Читать книгу Flucht - Marian Liebknecht - Страница 9

14:00 Uhr

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„Wie lang ist deine Liste?“, fragte Margreiter, während er die knapp fünfhundert Namen auf dem Papier in seinen Händen durchging. Frau Ziegelmeier hatte ihm zehn Minuten zuvor ein Bündel zusammengehefteter Blätter mit einer elendslangen Auflistung der Lagerinsassen ausgehändigt, von der er einen Teil abgerissen und Viktor in die Hand gedrückt hatte. Es war die angeforderte Auswertung. Jetzt saßen sie beide am Tisch in dem Zimmer, das Schirmer in der Zwischenzeit für sie bereitgestellt hatte.

„Vielleicht so drei- bis vierhundert“, antwortete Viktor, der die Namen, die seiner Ansicht nach interessant waren, markierte.

„Da kommt eine ganze Menge zusammen. Wir müssen was finden, um den Kreis einzugrenzen“, bemerkte Margreiter, als er von seiner Lektüre aufsah, „wenn wir nur die Hälfte von denen allen vernehmen wollen, kommen wir vor Weihnachten hier nicht mehr raus.“

„Hervorragende Aussicht“, erwiderte Viktor, „soll ich uns einen Kaffee holen? Draußen ist ein Automat. Er hat zwar wie ein Museumsstück ausgesehen, aber einen Versuch wär’s wert.“

„Gute Beobachtungsgabe, Viktor, alles Wichtige schnell zu erfassen ist das Um und Auf bei der Polizei.“ Margreiter lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Im ersten Moment hab’ ich schon gedacht, du bist lebensmüde und willst die Ziegelmeier fragen. Was kostet übrigens einer?“

„Keine Ahnung“, antwortete Viktor.

„Na gut, ich geb’ uns einen aus. Hier sind zwei Euro, wird wohl hoffentlich reichen.“ Margreiter warf ihm ein Geldstück zu, das er aus der Tasche gezogen hatte.

Gerade als Viktor mit zwei dampfenden Pappbechern zurückkam, läutete Margreiters Handy. Auf dem Display war die Nummer des Chefinspektors zu lesen.

„Hallo, was ist los?“, fragte Margreiter.

„Das Ergebnis der Obduktion ist gerade eingetroffen.“ Wie immer begann Weininger das Gespräch sehr direkt. „Demnach war die Kleine noch nicht lange tot, als sie gefunden wurde. Als Todeszeitpunkt ist siebzehn Uhr fünfzig plus minus zehn Minuten angegeben. Laut Schinnerer ist der Obdachlose um achtzehn Uhr neunzehn beim Posten Dreistätten erschienen und hat seine Aussage gemacht. Das bedeutet, dass – wenn wir davon ausgehen, er sagt die Wahrheit – alles zeitlich sehr nahe beisammen liegen muss. Nach seiner Aussage muss es gegen siebzehn Uhr dreißig gewesen sein, als er zum Tatort gekommen ist. Dabei ist ihm nichts aufgefallen. bald darauf ist er auf seiner Bank eingeschlafen. Der Mord muss also passiert sein, während er geschlafen hat. Etwa um achtzehn Uhr ist er dann vom Gespräch der beiden Schwarzen aufgewacht. Da bleibt nicht viel Zeit. Das bedeutet, dass ihr da drinnen wahrscheinlich nicht irgendwelche Zeugen sucht, sondern den Mörder. Also recherchiert so genau wie möglich. Vielleicht komme ich irgendwann am Vormittag bei euch vorbei.“

„Klingt interessant, was du sagst“, bemerkte Margreiter. „Hinweise auf sexuellen Missbrauch bei der Toten?“

„Nein, absolut nichts“, antwortete Weininger, „aber frag’ mich nicht, was das zu bedeuten hat, ich muss mir erst selbst einen Reim drauf machen.“

„Seh’ ich genauso, keine voreiligen Schlüsse“, erwiderte Margreiter, „Sorgen brauchst Du dir übrigens keine zu machen, wir passen schon auf uns auf. Und ob wir es hier drin wirklich mit einem Mörder zu tun haben, werden wir erst sehen. Vielleicht hat der Landstreicher sie ja selbst umgebracht und sich die ganze Geschichte ausgedacht, damit keiner an ihn denkt.“

„Du hast recht, das ist eine Überlegung wert“, erwiderte Weininger, „nur glaube ich, damit unterstellen wir ihm zu viel Intelligenz. Also, seid auf der Hut.“

Flucht

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