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Die Jahrhundertmeisterschaft

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Währenddessen holt Lawson einen anderen Schatz des Vereins hervor: „Das ist der Siegerpokal der Jahrhundertmeisterschaft von 1922. Sie wurde zum Gedenken an die brasilianische Unabhängigkeit ausgetragen. Wir sind für hundert Jahre Titelverteidiger, erst 2022 werden wir wieder antreten müssen!“

Doch das kurioseste Stück ist ein halber, auf ein Stück Holz geklebter Pokal. „In einer Meisterschaft trafen wir auf unseren Lokalrivalen São Paulo. Das erste Finale endete unentschieden. Man beschloss daraufhin, ein Entscheidungsspiel auszutragen. Das endete wiederum unentschieden, und jedes weitere Spiel auch. Die Fans wollten den Wettbewerb schon nicht mehr sehen, und so dachte man über Lösungen nach. Irgendwann kam man darauf, den Pokal in der Mitte auseinanderzusägen und jeder Mannschaft eine Hälfte zu überreichen.“ Wahrlich ein salomonisches Urteil brasilianischer Art.

Es scheint, als seien die dunklen Geschäftsräume des Sport Club eine unerschöpfliche Schatzkammer voll kurioser und wissenswerter Geschichten rund um den brasilianischen Fußball. Aber gleichzeitig bekommt man dort auch ein bisschen Wehmut über den Niedergang, denn die große Zeit des Vereins und der Stadt liegt lange zurück. Auch der Hafen hat längst nicht mehr die Bedeutung einer internationalen Drehscheibe wie früher. „Fußball ist heute ein Geschäft, und die großen Vereine sind dort, wo das Geld ist. Schau dir nur die erste Liga an: da sind Vereine aus Rio de Janeiro, São Paulo, Belo Horizonte und eben Porto Alegre. Aber ich hoffe, dass es wieder aufwärtsgeht, denn jetzt wird hier ein neuer Superhafen gebaut. Die Einwohnerzahl der Stadt soll sich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln. Die Grundstückspreise schießen wie wild nach oben.“

Helena ist spürbar skeptischer als ihr Präsident: „Ich habe die ganze Dokumentationsarbeit der Briefe und Pokale ehrenamtlich gemacht, und nur aus Liebe zum Verein. Ich bekam nie auch nur einen Centavo dafür. Wir haben hier einen Schatz: die Wiege des Fußballs unseres Landes. Und weder Verband noch Politik interessieren sich dafür. Alles, was es gab, waren Unterstützungsbriefe. Ich habe unseren Verein immerhin als kulturelles Erbe des Landes registrieren lassen können. Aber wir haben immer noch große Probleme: Zum Beispiel müsste man wissen, wie man diese Dokumente richtig lagert. Keiner von uns hat eine museumswissenschaftliche Ausbildung.“

Ihr großer Traum ist es, in Rio Grande ein gut ausgestattetes Museum über den ältesten Fußballverein Brasiliens einzurichten. Und bis dahin zeigt sie die Stücke den Schülern in den örtlichen Schulen oder in Wanderausstellungen auf der Straße. Irgendwie macht sie das Beste aus ihren Möglichkeiten und beweist dabei den alten, unabhängigen Geist der Gaúchos aus der Farroupilha-Revolution. Man ist zwar weit weg vom Zentrum des Landes, aber man hat seinen Stolz und ist immer irgendwie zurechtgekommen, auch und insbesondere gegen den Widerstand der alten Hauptstadt Rio de Janeiro.

Die Familie Lawson ist in Rio Grande geblieben: „32 Jahre lang haben Mitglieder meiner Familie den Präsidenten des Vereins gestellt. Erst mein Großvater, dann mein Vater und jetzt ich. Es ist so etwas wie eine familiäre Verpflichtung.“ Im Gegensatz dazu kümmerte sich Johannes Minnemann vor allem um seine Karriere als Angestellter einer internationalen Spedition. Er kehrte 1912 nach Deutschland zurück und verstarb 1929 in Portugal. Seine Nachfahren leben auf diese drei Länder verstreut. Viele von ihnen haben sich in Sportklubs engagiert. „Kann man also sagen, dass die Deutschen den Brasilianern das Fußballspielen beigebracht haben?“, frage ich zum Abschluss unseres Gesprächs. Statt einer Antwort erhalte ich nur Gelächter.

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