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Gold und Silber

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Die mystischen Eigenschaften, die man diesen beiden Substanzen zuschrieb, sind kaum zu überschätzen. Goldfäden wurden deshalb in Stoffe und Wandteppiche eingewebt, sodass sie schillerten, wenn Licht darauf fiel. Statuen und Gemälde wurden mit Gold zum Funkeln gebracht. Königliche Insignien, Geschmeide, Geschirr und Besteck aus Gold oder Silber kündeten von den eingeborenen Tugenden der Aristokratie. Die Suche nach Edelmetallen war der Motor für die europäische Expansion in den überseeischen Gebieten. Jacques Cartier begab sich 1534, eine Generation nach Kolumbus, auf seine erste Expedition. Er verfolgte das Ziel, „gewisse Inseln und Länder aufzufinden, wo es eine große Menge Gold und andere Reichtümer zu entdecken geben soll“. Auch Martin Frobishers Reise nach Neufundland (1576–1578) diente der Suche nach Edelmetallen. Sir Walter Raleigh mutmaßte zu Recht, dass das spanische Reich Philipps II. nicht „auf dem Handel mit Orangen aus Sevilla“ beruhte. „Es war das Gold aus Westindien, mit dem er die europäischen Nationen in Gefahr brachte und aufstörte.“

Gold und Silber dienten natürlich auch als Zahlungsmittel, wobei die lokal geprägten und im Handel verwendeten Münzen sehr unterschiedlich ausfielen. In Frankreich gab es 20 Münzstätten, in Kastilien wenigstens sechs. Fast jedes italienische Fürstentum und viele deutsche Städte prägten eigene Münzen. Das geschah in Handarbeit, mit einem Hammer und einem Prägestempel. Die so geschlagenen Münzen waren unregelmäßig geformt, Gewicht und Dicke variierten von einer Münzstätte zur anderen beträchtlich. Die Betrugsmöglichkeiten waren vielfältig, indem man zum Beispiel ein bisschen Metall wegschmolz oder die Ecken beschnitt. Selbst Geldwechsler hatten Schwierigkeiten, die feinen Unterschiede in Legierung und Gewicht aufzuspüren. Die Pariser Münze experimentierte mit einer Walzanlage und einer Schneidpresse, um den Münzen eine Randprägung zu geben, doch produzierte die Anlage viel Ausschuss und war kostspielig zu installieren. Wohl diskutierte man ihre Vorteile bei der Verhinderung von Betrug, doch sollten vor 1650 in Europa keine Münzen mit Randprägung in Umlauf kommen.

Die Herstellung von Geld aus mehr als einem Metall war kompliziert, weshalb man sich im 16. Jahrhundert auf Gold, Silber und Billon beschränkte. Der Münzwert wurde nicht nur vom Nennwert bestimmt, sondern auch von Gewicht und Feingehalt. Billonmünzen hatten den geringsten Wert, weil sie aus einem geringen Anteil an Silber, legiert mit einem weniger wertvollen Metall (hauptsächlich Kupfer), bestanden, weshalb sie so gut wie keinen Materialwert besaßen. Goldmünzen dagegen waren am wertvollsten und deshalb im täglichen Geldverkehr nur selten zu finden. Die meisten Europäer gaben in ihrem ganzen Leben niemals eine Goldmünze aus – mit einem venezianischen Dukaten konnte man auf dem Markt von Antwerpen in den 1520er-Jahren mehr als 50 Schock Eier oder 240 Heringe erwerben. Goldmünzen ließen sich relativ leicht auf Gewicht und Feingehalt prüfen. Ihr Besitz und Gebrauch war zumeist auf Bankiers, Höflinge und reiche Leute beschränkt. Zudem waren sie Symbole der Macht. Im frühen 16. Jahrhundert zierten in Nachahmung klassischer Vorbilder Porträts der jeweiligen Herrscher die Goldmünzen von Mailand und Neapel, wodurch die Münzen ein zusätzliches politisches Gewicht erhielten. Der französische König Heinrich II. ließ sich mit dem Lorbeer eines siegreichen Imperators auf einem teston porträtieren, einer Silbermünze, deren Bezeichnung (italienisch testa heißt „Kopf“) wiedergab, was neu an ihr war.

Silbermünzen waren eine gängige Verkehrsmünze und trieben die Monetarisierung in Europa voran. In Münzsammlungen noch immer häufig vertreten sind die englischen testoons, half-crowns, angels und crowns sowie (nach der Münzreform von 1551) shillings, half-crowns und crowns, ferner spanische réales (die 3,19 Gramm Feinsilber enthalten) und holländische stuiver (mit 0,94 Gramm Feinsilber). Mehr Renommee besaßen die großen Silbermünzen, wie etwa die schwereren réales de a ocho („Achterstück“, achtmal so schwer wie ein réal) oder der mitteleuropäische Guldiner, das Vorbild für den Joachimstaler (28,7 Gramm Feinsilber) – und, viel später, für die Silberdollars der jungen amerikanischen Republik.

Die Münzproduktion geschah auf Geheiß der Bankiers, Geldwechsler und Kaufleute, die das Metall lieferten. Die Münzstätten prägten das Geld und berechneten Produktionskosten und Seigniorage (die an den Münzherrn für die Erlaubnis zur Münzprägung zu entrichtenden Gebühren). Zwar wurde die Qualität der Münzen durch die Obrigkeit überwacht, doch entschied der Markt über Münzmenge und gewähltes Metall. Es war schwierig, ein adäquates Zahlungsmittel gerade für die kleinen Alltagsgeschäfte verfügbar zu halten. Billonmünzen wurden wegen ihres Silbergehalts vor allem in Zeiten von Inflation und instabilem Geldwert gern eingeschmolzen. Insbesondere „Kleingeld“ war für die Münzstätten in der Produktion nicht gewinnbringend und gelangte nicht in ausreichenden Mengen auf den Markt, zudem war es von dubioser Qualität. In Spanien waren massenhaft blancas – kastilische Kupfermünzen mit einem Silbergehalt von nur sieben Gramm – von zweifelhaftem Wert in Umlauf. In Norditalien wurden Alltagsgeschäfte mit mailändischen terline und sesine (in heutiger Währung etwa drei beziehungsweise sechs Cent) getätigt. In Frankreich gab es Kleinmünzen wie den liard, den denier und den douzain (circa zwölf Cent), mit denen man ein Brot kaufen oder eine Spende für die Armen leisten konnte. Aber diese Münzen waren wie mittelmäßiger Wein: Sie brachten es nicht weit. Noch die Münzen mit dem höchsten Feingehalt an Silber wurden mit Kupfer legiert, um das Edelmetall zu härten. Englisches Sterlingsilber zum Beispiel hatte einen Anteil von 7,5 Prozent Kupfer, das französische Pendant argent-le-roy 4,17 Prozent. Fürsten, die an Geldknappheit litten, waren stets versucht, den Gewinn aus den Münzstätten durch Verschlechterung der Münzqualität (Senkung des Silbergehalts) zu steigern. Alternativ dazu gab es die Möglichkeit, das Gewicht der Münze zu senken und so mehr Münzen mit demselben Nennwert aus dem Pfund oder der Mark Feinsilber oder -gold zu prägen.

Die staatlichen Behörden fanden eine Methode, um die Münzvielfalt in den Griff zu bekommen: Sie führten eine Zählwährung ein, die nun bei allen Arten von Geschäften zur Verrechnung genutzt wurde. Damit besaß man endlich einen stabilen Wertmaßstab, um verschiedene Münzsorten miteinander zu vergleichen. In Italien beispielsweise wurden von nun an die Geschäfte und Berechnungen in lire, soldi und denari abgewickelt, wobei nur der denaro auch eine tatsächliche Münze bezeichnete. Lire und soldi waren reine Rechnungseinheiten. 20 soldi oder 240 denari entsprachen einer lira (dem angenommenen Münzgewicht von einem Pfund). Ähnliches Rechnungsgeld fand nun überall in Europa Verwendung – in Spanien der maravedí, in Frankreich der livre tournois, in Holland der Gulden und in England das Pfund Sterling. Wechselkurse gab es sowohl zwischen den verschiedenen geprägten Münzen wie auch zwischen den Rechnungswährungen, und sie fluktuierten in beiden Fällen. Die Behörden setzten die Wechselkurse fest, die dann von den Münzstätten den einliefernden Händlern gegenüber als Kaufpreis für ungemünztes Gold oder Silber und für Münzen angegeben wurden. Allerdings hatten die Händler insofern das letzte Wort, als sie, wenn der Kurs nicht realistisch war, es schlichtweg ablehnten, mit den Münzstätten Geschäfte zu tätigen, und stattdessen den Handel zu inoffiziellen Kursen abschlossen. Damals wie heute wussten nur wenige, wie die Geld- und Währungsmärkte funktionieren, und nur eine winzige Minderheit in den allmählich entstehenden europäischen Finanzzentren konnte daraus ihren Vorteil ziehen.

Zweimal erfuhren Europas Vorräte an Edelmetallen eine substanzielle Veränderung. Da waren zunächst einmal die Portugiesen, die sich in den 1470er-Jahren an der Küste von Guinea in Westafrika niederließen. 1481 landeten sie dort mit einer Flotte von elf Schiffen und erbauten binnen weniger Wochen die Festung São Jorge da Mina (heute Elmina in Ghana). Von diesem Stützpunkt aus trieben sie Handel, um „sudanesisches“ Gold zu erwerben, das Westafrikaner aus den Flussläufen des Senegal, Niger und Volta wuschen und zur Küste brachten. 1509 wurde zur Abwicklung der Geschäfte ein Handelsbüro eingerichtet, aus dessen Rechnungsbüchern sich das Volumen der Transaktionen ersehen lässt: Zwischen 1500 und 1520, dem Höhepunkt, wurden jährlich 0,77 Tonnen Goldes verschifft. Dann wurden neue Goldvorräte in den amerikanischen Kolonien aufgetan. In weniger als einer Generation hatte man aus dem Flusssand der Antillen alles Gold herausgewaschen. Bis 1550 waren in Sevilla 64,4 Tonnen Gold aus der Neuen Welt angelandet worden (das entspricht der damaligen Umrechnungsrate zufolge 708,5 Tonnen Silber).

Allerdings war der Effekt dieser ungeheuren Transfusion auf Europas edelmetallhungrige Geldwirtschaft weniger stark, als es den Anschein haben mochte. Die Importe aus Westafrika haben vielleicht nur das Gold umgeleitet, das sonst mit Karawanen über die Sahara zu den Mittelmeerhäfen und von dort nach Europa gelangt wäre. Zudem steckten die Portugiesen einiges davon gleich wieder in ihren Handel mit Indien und Indonesien, für den Gold ein wesentliches Element war. Als zweiter wichtiger Faktor, der zu ebendieser Zeit die Versorgung Europas mit Edelmetallen beeinflusste, sind freilich die reichen Vorkommen an Silber und Kupfer in Mitteleuropa zu nennen. Ihr Abbau hatte in den 1460er-Jahren begonnen und erreichte seinen Höhepunkt in den 1540er-Jahren. In Thüringen, Böhmen, Ungarn und Tirol konnten Kupfer- und Silbervorkommen, deren Existenz seit Langem bekannt war, jetzt wirtschaftlich ertragreich abgebaut werden, weil man – in Reaktion auf den steigenden Marktwert von Silber – neue Technologien entwickelt hatte.

Eines dieser Verfahren bediente sich eines chemischen Prozesses: Bei der Schmelze des Erzes wurde Blei eingesetzt, um das Silber vom Kupfer zu trennen. Ein zweites Verfahren verwendete mit Wasser- und Pferdekraft betriebene Drainagepumpen, um tief liegende Minen trockenzulegen. Die Produktion erreichte ihren Höhepunkt in den 1530er-Jahren mit etwa 88,18 Tonnen Silber pro Jahr. Eisleben, Annaberg, Marienberg (in Sachsen), Joachimsthal (Jāchymov) und Kuttenberg (Kutná Hora) waren Städte, die vom Silberrausch profitierten. Der Aufschwung brachte den Reichtum der Fugger in Augsburg hervor, und auch die Reformation wurde dort groß, wo das Silber am stärksten boomte.

Das verlorene Paradies

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