Fahrt zum Flughafen Tegel seinen Koffer abzuholen. Er war schon im Gehen, da fiel der netten Dame an der Rezeption noch etwas ein. „Halt, einen Moment, das sollte ich Ihnen ausrichten: Es war jemand da und hat nach Ihnen gefragt. Hat dies hier hinterlassen.“ Sie schwenkte eines der hoteleigenen Briefkuverts.
„Junge Frau? Schwarze Haare? Ostasiatisches Aussehen?“
Das könne sie nicht sagen, bedauerte die Hotelangestellte, „war bei meiner Kollegin in der anderen Schicht“. Jeremy riss das Kuvert auf, entnahm einen kleinen Zettel und las die wenigen, in einer zierlichen Handschrift geschriebenen Worte: War schön gestern. Mir geht es gut. Tut mir leid, dass wir uns verfehlt haben. Ich melde mich! Mie