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1954: Disziplinprobleme

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Diese Argumentationslinie wurde auch bei der darauf folgenden WM 1954 in der Schweiz deutlich. Brasilien reiste diesmal ohne große Ambitionen an und stand noch sichtlich unter Schock. Trotzdem wurde die Vorrunde relativ problemlos überstanden. Im Viertelfinale traf man auf den späteren Finalisten Ungarn. Dieses Spiel ging als die Schlacht von Bern in die Geschichte ein. Schon auf dem Feld kam es zu ersten Prügeleien. Nach drei Platzverweisen (zwei für Brasilien, einer für Ungarn) gewann Ungarn mit 4:2. Nach dem Schlusspfiff gingen die Auseinandersetzungen in den Kabinengängen weiter.

Diese Ereignisse analysierte der Unternehmer, Politiker und selbsternannte Soziologe João Lyra Filho in seinem Buch „Einführung in die Soziologie des Sports“. Er stammte aus einer reichen Landbesitzerfamilie im Nordosten Brasiliens und gelangte durch Beziehungen in Schlüsselpositionen des öffentlichen Lebens. Seine Soziologie folgt nicht den unabhängigen Regeln der Wissenschaft, sondern ist ein Manifest, das die Minderwertigkeit des brasilianischen Volks beweisen soll.


Die Verkörperung brasilianischer Fußballkünste: Pelé und Garrincha.

Lyra charakterisiert das brasilianische Volk als unreif, überemotional und undiszipliniert. Das habe man auch anhand der Nationalmannschaft erkennen können, deren Spieler ihre Gefühle nicht im Griff hatten und die deshalb den Ungarn unterlegen gewesen seien. Diese Wesenszüge seien auf die Rassenmischung zurückzuführen. Im Gegensatz dazu hätten die Ungarn ihre europäische Kultur, Kontrolle und Rationalität gezeigt. Lyra ging sogar so weit, den ungarischen Spielern Universitätsdiplome zu unterstellen. Dagegen hätten die ungebildeten Brasilianer natürlich keine Chance gehabt, denn während die Ungarn rational überlegen seien, würden die Brasilianer nur ihrem Instinkt folgen. Lyra selbst sieht sich dabei nicht als Teil des brasilianischen Volkes, sondern als Teil der gebildeten Europäer.

Die 20 Jahre, die der Schlacht von Bern folgten, sollten zu den erfolgreichsten der brasilianischen Fußballgeschichte werden. Von den vier darauffolgenden Weltmeisterschaften gewann man drei und schied nur 1966 in England bereits in der Vorrunde aus. Dabei wurden genau die Eigenschaften, die von Lyra gegeißelt wurden, nun als Stärken interpretiert: Improvisation, spielerisches Instinkthandeln und Emotionen statt kühler Berechnungen.

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