Читать книгу Verwaltungsgerichtsordnung - Martin Redeker - Страница 121
C.Abgrenzung des Verwaltungsrechtswegs zu den Zuständigkeiten anderer Gerichte I.Allgemein
Оглавление37Für die Abgrenzung der Zuständigkeit der Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Zuständigkeit der Gerichte anderer Gerichtszweige oder besonderer Gerichte sind nicht nur die allgemeinen Bestimmungen über den Rechtsweg von Bedeutung. § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 sieht auch die Zuweisung von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, für die grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg offen stehen würde, an andere Gerichte vor. Durch die Zuweisung an ein anderes Gericht wird der Verwaltungsrechtsweg ausgeschlossen. Die Zuweisung kann nur durch Gesetz330 erfolgen, und zwar durch Bundesgesetz, das auch ein vorkonstitutionelles sein kann331, für Gebiete des Landesrechts auch durch Landesgesetz, wobei dieses nur ein der VwGO nachfolgendes oder ein in den AGVwGO ausdrücklich aufrechterhaltenes Gesetz sein kann332. Damit können Zuständigkeiten anderer Gerichte für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten weder kraft Überlieferung333 noch kraft Sachzusammenhangs334 begründet werden. Auch durch eine kirchenrechtliche Regelung kann die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nicht ausgeschlossen werden335. Zur Zulässigkeit von Schiedsvereinbarungen vgl. Rn. 79.
37a§ 40 eröffnet den Rechtsweg gegenüber der deutschen öffentlichen Gewalt. Die in zwischenstaatlichen Verträgen vorgenommene Übertragung von Hoheitsrechten auf internationale Organisationen und die darauf beruhenden Zuweisungen von Streitigkeiten an bestimmte Gerichte336 schließt den Verwaltungsrechtsweg ebenso aus wie die Freistellung internationaler Organisationen von nationaler Gerichtsbarkeit. Bei dieser Freistellung müssen jedoch angemessene andere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen, um die durch Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten Rechte zu schützen337. Die für diplomatische und konsularische Missionen sowie für Staatsbesuche bestehende Exterritorialität ist in §§ 18–20 GVG geregelt. Der Schutz der Immunität hindert den ausländischen Diplomaten jedoch nicht, seinerseits Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten in Anspruch zu nehmen338.
38Soweit in Verordnungen der EU zur Wirtschaftslenkung vor allem im Arzneimittel-, Chemikalien- und Gentechnikrecht für den Vollzug ein gespaltenes Verfahren in der Weise eingerichtet ist, dass „glatte“ Entscheidungen über die Zulassung von der nationalen Behörde getroffen werden, während bei Zweifeln, Bemerkungen, Widersprüchen und Einwendungen die Behörden der EU selbst entscheiden339, gilt dies auch für den Rechtsschutz. Für die Anfechtung der Entscheidung einer deutschen Behörde ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, während Rechtsschutz gegen Entscheidungen der EU-Behörden vor dem EuGH begehrt werden muss.
39Der Verwaltungsrechtsweg wird nur durch eine Zuweisung ausgeschlossen, die an ein anderes Gericht erfolgt. Als Gericht kann die zur Entscheidung berufene Stelle nur angesehen werden, wenn sie unter staatlicher Mitwirkung organisatorisch selbständig errichtet und nur dem Gesetz unterworfen ist, d. h. keinerlei Weisungen von anderer Seite erhalten darf; wenn ihre Mitglieder auf Lebenszeit oder auf Zeit bestellt und vorher unabsetzbar sind; wenn das Verfahren gerichtsüblich geregelt ist, insbesondere Öffentlichkeit, mündliche Verhandlung und Gewährung des rechtlichen Gehörs garantiert sind340. Bei den Gerichten der weiteren in Art. 95 GG genannten Gerichtsbarkeiten ist die Eigenschaft als Gericht ebenso unzweifelhaft wie bei den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. § 1 Rn. 2). Dagegen kann bei sonstigen Zuweisungen fraglich sein, ob sie an ein Gericht erfolgten; fehlt der entscheidenden Stelle die Gerichtseigenschaft, ist die Zuweisung unwirksam und die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte bleibt unberührt (Rn. 2). Zur abdrängenden Sonderzuweisung in § 40 Abs. 1 Satz 2 vgl. BVerfG NVwZ 2010, 1482341.
40§ 40 Abs. 2 enthält insgesamt sechs spezielle Zuweisungen:
– Satz 1 erste Variante, vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl, zivilrechtliche Streitigkeit (Rn. 45);
– Satz 1 zweite Variante, vermögensrechtliche Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung, zivilrechtliche Streitigkeit (Rn. 44);
– Satz 1 dritte Variante, Schadensersatzanspruch aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, sofern nicht auf öffentlich-rechtlichem Vertrag beruhend, zivilrechtliche Streitigkeit (Rn. 43);
– Satz 1 vierte Variante (im 2. Halbsatz), Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, verwaltungsrechtliche Streitigkeit (Rn. 45);
– Satz 2 erste Variante, Beamtenrecht als Sonderzuweisung, verwaltungsrechtliche Streitigkeit (Rn. 29 ff.);
– Satz 2 zweite Variante, Ausgleich Vermögensnachteile wegen Rücknahme rechtswidriger VA je nach Fallkonstellation beide Rechtswege möglich (Rn. 45a).
Gleichwohl ist die Frage der Rechtswegzuständigkeit bei Ersatzansprüchen des Bürgers gegen den Staat (außerhalb von öffentlich-rechtlichen Verträgen) unbefriedigend gelöst. Denn auf Grund des bestehenden Sachzusammenhangs mit Erfüllungs- und Amtshaftungsansprüchen gibt es immer wieder Abgrenzungsprobleme342. Da der Rechtsweg sich danach bestimmt, auf welchen materiell-rechtlichen Klagegrund der prozessuale Anspruch gestützt wird, ist zu erwarten, dass die Schwierigkeiten sich noch verstärken werden. Die immer weiter voranschreitende Privatisierung des Verwaltungshandelns führt auch im Verwaltungsrechtsschutz zu Konsequenzen343.