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B.Öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art I.Verfassungsrechtliche Streitigkeit

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3Von den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten sind die verfassungsrechtlichen Streitigkeiten durch Absatz 1 Satz 1 vom Verwaltungsrechtsweg ausgeschlossen. Nach der Recht­spre­chung des BVerwG ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit verfassungsrechtlich, wenn die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlicher Normen den eigentlichen Kern des Rechtsstreits bilden, das streitige Rechtsverhältnis also entscheidend vom Verfassungsrecht geformt ist13. Speziell für Bund-Länder-Streitigkeiten ist maßgeblich, ob der Klageanspruch seine Grundlage im verfassungsrechtlichen Grundverhältnis oder in einem engerem Rechtsverhältnis hat, das durch Normen des einfachen Rechts geprägt ist14, was bei Ansprüchen aus der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 104a Abs. 2 GG der Fall ist15. In Teilen der Rechtsprechung16 und der Literatur wird überwiegend vertreten, dass es auf Grund des Wortlauts („Art“) da­rauf ankomme, dass die Streitigkeit auf Grund verfassungs- und einfachgesetzlicher Rechts­vorschriften in die Kompetenz der Verfassungsgerichte fiele, sofern die Streitigkeit justiziabel ist. Danach wird die doppelte Verfassungsunmittelbarkeit gefordert. Beide Parteien müssen un­mittel­bar am Verfassungsleben beteiligt sein und die Streitigkeit muss sich zugleich auf Rechte und Pflichten beziehen, die sich un­mittel­bar aus der Verfassung ergeben. Demgegenüber fordert Reimer17, in drei Stufen vorzugehen, erst müsse ausgeschlossen werden, dass es sich um eine verfassungsgerichtliche Auseinandersetzung handele. Dann komme es auf das Wesen der un­mittel­bar streitentscheidenden Norm bzw. Anspruchsgrundlage an. Und letztendlich auf den Status der Beteiligten. Mit dieser Auslegung gelangt man zu guten Ergebnissen, wenngleich das BVerfG eher dem Ansatz der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit zuneigt18.

Die Verfassungsgerichte entscheiden nicht nur in – kontradiktorischen – Streitigkeiten, sondern auch in anderen ihnen zugewiesenen Fällen, wie z. B. der Anklage gegen den Bundespräsidenten oder der Richteranklage. Ihre Zuständigkeit ist enumerativ festgelegt, für das BVerfG in § 13 BVerfGG. Daher ist es möglich, dass ein verfassungsrechtlicher Streitfall nicht gerichtlich entschieden werden kann19.

4Im Einzelnen sind danach verfassungsrechtlich z. B. die Organstreitigkeiten (Art. 93 Abs. 1 GG), Streitigkeiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder (Art. 93 Abs. I Nr. 3 GG), wozu auch der Streit um eine Weisung im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 Abs. 3 GG gehört20, andere öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern und zwischen verschiedenen Ländern, soweit sie nicht unter § 50 Abs. 1 Nr. 1 fallen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG; vgl. § 50 Rn. 2), die abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2), die Normenkontrolle auf Vorlage des Gerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG21, sowie die Entscheidung, ob eine entspr. Anwendung des Art. 104a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 GG eine verschuldensunabhängige Haftung der Länder für eine durch Mängel des ihnen obliegenden Vollzuges von un­mittel­bar geltendem Gemeinschaftsrecht begründet22. Allerdings gilt, dass für einen Schadensersatzanspruch des Bundes gegen ein Land wegen fehlerhafter Verteidigungslastenverwaltung der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Denn Bund und Länder haften einander für eine ordnungsgemäße Verwaltung auch ohne das in Art. 104a Abs. 5 Satz 2 GG vorgesehene Ausführungsgesetz in dem Umfang, hinter dem auch das Ausführungsgesetz nicht zurückbleiben könnte23. Verfassungsrechtlich sind ferner die Entscheidung nach Art. 126 GG, ob Recht als Bundesrecht fortgilt24, die Frage, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist, ob sie Rechte und Pflichten erzeugt (Art. 100 Abs. 2 GG). Über die Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 Satz 2 GG) entscheiden die Verfassungsgerichte, ebenso über die Verfassungswidrigkeit von Parteien (Art. 21 Abs. 2 GG), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (Art. 61 GG) oder die Richteranklage (Art. 98 Abs. 2, 5 GG). Verfassungsrechtlich sind Anträge auf Änderung des zugelassenen Verfahrens eines Volksbegehrens25. Verfassungsrechtlich sind auch parlamentarische Wahlprüfungssachen des Bundes (Art. 41 GG mit WahlprüfungsG) und der Länder26, nicht dagegen Entscheidungen über Einwendungen gegen die Gültigkeit von Kommunalwahlen, da insoweit nach den jeweiligen Kommunalwahlgesetzen oder -ordnungen der Länder der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist27. Verfassungsrechtlich ist der Streit um die Einsetzung und den Untersuchungsauftrag eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses28, ebenso der Streit zwischen Minderheit und Untersuchungsausschuss über Maßnahmen zur Durchführung der Be­weis­er­he­bung29 oder zwischen Bürgerschaft und Se­nat über das Recht und die Pflicht zur Vorlage von Akten30, nicht verfassungsrechtlich sind dagegen, soweit sie nicht in einigen Ländern den Verfassungsgerichten besonders zugewiesen sind, Streitigkeiten über Maßnahmen und Anordnungen des Ausschusses, wie etwa Beweiserhebungen31 (vgl. Rn. 10).

4aBesonders zugewiesen ist dem BVerfG die Entscheidung über Verfassungsbeschwerden32. Entsprechende Zuständigkeitskataloge bestehen in den Landesverfassungen oder Gesetzen über die Staats- oder Verfassungsgerichtshöfe33. Die Zuweisung an die Verfassungsgerichte erfasst das gesamte Prozessrechtsverhältnis; zu Recht hat deshalb Mannheim34 den Verwaltungsrechtsweg für eine Klage auf Einsichtnahme in die Akten des BVerfG verneint. Der Verwaltungsrechtsweg ist auch dann gegeben, wenn es für die Entscheidung auf die Gültigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm ein­schließ­lich ihrer Verfassungsmäßigkeit ankommt35. Desgleichen, wenn der Rechtsstreit zwischen Bund und Ländern (Finanzverwaltung) von den föderalen Beziehungen zwischen ihnen geprägt ist; der Annahme eines Verwaltungsrechtsstreits steht nicht entgegen, dass auch verfassungsrechtliche Fragen geklärt werden müssen36. Die der Vorbereitung verfassungsrechtlichen Handelns dienenden Tätigkeiten sind jedoch nicht den verfassungsrechtlichen Streitigkeiten zuzurechnen37. Nicht verfassungsrechtlich sind auch Klagen auf Annahme und Bescheidung einer Petition38, sowie der Auskunftsanspruch des Datenschutzbeauftragten gegenüber einem Ministerium39.

5Der Streit über kommunale Neugliederungen oder Gebietsreformen kann, soweit diese als Gesetz ergehen, nur als verfassungsrechtliche Streitigkeit ausgetragen werden40. Das gilt auch für die Anhörung der betroffenen Gemeinden im Gesetzgebungsverfahren des Neugliederungsgesetzes41. Wird jedoch die Neugliederung nicht durch Gesetz, sondern durch Rechtsverordnung vorgenommen, kann, soweit das Normenkontrollverfahren nach § 47 eingeführt ist, der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein42. Nichtverfassungsrechtlicher Art sind dagegen Streitigkeiten über die Anwendung der Vorschriften über die Wahlkampfkostenerstattung nach §§ 18 ff. ParteienG und den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften43.

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