Читать книгу Flucht - Marian Liebknecht - Страница 18

17:45 Uhr

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Viertel vor sechs am Abend erklang in Chefinspektor Weiningers Auto wieder einmal die g-Moll-Symphonie von Mozart. Je länger er diese Melodie eingestellt hatte, umso mehr ging sie ihm auf die Nerven. Er griff in die Seitentasche seiner Jacke, um sein Handy heraus zu holen und drückte auf die Rückruftaste, da er nicht schnell genug gewesen war. Am anderen Ende der Verbindung meldete sich Margreiter, dessen Stimme etwas Triumphierendes an sich hatte.

„Wir haben die beiden Afrikaner. Es sind zwei Sechzehnjährige, die Österreich vor etwas mehr als vier Wochen betreten haben. Der eine hat zugegeben, dass sie am Tatort gewesen sind, bestreitet aber jede Beteiligung am Mord, zumindest derzeit noch. Der andere ist ein härterer Knochen, aus dem bekommen wir nicht so leicht etwas raus. Aber wir haben genug, um sie wegen dringenden Tatverdachts und Verdunkelungsgefahr festnehmen zu können.“

„Wie habt ihr das so schnell geschafft?“, fragte Weininger, den diese Nachricht doch einigermaßen überraschte.

„Ein wenig Erfahrung hab’ ich mittlerweile angesammelt“, antwortete Margreiter mit deutlich hörbarem Stolz, der einen Anflug von Überheblichkeit enthielt. „Allerdings muss ich zugeben, dass es nicht allzu schwer war“, fuhr er etwas nüchterner fort, „sie hatten sich zwar einiges zurechtgelegt, aber schon bei unseren ersten Fragen war die mangelnde Übereinstimmung ihrer Antworten zu merken. Sie haben angegeben, dass sie zur fraglichen Zeit im Stadtzentrum gewesen waren, beim genauen Weg waren sie aber plötzlich unsicher und bei getrennter Befragung wollte sich keiner mehr festlegen. Als sie gemerkt haben, dass sie sich mit jedem weiteren Wort vielleicht um Kopf und Kragen reden konnten, haben sie plötzlich immer weniger gesagt. In getrennten Befragungen haben wir sie aber schnell ausgetrickst und einen von ihnen weich bekommen. Allerdings hat er den Mord nicht zugegeben. Nach seiner Version sind sie über die Leiche gestolpert und haben sich danach unbemerkt fortgeschlichen, ohne jemanden zu informieren. Aber gib mir eine Nacht bei uns im Polizeikommando und ich wette, wir haben zwei Geständnisse.“

„Gut gemacht“, erwiderte Chefinspektor Weininger, obwohl ihm, so wie Margreiter es erzählt hatte, alles fast ein wenig zu schnell gegangen war, „wenn ich richtig verstehe, wollt ihr die beiden verhaften und zum Posten bringen.“

„Du bist doch einverstanden damit?“, fragte Margreiter etwas weniger selbstbewusst als zuvor.

„Natürlich, so wie du es geschildert hast, haben wir keine andere Wahl“, antwortete Weininger, „allein wegen der Verdunkelungsgefahr müssen wir sie verhaften, ich kümmere mich gleich um den Haftbefehl und komme dann zu euch. Ach ja, etwas noch, Moser vom Erkennungsdienst hat mich angerufen, sie haben Abdrücke der Fußspuren gemacht, die recht brauchbar geworden sind. Wir bekommen sie morgen. Am besten solltest du den beiden gleich ihre Schuhe abnehmen. Ein zweites Paar werden sie zwar nicht besitzen, aber im Lager wird wohl irgendwas aufzutreiben sein, was sie anziehen können. Also dann, bis in etwa einer Stunde.“

„Alles klar“, bemerkte Margreiter ohne weiteren Kommentar.

Während der Chefinspektor wegen des Haftbefehls zum Gericht fuhr, spukte ständig Margreiters Bericht in seinem Kopf herum. Etwas an der Sache gefiel ihm nicht. Es war alles zu einfach und zu glatt. Auf die Frage etwa, warum zwei kaltblütige Mörder eines kleinen Mädchens, die wissen mussten, dass ihr Leben nach dieser Tat wohl keinen Pfifferling mehr wert war, ohne größeren Widerstand klein zu kriegen und zu überführen waren, hatte er für sich keine Antwort, wenngleich das alles für Margreiter kein Problem zu sein schien. Auf der anderen Seite war die Ausrede, die Ermordete sei schon tot gewesen, die klassische Schutzbehauptung für den Fall, dass sich die Anwesenheit am Tatort nicht mehr leugnen ließ. Es gab eben beide Varianten, entweder sie waren die Täter oder nicht. Was ihm aber Sorgen machte, war die Frage, ob er bei diesen Verdächtigen genügend Spielraum hatte, um alle Möglichkeiten ausreichend auszuloten oder ob die politischen Wogen ins Polizeirevier überschwappen und eine objektive Wahrheitsfindung aussichtslos machen würden. Denn politisch verwertbar waren zwei Mörder aus dem Lager in jedem Fall, besonders wenn bekannt würde, dass sie seit ihrer Kindheit nichts anderes getan hatten, als zu töten. Weininger klang schon Bürgermeister Rettenbachers Stimme im Ohr, wenn er nur daran dachte. Aber ihm war auch klar, dass er, solange es keine anderen Verdächtigen gab, gar nichts anderes tun konnte, als die beiden zu verhaften, worauf sich die Ermittlungen zwangsläufig gegen sie richten würden. Und er wusste, es gab genug Staatsanwälte, denen die Beweislage, so wie sie sich darstellte, mehr als reichen würde, um die Ermittlungsverfahren so schnell wie möglich abzuschließen und die Anklage folgen zu lassen. Der Weg, der den beiden Schwarzen bevorstand, war, wenn nichts Außergewöhnliches passieren würde, vorgezeichnet.

‚Das Einfachste wäre, sie hätten es getan‘, dachte er irgendwann, als ihm das Überlegen zu mühselig wurde, ‚vielleicht hat Margreiter ja recht, und wir haben bald zwei Geständnisse.‘

Flucht

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