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2. Grundlagenforschung
2.7 Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörung
2.7.2 Welche Aspekte sind für die Psychotherapie zentral?
ОглавлениеAbgesehen davon, dass sich Persönlichkeitsstile zu Störungen auf der Achse II entwickeln können, führen sie auch möglicherweise zu klinischen Beeinträchtigungen (Achse I). Barnow & Lang (2012) diskutieren die gängigen Modelle für Zusammenhänge zwischen beiden Achsen. Demnach sprechen einige Befunde für das sogenannte «Spektrum-Modell», wonach Störungen auf beiden Achsen auf eine gemeinsame Ätiologie zurückgehen und sich somit nicht trennen lassen. Das ist insofern interessant, weil in der störungsspezifischen Verhaltenstherapie beide Ebenen nur dann betrachtet werden, wenn der Schwellenwert für eine Persönlichkeitsstörung überschritten wurde (Fydrich 1997, Renneberg & Fydrich 2004); bei Nichtvorliegen einer Persönlichkeitsstörung gilt die vorrangige Beachtung der Störung(en) auf der Achse I. Anders formuliert: Die regelmäßige Beachtung von Persönlichkeitsmustern in der verhaltenstherapeutischen Therapieplanung ist im störungsspezifischen Kontext nicht vorgesehen. Dadurch wird eine eher symptomorientierte Behandlungsstrategie unterstützt zulasten einer grundsätzlich indizierten personorientierten Strategie.
Barnow & Lang (2012) diskutieren aber auch andere Modelle als das «Spektrum-Modell» und erörtern zunächst das Konzept des «Temperaments» als Schlüssel für eine gemeinsame Ätiologie für Achse-I- und Achse-II-Störungen: positive Affektivität, negative Affektivität und Enthemmung (Disinhibition) (Clark 2005). Gross (1998, 2007) konnte Zusammenhänge in der Art der Emotionsregulation mit Persönlichkeitsmerkmalen und psychopathologischer Belastung herstellen. So zeigt sich zum Beispiel, dass die generelle Fokussierung auf negative Emotionen in Verbindung mit Grübeln, mangelnder Neubewertung, Emotionsunterdrückung und geringer Abnahme der Gefühlsintensität (Habituation) generell mit höherer psychopathologischer Belastung und körperlichen Beschwerden einhergeht (Barnow 2012). Der Begriff des Temperaments führt zur Fokussierung der Emotionsregulation. Allerdings ist er auch mit der Annahme einer biologischen Ätiologie verbunden (Caspi & Roberts 1999). Daher sollte man eher zu einer Fokussierung der Emotionsregulation unabhängig vom Temperamentsbegriff kommen.
Fazit: Der Schlüssel zum Verständnis des Zusammenhangs von symptomatischen Störungen und Persönlichkeitsstörungen liegt erstens in der Annahme einer gemeinsamen Ätiologie und zweitens in der Fokussierung der Emotionsregulation. Probleme mit der Emotionsregulation hängen vermutlich weniger am Temperament als an der Frage, wie hoch der emotionale Belastungspegel in früheren Phasen der Persönlichkeitsentwicklung war (Risikofaktoren vs. Schutzfaktoren). Emotionale Verarbeitungsmuster sind insofern Teilaspekt persönlicher Bewältigungsmuster und Reaktion auf emotionale Belastungen.