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Silber, Handel und Krieg

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Der Silberabbau war kompliziert und kostspielig und der Transport durch das Gewicht erschwert. Diese Hindernisse erklären, warum es vor 1530 so gut wie keine Silberimporte aus der Neuen Welt gab. Danach war es eine andere Geschichte. Nachdem sich die Spanier 1521 in Südmexiko festgesetzt hatten, wagten sich Expeditionen ins nördliche Chichimeca vor. Bei einer davon überreichten Einheimische 1546 dem Expeditionsführer (Juan de Tolosa, einem baskischen Adligen) Stücke von lokalem Silbererz als Geschenk. Im selben Jahr wurde in Zacatecas, 2700 Meter über dem Meer, eine kleine Bergbausiedlung gegründet. Da die Schürfer die lokalen Bräuche nicht achteten, kam es 1550 zu einem Grenzkrieg mit den Zacatecos- und Guachichil-Indianern. Die Silbersucher fanden bei Guanajuato und Pachuca noch weitere Vorkommen. Da sich die Gewinnung des Silbers aus dem Erz schwierig gestaltete, brachte der spanische Kaufmann Bartolomé de Medina 1554 neue Verfahren aus seiner Heimat mit, die vermutlich in Deutschland entwickelt worden waren. Beim Amalgamverfahren breitete man das fein zerstoßene Erz auf einer ebenen Fläche (patio) aus und vermischte es mit Quecksilber und einer Salzwasserlösung. Daraus entstand eine zähflüssige Mixtur, die man einige Wochen lang der Sonne aussetzte, bis das Silber sich mit dem Quecksilber legiert hatte. Der Abbau und die Gewinnung von Silber in Mexiko waren auf Materialien, Kenntnisse und Ausrüstung angewiesen, die aus Europa importiert werden mussten. Dazu gehörten Werkzeuge aus Eisen und Stahl, Lampen, Öl, Mahlwerke und Pferde. Das Quecksilber kam in Ledersäcken aus dem südspanischen Almadén, wo die Fugger sich von 1563 bis 1645 vertraglich die Produktion sichern konnten.

Unterdessen hatte man im spanisch besiedelten oberen Peru (dem heutigen Bolivien), 650 Kilometer von der Pazifikküste entfernt, mit dem Abbau weiterer umfangreicher Vorkommen begonnen. 1546 war in den Anden am Cerro Rico („Reicher Berg“, wie er jetzt genannt wurde) oberhalb der Stadt Potosí in über 4000 Metern Höhe Silbererz entdeckt worden. Als die an der Oberfläche liegenden Vorkommen in den späten 1550er-Jahren erschöpft waren, wandten sich die Spanier den tiefer liegenden Erzen zu, nun ebenfalls unter Anwendung des Amalgamverfahrens. 1572 wurde in den umliegenden Bergen das erste von später über 20 künstlichen Reservoirs erbaut, in denen Millionen Liter Wasser gespeichert wurden. Das Wasser diente dem Antrieb hydraulischer Hämmer zur Zertrümmerung des Erzes. 1600 gab es um die 125 Werke für die Erzverarbeitung, und Potosí hatte mehr als 100.000 Einwohner. Kein anderer Berg brachte so märchenhaften Reichtum hervor. 1570 zählten Mexiko und Peru 15.000 Bergarbeiter, und die dreifache Anzahl war in anderen Funktionen – etwa als Maultiertreiber, Fuhrleute, Salzhersteller – in den Produktionsprozess eingebunden. Die Sterberate unter den Bergarbeitern und all jenen, die mit dem giftigen Quecksilber zu tun hatten, war hoch. Die Blütezeit der Silberproduktion in Mittel- und Südamerika währte von 1590 bis 1620; in diesem Zeitraum betrug die offizielle Jahresproduktion mindestens 220 Tonnen, doch greift die registrierte Menge vielleicht um bis zu zwei Drittel zu niedrig. Zeitgenössische holländische Nachrichtenblätter veröffentlichten jedenfalls Zahlen über die Silberimporte aus dem spanischen Amerika, die ganz anders aussahen als die offiziellen. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus möglich, dass auch das, was in der offiziellen Buchführung über die in Sevilla eintreffenden Lieferungen als Niedergang der Produktion nach etwa 1620 erscheint, in Wirklichkeit gar nicht mit einem Rückgang der Silberimporte gleichzusetzen ist (wie früher angenommen). Vielmehr dürfte um 1600 etwa ein Viertel der Produktion von Potosí seinen Weg über die Anden zum Río de la Plata und von dort nach Brasilien, Lissabon und auf den europäischen Markt gefunden haben. Weitere umfängliche Lieferungen gelangten über den Pazifik nach Manila und von dort nach China. Eines der ersten Ergebnisse der europäischen Expansion nach Übersee bestand somit darin, dass die Europäer zur Führungsmacht im globalen Silberhandel aufstiegen.

Von diesem Handel profitierte die spanische Monarchie am meisten. Sie machte die Verträge für all das Quecksilber, das über den Atlantik verschifft wurde, und sie beanspruchte von jedem produzierten Silberbarren ihren Anteil (zehn Prozent in Mexiko, 20 Prozent in Peru) und schlug noch eine Bearbeitungsgebühr drauf. Hinzu kamen Zölle in den Kolonialhäfen, wenn das Silber transportiert wurde, weitere Gebühren für seine Registrierung im Kolonialamt von Sevilla, wenn es dort ankam, und wieder weitere, wenn es von dort in andere europäische Länder exportiert wurde. Die wachsenden Einnahmen ermöglichten es Karl V., seine militärischen Unternehmungen in Italien, Nordafrika und den Mittelmeergebieten, Deutschland und Flandern zu finanzieren. Sein Reich funktionierte auf der Grundlage von Verträgen (asientos) mit Lieferanten, die es mit allem versorgten: von Quecksilber und Kreditverträgen (asientos de dineros) bis hin zu Proviant und sonstigem Bedarf der Streitkräfte. Die wesentliche Aufgabe des kastilischen Schatzamtes (hacienda) bestand darin, die Einnahmen mit den Ausgaben in Einklang zu bringen, besonders wenn Erstere unregelmäßig und Letztere dringlich waren. Tatsächlich behandelte die Krone das Silber wie eine Feldfrucht von einer Domäne – so als könne das Metall ganz nach Bedarf geerntet werden. In schwierigen Zeiten pflegte man Silber aus Privatbesitz bei der Ankunft in Sevilla zu beschlagnahmen und zwang die Besitzer, verzinsliche Obligationen (juros) anzunehmen. Die mögliche Gewinnmarge des Silberhandels wurde bei der Umwandlung in juros berücksichtigt, und da zudem die Zinssätze attraktiv waren (fünf bis sieben Prozent), ließen sich viele bereitwillig darauf ein. Wenn das Königshaus die asientos nicht mehr erfüllen konnte, wurden auch sie in längerfristig laufende juros umgewandelt. Je größer der Zufluss von Edelmetallen, desto kreditwürdiger wurde das Schatzamt. Die Schatzmeister der spanischen Habsburger konnten sich nicht nur auf die spanischen Bankkaufleute, sondern auch auf weitere Bankiers in Karls V. europäischem Reich verlassen: auf die Welser und Fugger in Augsburg, die Schetz in Antwerpen und andere. Und als das Königshaus mit den Zinszahlungen in Verzug geriet und die bisherigen Partner im Bankenwesen Verluste realisierten, traten Häuser aus Genua und Cremona in Norditalien, das unter dem Einfluss der spanischen Krone stand, an deren Stelle (darunter die Familien der Spinola, Grillo, Doria und Affaitadi).

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gerieten die so kunstvoll betriebenen Kreditgeschäfte unter Philipp II. ins Schlingern. Die militärischen Kosten, vor allem der Unternehmungen im westlichen Mittelmeerraum und in Flandern, stiegen, und der Verkauf von Regierungsobligationen nahm solche Ausmaße an, dass die Liquidität des Staats in Gefahr geriet. Obwohl Philipp dreimal (1557, 1575 und 1596) den Staatsbankrott verkündete, stellte er sicher, dass die Zinszahlungen für die Inhaber von juros weiterliefen, ein Versprechen, das nur gehalten werden konnte, solange die Gewinne aus Silberproduktion und -handel so sprudelten wie bisher. Doch selbst als es unter Philipp IV. (1621–1665) zu wiederholten Finanzkrisen und rückläufigen Silbereinkünften kam, blieb das Silber aus der Neuen Welt das Mittel, welches den spanischen Habsburgern die Teilnahme am Dreißigjährigen Krieg ermöglichte. Seine Bedeutung nahm sogar noch zu, als andere Einnahmen wegbrachen. Madrid ordnete öffentliche Feierlichkeiten an, wenn die Nachricht vom Eintreffen der Flotte den Hof erreichte. Zusätzliche Obligationen im Wert von fünf Millionen ducados wurden zwischen 1621 und 1640 ausgegeben, um – als die Silbertransporte ausblieben – die Vermögensanlagen der Kaufleute von Sevilla beschlagnahmen und in juros umwandeln zu können.

Das Silber aus Amerika wirkte auf die europäische Politik wie ein Adrenalinstoß und förderte das Kriegsverlangen. Edelmetalle finanzierten nicht nur die ehrgeizigen Bestrebungen der Habsburger, sondern auch die ihrer Feinde. Gewinnung und Transport der Metalle wurden allerdings von Kaufleuten betrieben, nicht vom Staat. Die Schiffseigner, Kapitäne und Kaufleute von Sevilla bildeten den Kern eines mächtigen Konsulats für den Handel mit Amerika (bekannt als consulado). Sevillas Kaufleute fungierten als Steuereintreiber für die auf das Silber erhobenen Abgaben. Sie schlossen die Verträge für die Bevorratung der Silberflotte und die Heuer der Mannschaften. Sie machten sich unentbehrlich für den Warenverkehr nach Sevilla hinein und auch wieder hinaus nach Amerika, wussten sie doch einzuschätzen, was sich in den Kolonien gewinnbringend verkaufen ließ. Dann wurden die Waren auf Kredit von ausländischen Kaufleuten über deren Kommissionäre in Sevilla erworben. Die Schulden wurden mit den Einkünften aus dem Silber beglichen, das die Schiffskonvois anlieferten. Das amerikanische Silber strömte nach Sevilla, um die Stadt sofort wieder zu verlassen, damit die französischen, englischen und flämischen Kaufleute das Getreide und Salz, die Stoffe und Fertigwaren lieferten, die dann ihren Weg in die Neue Welt fanden. Anfang des 17. Jahrhunderts agierten die Kaufleute von Sevilla als Front- oder Strohmänner (prestanombres) für ihre Kollegen aus Nordeuropa.

Abgesehen davon glichen die Handelswege für Silber und andere Güter allmählich einer überalterten Wasserleitung: Es gab viele Lecks, und mit der Höhe des Drucks stiegen auch die Verluste. Holländische und englische Schmuggler (interlopers oder „Schwarzhändler“) richteten Stützpunkte ein, von denen aus sie direkt mit den spanischen Kolonien in der Neuen Welt Handel treiben und die Schiffskonvois stören konnten. Silbertransporte sickerten auf Überlandwegen von Peru in das Gebiet des heutigen Argentinien durch und gelangten von dort auf den europäischen Markt. Die Schmuggelei wurde fast zu einer Institution und trug dazu bei, das aufgeweichte spanische Monopol für die amerikanischen Kolonien erträglicher zu machen. Diesen Trend verstärkte noch der Transfer an Edelmetall, der sich aus dem Unterhalt der habsburgischen Streitkräfte in Flandern ergab. Die Söldner aus Spanien, Italien, Deutschland und den Niederlanden erhielten Waffen, Kleidung und Nahrung durch Verträge mit Lieferanten, die allesamt mit spanisch-amerikanischem Silber (oder Gold, das mit dem Silber gekauft wurde) bezahlt wurden. So gelangte das Silber nach Nordwesteuropa und beschleunigte dort die Monetarisierung, wodurch sich die wirtschaftlich entwickelte Achse zwischen Norditalien und dem Rheinland weiter nach Norden verschob. Auf diese Weise gelangten Spaniens Feinde an das Geld, das sie brauchten, um Spanien in die Knie zu zwingen, was sie am Ende des Dreißigjährigen Krieges auch geschafft hatten.

Die Edelmetalle aus der Neuen Welt heizten die militärischen Konflikte in Europa an, und sie hatten das Potenzial, sozialen Wandel herbeizuführen, indem sie die Kaufleute mit größerer Macht ausstatteten. In einigen Ländern, wie der im Entstehen begriffenen Republik der Vereinigten Niederlande, ist Derartiges zu beobachten. Doch in größerem Umfang blieb solcher Wandel aus, weil die europäischen Staaten so viel von ihrem Geld in Konflikte steckten. Auch dieses Investment führte zu einem sozio-monetären Transfer, der das Geld allerdings anderswohin fließen ließ: in militärische Tapferkeit, adlige Familien, staatstragende Eliten und den Schutz der religiösen Orthodoxie. Das Silber landete in den Taschen der spanisch-habsburgischen Generäle und der Truppenkontingente, es finanzierte den Lebensstil der kaiserlichen Amtsträger und ihrer Familien, der Diplomaten und Informanten. Die spanische Oberschicht – ihre Adligen und Patrizier, ihre kirchlichen und karitativen Institutionen – investierte kräftig in Regierungsobligationen, sodass die Anleihegläubiger ein wichtiges Element politischer Loyalität in schwierigen Zeiten darstellten. Ähnliche sozio-monetäre Transferprozesse vollzogen sich auch bei den Feinden Spaniens. In der staatsähnlichen Struktur der Republik der Vereinigten Niederlande entstand eine patrizische Elite, die das Geld, in dem sie schwamm, nicht protzig zur Schau stellen wollte, weil sie einem anderen, konservativen Wertekanon verpflichtet war. In Frankreich wurde der heranreifende absolutistische Staat zu einem machtvollen Instrument des sozio-monetären Transfers insofern, als nun beträchtliche Gelder in mit Ämtern verbundene Privilegien und den Militärdienst flossen. Die Bourbonen-Monarchie ließ es billigend zu, dass der alte und neue Adel seinen Reichtum in Bauwerken, Kleidung und aristokratischem Auftreten zur Schau stellte.

Das verlorene Paradies

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