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2. Zahlungseinstellung
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Hat der Schuldner seine Zahlungen faktisch eingestellt, begründet dies gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO eine widerlegbare Vermutung der Zahlungsunfähigkeit, so dass das Insolvenzgericht ohne Gegenvortrag keine weiteren Ermittlungen anstellen muss. Unter einer Zahlungseinstellung versteht man (in Abgrenzung zur bloßen Zahlungsunwilligkeit, Rn 109) ein äußeres Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise eine Zahlungsunfähigkeit ausdrückt[50]. Es muss sich also für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Eine Zahlungseinstellung in diesem Sinne erfordert somit mehr als die bloße Nichtzahlung, sie ist aber auch nicht erst dann gegeben, wenn der Schuldner überhaupt nichts mehr auszahlt. Vielmehr reicht die Nichtzahlung einzelner fälliger Verbindlichkeiten oder von Forderungsteilen aus, wenn die Rückstände einen der Höhe nach erheblichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten bilden[51] und der Gläubiger hieraus schließen muss, dass sich der Schuldner in existenziellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet[52]. Die Nichtzahlung muss jedenfalls für die Zahlungsunfähigkeit typisch sein und sich durch irgendein äußeres Verhalten des Schuldners so nach außen manifestieren, dass es zumindest für die beteiligten Verkehrskreise erkennbar ist[53]. Rückblickend (also im Anfechtungsprozess) kann sich der Insolvenzverwalter darauf berufen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt nicht unerhebliche fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Eröffnung nicht mehr beglichen worden sind; es ist dann von einer Zahlungseinstellung auszugehen[54] (s Rn 109).
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Gewichtige Indizien für die Zahlungseinstellung sind eigene Erklärungen („wir machen dicht“, „wir stellen Insolvenzantrag“, „ich kann nicht mehr zahlen“)[55], selbst wenn sie mit einem Stundungs- oder Teilzahlungsersuchen verbunden sind[56]. Die bloße Bitte um Stundung oder um Ratenzahlung ist hingegen kein ausreichendes Indiz, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält[57]. Der Schuldner deutet nach außen auf seine Zahlungsunfähigkeit hin, wenn er Sozialversicherungsbeiträge über sechs Monate hinweg nicht abführt[58], Steuerforderungen schleppend oder gar nicht bezahlt oder die Finanzverwaltung vorsorglich um Stundung künftiger Beträge bittet[59]; es ist aber auch bei den Abgaben- und Steuerschulden zu fordern, dass es sich jeweils um im Verhältnis zur Gesamtverschuldung erhebliche Beträge handelt[60]. Entsprechende Anzeichen können sich auch aus entsprechenden Indizien ergeben, etwa schleppende Lohnzahlungen[61], die Flucht des Schuldners, Rückgabe von Lastschriften, Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, Zahlung nur unter dem Druck einer Liefersperre[62], Herausgabe von Vorbehaltsware in großem Umfang an Lieferanten, gescheiterte Vollstreckungsversuche, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung oder die Häufung von Insolvenzanträgen. Ein gewichtiges Indiz stellt auch die Nichteinhaltung der vereinbarten Raten nebst der Notwendigkeit von Änderungen der insoweit getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung dar. Je nach Intensität ist allerdings nicht bereits jedes dieser Anzeichen für sich ausreichend, sondern es müssen sich grundsätzlich mehrere dieser Umstände verwirklichen, um in Gesamtschau die Vermutung für die Zahlungseinstellung zu begründen. Andererseits ist aber beispielsweise aus der jahrelangen Nichtbegleichung von Sozialversicherungsabgaben oder Steuerforderungen ohne weitere Indizien auf die Zahlungseinstellung zu schließen. Stützt der Insolvenzverwalter den Nachweis der Zahlungsunfähigkeit lediglich auf Indizien, muss das Gericht auf Antrag des Anfechtungsgegners zur Entkräftung der Beweisanzeichen bzw zur Widerlegung der Vermutung durch einen Sachverständigen eine Liquiditätsbilanz erstellen lassen[63].
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Durch die Wiederaufnahme der Zahlungen kann eine Zahlungseinstellung wieder beseitigt werden, wobei kleinere Deckungslücken im Rahmen der Bagatellgrenze nicht schaden. Es ist aber zu beachten, dass bei Stundungs- oder Vergleichsvereinbarungen die Zahlungseinstellung erst als aufgehoben gilt, wenn der Schuldner mit den Ratenzahlungen tatsächlich beginnt[64].
§ 3 Die Begründetheit des Insolvenzantrags › II. Drohende Zahlungsunfähigkeit