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1938: Exzellente Förderung seitens der Politik

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Der Fußball war für diese Politik exakt das richtige Instrument. Mit der Aufhebung des Amateurstatus kamen immer mehr dunkelhäutige Spieler aus der Unterschicht in die obersten Fußball-Ligen. Diese begannen nach 1934 auch das Bild der Nationalmannschaft zu bestimmen und konnten so die von Vargas gewünschte Einheit des Landes symbolisieren. Für die WM 1938 in Frankreich wurden zudem finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. So konnten die besten Spieler unabhängig von ihrer Herkunft in aller Ruhe aus den verschiedensten Vereinen ausgewählt werden. Die Mannschaft versammelte sich zunächst zu einem intensiven Trainingslager im Wasserkurort Caxambú, der, unweit von Rio und São Paulo gelegen, ein beinahe europäisches Klima aufweist.

Das nächste Ziel war eine frühe Ankunft im WM-Land Frankreich, um auch dort die bestmögliche Vorbereitung zu absolvieren. Es gab Testspiele in Paris und in Straßburg. Am 5. Juni kam es dann zu einem spektakulären Auftaktspiel, das Brasilien mit 6:5 gegen Polen gewann. Im Viertelfinale folgte zunächst ein 1:1 gegen die Tschechoslowakei, ehe der 2:1-Sieg im Entscheidungsspiel zum Einzug ins Halbfinale berechtigte. Die brasilianische Öffentlichkeit jubelte. Man konnte es kaum glauben: Das dunkelhäutige Team aus Brasilien hatte tatsächlich die für so überlegen gehaltenen weißen Europäer geschlagen.

Gilberto Freyre schrieb daraufhin einen Kommentar in einer brasilianischen Tageszeitung, der Berühmtheit erlangen sollte. Er argumentierte, dass die Brasilianer nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer ethnisch gemischten Mannschaft gewonnen hätten. Die Vorzüge der Rassen hätten sich in der Mannschaft addiert. Ihre größte Stärke sei jedoch das individuelle Können, die Spontanität, die künstlerischen Dribblings und der lyrische Tanz, den die afro-brasilianischen Spieler auf dem Platz zelebrierten. Das sei die wahre Charakteristik nicht nur des brasilianischen Fußballs, sondern der brasilianischen Nationalität.

Vargas hatte nun jenes nationale Symbol, das die Einheit des Landes in einer positiven Art und Weise darstellte. Aushängeschild war der farbige Spieler Leônidas, der mit acht Treffern WM-Torschützenkönig wurde. Obwohl Brasilien das Halbfinale mit 1:2 gegen Italien verlor (und anschließend mit einem 4:2 gegen Schweden immerhin den dritten Rang erreichte), wurde die Seleção bei ihrer Rückkehr frenetisch gefeiert. Man hatte einen großen Erfolg errungen und wusste nun, dass der Titel durchaus im Bereich des Möglichen lag.

Damit waren die beiden wichtigsten Argumentationslinien der brasilianischen Diskurse über Fußball geboren, mit denen man die Lage der Nation diskutieren konnte. Die „Institution Null“ konnte als europäische Sportart angesehen werden, die die Überlegenheit der weißen Rasse beweist, oder auch als Ausdruck einer ganz eigenen brasilianischen Identität, die weniger durch die rationalen als vielmehr durch die spielerischen Qualitäten seiner dunkelhäutigen Bevölkerung bestimmt wird. Das Pendel sollte in den nächsten Jahrzehnten mehrfach zwischen den beiden Extremen schwanken, und vor allem Niederlagen sollten eine besondere Bedeutung erfahren. Es scheint beinahe, als seien Enttäuschungen für das kollektive Bewusstsein der erfolgreichsten Fußballnation der Welt wichtiger als Siege.

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