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1958: Der erste WM-Titel

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Aushängeschild dieser neuen Spielweise wurden vor allem zwei Spieler: Garrincha und Pelé. Ersterer spielte 1958 und 1962, Letzterer von 1958 bis 1970 bei gleich vier Weltturnieren. Wenn die beiden gemeinsam auf dem Platz standen, haben sie nie ein Spiel verloren.

Garrincha, eine der großen mythischen Gestalten des Weltfußballs, wurde 1933 als Manoel Francisco dos Santos in Pau Grande, im Hinterland von Rio de Janeiro, geboren. Hauptarbeitgeber in seinem Geburtsort, dessen Name mit „Großer Penis“ übersetzt werden könnte, war eine englische Textilfabrik, in der fast alle Männer des Dorfes arbeiteten. Auch Garrincha unterschrieb dort mit 14 Jahren seinen ersten Arbeitsvertrag und kickte bald in der Betriebself. Dort wurde man auf sein Talent aufmerksam, und so bekam er Arbeitserleichterungen, um seine Kräfte für die Spiele zu schonen. Er wird oft als der unbekümmerte Junge vom Land beschrieben, der seine freie Zeit damit verbrachte, dem Ball oder den Tieren des tropischen Regenwalds nachzujagen. Daher auch sein Spitzname Garrincha: Strohschwanzschlüpfer, ein kleiner, brasilianischer Vogel. Bald fand der junge Fabrikarbeiter aber auch Gefallen an der Jagd auf das andere Geschlecht. Seine Eroberungen wurden legendär.

Garrincha wird gerne mit Curupira, einer Figur der indianischen Mythologie, verglichen. Dieser Pumuckel-ähnliche Waldkobold blickt nach vorne, während seine Füße nach hinten verdreht sind. So kann er unkontrollierbare und unvorhersehbare Haken schlagen. Garrincha wurde mit zwei gegensätzlich verdrehten Säbelbeinen geboren, die jegliche sportliche Betätigung unwahrscheinlich machen. Doch gerade diese O-Beine ermöglichten ihm die unvorhersehbaren Dribblings, die seine Karriere bestimmten und ihn berühmt machten.

Mit 19 Jahren wurde er von dem Verein Botafogo in Rio de Janeiro entdeckt und verpflichtet. Die Legende erzählt, er habe alle seine Verträge blanko unterschrieben und wurde von dem Verein, bei dem er fast seine gesamte Karriere blieb, ausgenutzt. Bei Botafogo traf er auf Spieler wie Didi, Zagallo und vor allem Nilton Santos, das Rückgrat der Nationalmannschaft, die 1958 nach Schweden zur WM fuhr.

Nach den Enttäuschungen bei den Turnieren in Brasilien und der Schweiz wollte Brasilien 1958 unbedingt den Titel gewinnen. Trainer Vicente Feola wurde mit fast unbeschränkten Mitteln und Befugnissen ausgestattet. Ein zwölfköpfiger Trainerstab mit Ärzten, Psychologen und Assistenten wurde ihm zur Seite gestellt. Wie schon 1938 begann die Vorbereitung Monate vor der WM mit einem Trainingslager, diesmal in Poços de Caldas. Ein Gesundheitscheck offenbarte den erschreckenden Gesundheitszustand, in dem sich die Nationalspieler befanden: 470 zu behandelnde Zähne, von denen 32 gezogen werden mussten, Würmer, Parasiten und sogar Syphilis. In dem dazugehörigen Intelligenztest schnitt Garrincha schlecht ab: Mit dem bei ihm ermittelten IQ hätte er in Brasilien nicht einmal Bus fahren dürfen.

Schon zwei Wochen vor dem ersten WM-Spiel kam die Seleção nach Europa, um sich mit Testspielen in Italien vorzubereiten. An dem Mythos Garrincha wurde dann auch in Schweden fleißig weitergestrickt. Zum einen zeugte Garrincha in Schweden einen Sohn namens Ulf, zum anderen wurde er überall als naiv und geistig beschränkt dargestellt. So kursiert die Geschichte, er habe in Schweden ein Radio gekauft. Doch nachdem ihm ein Mitspieler sagte, dass dieses ja nur Schwedisch sprechen würde, habe Garrincha das Radio weggeworfen.

Nebenbei wurde auch noch Fußball gespielt. Für die Partien gegen Österreich (3:0) und England (0:0) wurde Garrincha nicht berücksichtigt. Dafür zeigte er im letzten Vorrundenspiel gegen die Sowjetunion (2:0) sein ganzes Können und wurde zu einem festen Bestandteil der Nationalmannschaft. Brasilien besiegte anschließend Wales (1:0), Frankreich (5:2) und im Finale Schweden (5:2). Der unbekümmerte, naive und verspielte Stil Garrinchas war mitentscheidend für den ersten Titel des Fußballriesen Brasilien. Fortan wollte sich das Land exakt mit jenen Eigenschaften identifizieren, die João Lyra den Brasilianern zuvor negativ zugeschrieben hatte. Man wollte die Curupira des Weltfußballs sein.

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