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1962: Die WM Garrinchas

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Doch der Höhepunkt in Garrinchas Karriere sollte noch folgen – und gleichzeitig seinen Niedergang einleiten. Garrincha war seinerzeit mit seiner Jugendliebe Nair verheiratet, mit der er neun Kinder hatte. 1961 lernte er die berühmte Sambasängerin Elza Soares kennen und begann eine Beziehung mit ihr. Seine erste Ehe wurde geschieden. Just zur selben Zeit stürmte Elza mit dem Titel „Ich bin die Andere“2 die Charts. Zuvor hatte die brasilianische Öffentlichkeit stets den Mantel des Schweigens über frühere Eskapaden gedeckt. Die nun öffentlich zur Schau gestellte Untreue aber war zu viel, und das Paar wurde schwer angegriffen.

Im Vorfeld der WM 1962 beruhigten sich die Dinge. Erneut bereitete der Fußballverband alles akribisch vor. Es wurden sogar chilenische Prostituierte ausgewählt und einem Gesundheitscheck unterworfen, damit sie den Spielern gefahrlos zur Verfügung standen. Das Weltturnier 1962 wurde zum großen Schaulaufen Garrinchas. Er gewann den Titel quasi im Alleingang und erzielte vier Tore. Die Vorrunde überstand Brasilien mit Siegen gegen Mexiko (2:0) und Spanien (2:1) und einem Unentschieden gegen die Tschechoslowakei (0:0). In der K.-o.-Runde besiegte man im Viertelfinale England (3:1) und im Halbfinale Gastgeber Chile (4:2). In diesem Spiel wurde Garrincha wegen eines Revanchefouls, das nur der Linienrichter gesehen hatte, vom Platz gestellt. Für das Finale gegen die Tschechoslowakei wäre er damit eigentlich gesperrt gewesen.


Garrinchas Sohn Ulf (links), Enkel Martin und der Autor dieses Buches bei der WM 2006 in München (Brasilien – Australien).

Zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung befand sich der französische Schiedsrichterassistent jedoch schon wieder zu Hause, und der Schiedsrichter konnte nur wiederholen, dass er das Foul nicht gesehen habe. Die Sperre gegen Garrincha wurde daraufhin aufgehoben. Brasilien konnte das Finale also in Bestbesetzung bestreiten und sicherte sich mit einem ungefährdeten 3:1-Sieg den zweiten WM-Titel. Nach dem Schlusspfiff stürmte Elza Soares in einem grün-gelben Kleid in die Duschen der Umkleidekabine und bedeckte Garrincha inmitten seiner nackten Mitspieler mit Küssen.

Die Weltmeisterschaft 1962 in Chile gilt als die WM Garrinchas. Er befand sich auf seinem Karrierehöhepunkt. Nach der Rückkehr nach Rio de Janeiro spielte er eine brillante Saison in der Stadtmeisterschaft von Rio de Janeiro. Das Finale gegen Flamengo gilt als das beste Spiel seiner Laufbahn und läutete zugleich das Ende seiner Karriere ein. Die krummen Beine belasteten die Knie zu sehr, und er musste operiert werden. Anschließend fand er nie mehr zu alter Form zurück.

Gleichzeitig wuchsen seine Probleme außerhalb des Spielfeldes. Noch heute gilt Garrincha in Brasilien als das Schmuddelkind des Fußballs und wird eher kritisch beurteilt, ja oft sogar in den Bestenlisten vergessen. Mit seiner naiven und unbekümmerten Art verkörpert er die ungebildete und instinktgetriebene Seite Brasiliens, die von Lyra so kritisiert wurde. Seine Frauenaffären, besonders die mit Elza Soares, wurden ihm zum Verhängnis. Nach dem Militärputsch 1964 wurde das Paar vom Geheimdienst beobachtet, später durchsuchte man sogar ihr Haus. 1970 sahen sich beide gezwungen, zwei Jahre in Rom zu verbringen, um dem Rummel zu entfliehen.

Dazu kam Garrinchas Alkoholismus, der ihm quasi in die Wiege gelegt worden war, denn seine Eltern gaben ihren Kindern Schnuller, die mit Honig und Schnaps gefüllt waren. Nach einem von Garrincha verschuldeten Autounfall, bei dem Elzas Mutter starb, fiel er in eine Depression. An Fußballspielen war nicht mehr zu denken. In den frühen 1980er Jahren wurde er mehrfach volltrunken auf der Straße gefunden und verstarb am 20. Januar 1983 nach einer letzten durchzechten Nacht.

Damit verfügte das Leben Garrinchas über sämtliche Elemente, die ihn als exotischen Vertreter des südamerikanischen Fußballs interessant machen. Diese Gratwanderung zwischen Genie und Wahnsinn mag für Europäer attraktiv sein, für Brasilianer ist sie Ausdruck von Unprofessionalität und Unsportlichkeit und wird als primitiv abgelehnt. Garrincha wurde für seine Landsleute zu einem neuen Barbosa. Ein Mann, der vom Ruhm in die Asche gefallen ist.

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