Читать книгу Brasilien - Martin Curi - Страница 36

1970: „Futebol Arte“

Оглавление

1970 konnte Pelé diese Scharte auswetzen, denn in Mexiko zelebrierte nicht nur er, sondern die gesamte brasilianische Nationalmannschaft Fußball in einer Art und Weise, die zu einem seitdem nicht mehr erreichten Ideal wurde.

Der von der Seleção bei der WM 1970 gezeigte Stil gilt in Brasilien als Aushängeschild des „Futebol Arte“, der artistischen Fußballkunst und des schönen Spiels, für das man berühmt ist. Spieler wie Tostão, Rivelino, Jairzinho oder Paulo Cézar Caju stehen für die brasilianische Überlegenheit. Die Seleção gewann sämtliche sechs Turnierspiele und erkämpfte sich dabei ein Torverhältnis von 19:7. Unvergessen eine Szene aus dem Halbfinale, als Pelé den uruguayischen Torwart Mazurkiewicz austrickste. Beide stürmten auf einen langgeschlagenen Ball zu, als Pelé antäuschte, den Ball mitzunehmen, ihn tatsächlich aber ohne Berührung vorbeilaufen ließ. Mazurkiewicz rutschte ins Leere, und Pelé konnte das Leder freistehend vor dem leeren Tor annehmen. Der Winkel war allerdings zu spitz, um ein Tor zu erzielen. In Brasilien nennt man diesen Trick „das Kuhdribbling“.

Beim 4:1-Finalsieg gegen Italien erklommen die Spieler in Gelb und Grün den Olymp des Fußballs. Die heutigen Erzählungen suggerieren, dass sich einige Fußballgenies trafen, die leichtfüßig, instinktiv und ohne große Vorbereitung ihre Kreativität ausleben konnten. Der brasilianische Hüftschwung, den man im Blut haben muss und den man nicht trainieren kann, hatte sich gegen europäische Kraft und Wissenschaft durchgesetzt.

Betrachtet man diesen Diskurs, so überrascht es, dass der brasilianische Fußballverband wie schon bei den vorangegangenen Turnieren einen kompletten Trainerstab anheuerte, der einen detaillierten Vorbereitungsplan entwarf. Kernstück war eine langsame, etappenweise Gewöhnung der Spieler an die mexikanische Höhenluft. In dieser Planung war der Tag des Finales als Höhepunkt der Leistungsfähigkeit vorgesehen.


Nie spielten Brasilien und Pelé schöner als 1970.

Der Plan war 1969 von Professor Lamartine und Nationaltrainer Saldanha ausgearbeitet worden. Beide waren der Meinung, dass die Leistungsminderung in der Höhenluft größtenteils auf psychologische Faktoren zurückzuführen sei. Also ließ man die Spieler in Unkenntnis über die wahren Motive des Trainings. Gegen Ende des Jahres wurde Saldanha, der im Ruf stand, Kommunist zu sein, auf Geheiß der Militärregierung entlassen und Zagallo als neuer Trainer berufen. Laut Professor Lamartine wurde selbst Zagallo in Unkenntnis gelassen.

Interessanterweise veränderten sich die Berichte über die Ereignisse von 1970 im Laufe der Jahre. Dem Sportsoziologen Antonio Jorge Soares zufolge betonten brasilianische Tageszeitungen im Jahr 1970 den wissenschaftlichen Diskurs rund um die Nationalmannschaft. Nach seiner Analyse bezogen sich 1970 62 % der untersuchten Zeitungsartikel auf die wissenschaftliche Vorbereitung und nur 13 % auf die Fußballkunst. In rückblickenden Artikeln im Jahr 1998 hat sich dieses Verhältnis umgedreht: 79 % über Fußballkunst und 4 % über Wissenschaft. Im Jahr 2002 ist der Diskurs zum Thema Wissenschaft schließlich komplett verschwunden.

Brasilien

Подняться наверх