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II.Zivilgerichte

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41Die Rechtswegregelung für die Zivilgerichtsbarkeit enthält § 13 GVG. Danach sind die Zivilgerichte zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, soweit sie nicht durch Gesetz ausdrücklich den Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten zugewiesen sind. Die Abgrenzung zwischen Verwaltungs- und Zivilrechtsweg basiert also im Grundsatz auf der Unterscheidung zwischen öffentlichem und bürgerlichem Recht344. Kraft Zuweisung entscheiden die Zivilgerichte in einer ganzen Reihe von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten345. In der folgenden Darstellung wird auf eine Beschreibung des von den Zivilgerichten im Einzelfall anzuwendenden Verfahrens sowie der Gerichtsorganisation verzichtet; da es nur auf den Ausschluss des Verwaltungsrechtsweges durch die Zuweisung ankommt, braucht nicht untersucht zu werden, ob die Zivilgerichte in einigen Zuweisungsfällen wegen der Ausgestaltung des Verfahrens als besondere Verwaltungsgerichte anzusehen sind.

Zugewiesen sind u. A. folgende öffentlich-rechtliche Streitigkeiten:

1.Amtshaftung, Schadensersatz, Verwahrung

42Amtshaftungsansprüche nach Art. 34 Satz 3 GG mit § 839 BGB346. Die Klage kann nur auf Schadensersatz in Geld gerichtet sein347 und darf nicht die Aufhebung, Vornahme oder Unterlassung des in der schädigenden Amtshandlung liegenden VA im Wege der Naturalrestitution bezwecken348. Dabei höhlt der BGH in seiner Recht­spre­chung349 gefährlich das Verbot des „Dulde und Liquidiere“ aus350 und formt in der Amtshaftung eine Art Sekundärrechtsschutz aus, indem im Amtshaftungsprozess einfach die hypothetische Entscheidung des Primärrechtsschutzes konkret unterstellt wird. Angenommen wird dies in Fällen, in denen der Primärrechtsschutz „nichts bringe“, da er den Schaden nicht abzumildern in der Lage sei. Diese Entscheidung hat zu Recht scharfe Kritik erfahren351, weil sie die Zivilgerichtsbarkeit zu einer Art Superrevisionsinstanz macht, die weit reichende Bedeutung von § 839 BGB verkennt und den Anspruch der Fachgerichtsbarkeit, Sachverhalte aus dem Fachrecht selbst zu entscheiden, leer laufen lässt. Wieder einmal erweist sich die nur noch als historischer Zopf zu erklärende Aufspaltung, welche Fälle in welcher Gerichtsbarkeit geklärt werden, als misslich; allenfalls gemischtbesetzte Gerichte, wie etwa die Baulandkammern oder -se­na­te nach §§ 220, 229 BauGB, lösen das Problem befriedigend. Nicht ohne Grund mahnt das BVerfG die Einheitlichkeit der Zuweisung an einen Gerichtszweig als Teil effektiven Rechtsschutzes an352. Die Zivilgerichte entscheiden auch über den Rückgriffsanspruch des Staates oder der Körperschaft353, während für den Befreiungsanspruch des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn die Verwaltungsgerichte zuständig sind354. Zum Schadensersatzanspruch des Dienstherrn gegen den Beamten nach § 78 Abs. 1 BBG vgl. Rn. 29, zur Inzidententscheidung und Bindung der Zivilgerichte an die verwaltungsgerichtliche oder Verwaltungsentscheidung Rn. 36.

43Sonstige Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3). Außer den Schadensersatzansprüchen gegen den Beamten nach § 839 BGB zählen hierzu z. B. Ansprüche gegen den Vormund nach § 1833 BGB, gegen den Insolvenzverwalter nach § 60 InsO, gegen den Notar nach § 19 BNotO. Das BVerwG355 hat die Zuweisung sinngemäß auch auf Ansprüche aus Gefährdungshaftung der öffentlichen Hand angewandt. Ausgenommen von der Zuweisung an die Zivilgerichte sind Schadensersatzansprüche aus der Verletzung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages (Absatz 2 Satz 1; vgl. dazu Rn. 15), und zwar unabhängig davon, ob ein Zusammenhang mit einem Amtshaftungsanspruch besteht356; der Verwaltungsrechtsweg ist hier für die Klage gegen die öffentliche Hand ebenso wie für die Klage des Staates gegen den Bürger gegeben357.

44Vermögensrechtliche Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2). Ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis kann entstehen, wenn eine Behörde Gegenstände Dritter im Wege der Sicherstellung nach ordnungsrechtlichen Vorschriften oder einer Pfändung im Verwaltungsvollstreckungsverfahren in Besitz nimmt; kein Fall der Verwahrung, wenn nicht bestimmte Geldscheine aufbewahrt, sondern der Geldbetrag gutgeschrieben und später ausbezahlt werden soll358, auch nicht bei Versiegelung eines ohne Genehmigung errichteten Baues, solange Eigentümer noch Zutritt hat359. Die Zuweisung betrifft nur die Ansprüche des Bürgers gegen den Staat, nicht die des Staates gegen den Bürger360. Ob der Staat die Obhut selbst ausübt oder auf einen Dritten überträgt, ist unbeachtlich361. Die aus dem Verwahrungsverhältnis entstehenden Ansprüche auf Rückgabe, Schadensersatz oder Aufwendungsersatz werden von der Zuweisung erfasst362. Der Rückgabeanspruch aus dem Verwahrungsverhältnis schließt einen Folgenbeseitigungsanspruch, für den der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, nicht aus363.

2.Entschädigungsansprüche

45Bei einer Reihe von öffentlich-rechtlichen Entschädigungsansprüchen ist eine Zuweisung hinsichtlich der Zahlung der Entschädigung an die Zivilgerichte erfolgt, während für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme, die den Anspruch auf Entschädigung auslöst, die Verwaltungsgerichte zuständig bleiben364. Seit der Nassauskiesungsentscheidung des BVerfG365 ist das „Dulde und Liquidiere“ nicht mehr zulässig. D. h., dass der von einer Maßnahme belastete Eigentümer gegen die Maßnahme selbst Rechtsmittel einlegen muss und sich nicht – nach Bestandskraft – auf einen Entschädigungsanspruch zurückziehen darf. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 2.3.1999366 als Auswirkung dessen problematisiert, dass der Eigentümer bei der Entscheidung, ob er gegen den Eigentumsbeschränkungsakt vorgehen will oder nicht, diese Entscheidung nur dann sinnvoll treffen könne, wenn er wisse, ob ihm ein Entschädigungsanspruch zustehe. Es könne dem Eigentümer nicht zugemutet werden, einen VA, den er für unvereinbar mit der Eigentumsgarantie des GG halte, in einer unsicheren Erwartung eines nachträglich in einem anderen Verfahren zu bewilligenden Ausgleiches bestandskräftig werden zu lassen. Schließlich müssten auch die Verwaltungsgerichte wissen, ob und in welcher Weise bei in Eigen­tums­po­si­ti­on­en eingreifenden VA eine anderenfalls zumutbare Belastung ausgeglichen werde. Daraus folgert das BVerfG, dass der Gesetzgeber die materiell-rechtlichen Ausgleichsregelungen durch verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschriften zu ergänzen habe, die sicherstellten, dass mit einem die Eigentumsbeschränkung aktualisierenden VA zugleich über einen dem belasteten Eigentümer ggf. zu gewährenden Ausgleich entschieden wird. Diese Entscheidung hat den Bundesrat veranlasst, „bei nächster Gelegenheit“ – das war das RmBereinVpG – eine entsprechende Ergänzung der VwGO vorzunehmen367. So ist § 40 Abs. 2 in Satz 1 um den Halbsatz ergänzt worden, dass für Ausgleichsansprüche aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung bei Enteignung und Sozialisierung sind nach Art. 14 Abs. 3 Satz 4, Art. 15 GG den Zivilgerichten zugewiesen368. Zum Begriff der Enteignung vgl. BGHZ 121, 73; insgesamt Engelhardt NVwZ 1994, 337. Neben der zur Entschädigung führenden Enteignung sind nach den von der Recht­spre­chung entwickelten Grundsätzen auch Entschädigungen zu leisten für einen über die Sozialbindung des Eigentümers hinausgehenden Eingriff in das Eigentum (enteignender Eingriff)369, sowie für rechtswidrige hoheitliche Eingriffe in das Eigentum (enteignungsgleicher Eingriff)370. Beide Möglichkeiten werden als gewohnheitsmäßig geltende Institute des einfachen Rechts angesehen371. Dem von einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in sein Eigentum Betroffenen steht jedoch kein Wahlrecht zu, ob er sich gegen diesen Eingriff wehren oder nur eine Entschädigung einklagen will372. Wenn der Grund mit einer Anfechtung der auslösenden Maßnahme im Streit ist, ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben373. Nach § 12 EnteignungsGMV ist für die Anfechtung von VA der Enteignungsbehörden der Rechtsweg zu den Zivilgerichten (Baulandkammern) gegeben (vgl. auch Rn. 49). Zur Inzidententscheidung der Zivilgerichte über die Voraussetzungen der Enteignung vgl. BGHZ 15, 270; zum enteignungsgleichen Eingriff BGHZ 9, 206. Das BVerwG legt Art. 14 Abs. 3 GG nicht im Sinne einer weiteren Aufspaltung der ohnehin durch diese Vorschrift bewirkten unglücklichen „Doppelgleisigkeit“ des Rechtsweges aus374; es hat daher auch für die Erstattung von Anwaltskosten, die in dem die Enteignungsentschädigung betreffenden Verwaltungsverfahren entstanden sind, den Zivilrechtsweg bejaht375. Die vermögensrechtlichen Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl376 hat § 40 Abs. 2 Satz 1 den Zivilgerichten zugewiesen; das gilt jedoch nicht, soweit ein Aufopferungsanspruch eine gesetzliche Regelung gefunden hat, die auf einen anderen Rechtsweg verweist (z. B. BundesversorgungsG vgl. Rn. 63). Zur Vereinbarung des Verwaltungsrechtsweges in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag vgl. Rn. 11.

45aAn die Regelung bei der Enteignungsentschädigung ist § 49 Abs. 6 VwVfG angeglichen, der für den Vertrauensschaden beim Widerruf eines rechtmäßigen VA den Zivilrechtsweg als Sonderzuweisung vorsieht377. Dagegen ist, sofern nicht eine Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs in Betracht kommt, für eine zu erstattende Leis­tung § 49a Abs. 1 VwVfG oder für den Ausgleich eines Vermögensnachteils bei der Rücknahme eines rechtswidrigen VA der Verwaltungsrechtsweg gegeben378. Das BVerwG hat mit überzeugender Begründung für Ausgleichsansprüche nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG oder vergleichbare Vorschriften, wie § 17 Abs. 4 Satz 2 FStrG a. F., den Verwaltungsrechtsweg bejaht379.

45bFür Streitigkeiten über VA der Vermögensämter ist nach § 37 Abs. 1 VermögensG (Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen – VermG) der Verwaltungsrechtsweg gegeben; zwar nennt diese Vorschrift das Verwaltungsgericht nicht ausdrücklich, sondern spricht nur vom Antrag an das Gericht. Doch ist aus § 37 Abs. 2 VermG, der für die Rechtsmittel auf die VwGO verweist, und aus weiteren Vorschriften, die die Anfechtungsklage erwähnen (§ 6a Abs. 2 Satz 3 VermG) zu schließen, dass die Zuweisung an einen anderen Rechtsweg nicht erfolgt ist380. Die Vermögensämter entscheiden durch VA nicht nur über die Rückübertragung von Vermögenswerten oder die Aufhebung der staatlichen Verwaltung, sondern auch über die in § 6 VermG eingeräumte Möglichkeit sowie über die vorläufige Besitzeinweisung nach § 6a VermG und über Entflechtungen nach § 6b VermG. Der Verwaltungsrechtsweg ist auch eröffnet für die Streitigkeiten nach dem VermögenszuordnungsG (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VZOG). Im InvestitionsvorrangG (§ 23 Abs. 1 InVorG) sind Streitigkeiten aus dem investiven Vertrag und über den Anspruch des Berechtigten auf den Gegenwert des Vermögensgegenstandes (§ 16 InVorG), soweit nicht durch Bescheid entschieden wird, den Zivilgerichten zugewiesen, im Übrigen ist auch hier der Verwaltungsrechtsweg gegeben381. Auch bei der Entziehung der Verwaltungsbefugnis über Vermögen und der Anordnung der treuhänderischen Verwaltung nach § 20b DDR-ParteienG ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben382.

45cBei Streitigkeiten, die nicht von § 37 Abs. 1 VermG erfasst sind, muss im Einzelfall geprüft werden, inwieweit sie Rechtsbeziehungen betreffen, die öffentlich-rechtlicher (vgl. Rn. 6) oder zivilrechtlicher Natur sind383. Ansprüche, die sich auf die Unwirksamkeit von besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Enteignungen stützen, können vor den Zivilgerichten nicht geltend ­gemacht werden384; auch neben dem durch §§ 1, 3 VermG begründeten Restitutionsanspruch hat der BGH einen zivilrechtlichen Eigentumsherausgabeanspruch nur dann bejaht, wenn dieser auf einem Rechtsverhältnis beruhen kann, das auf einem nicht vom VermG erfassten Lebenssachverhalt beruht385.

46Die Zivilgerichte entscheiden über Entschädigungsansprüche nach §§ 58 f. BundesleistungsG, § 59 LandbeschaffungsG, § 25 SchutzbereichsG, und nach § 9 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen v 20.4.1961 (BGBl. I S. 444). Das Gleiche gilt für die sog. Stationierungsschäden oder nach § 24 WertausgleichsG für Entscheidungen, die die Festsetzung des Ausgleichs und der Sicherheitsleistung betreffen, während für alle übrigen Streitigkeiten aus diesem Gesetz der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (§ 23 WertausgleichsG).

47Die Zivilgerichte entscheiden über Entschädigungsansprüche wegen rechtmäßiger Inanspruchnahme als Nichtstörer auf Grund von landesrechtlichen Zuweisungen im Polizei- und Ordnungsrecht386. Das Gleiche gilt für Ansprüche auf Schadensausgleich gegen die Bundesrepublik nach dem BundesgrenzschutzG. Wird im Gewerberecht eine gewerbliche Anlage wegen überwiegender Nachteile und Gefahren für das Gemeinwohl untersagt (§ 51 Abs. 1 GewO), entscheiden über den Entschädigungsanspruch die Zivilgerichte, ebenso nach dem BBergG (§ 144), bei Widerruf der Genehmigung nach § 21 Abs. 6 BImSchG, bei Ausgleichsansprüchen nach § 24 Abs. 2 BBodenschutzG387 und für Eingriffe auf Grund des WHG und der wasserrechtl. Vorschriften der Länder.

48Das InfektionsschutzG enthält in §§ 56 ff. eine Fülle von spezialgesetzlichen Verweisungen hinsichtlich des Rechtsweges bei Entschädigungsleistungen388. Über Entschädigungsansprüche nach dem TiergesundheitsG (§ 15) entscheiden die Verwaltungsgerichte (§ 22 Abs. 5). Für Streitigkeiten über Entschädigungsansprüche nach dem PflanzenschutzG (§ 54 Abs. 4) sind dagegen die Zivilgerichte zuständig.

3.Einheitliche Zuweisungen

49Im Gegensatz zu den in Rn. 42 ff. aufgeführten Zuweisungen, die zu einem gespalteten Rechtsweg führen (vgl. Rn. 45), sehen andere Gesetze die alleinige Zuständigkeit der Zivilgerichte vor. Das BauGB weist in § 217 Abs. 1 Rechtsstreitigkeiten wegen aller VA, die in einem Umlegungs-, Grenzregelungs-, Enteignungs- oder Härteausgleichsverfahren ergehen sowie für alle im BauGB sonst noch vorgesehenen VA, die eine Entschädigungsregelung enthalten müssen, den Zivilgerichten, und zwar den Kammern (Senaten) für Baulandsachen zu389, die jedoch jeweils um einen Verwaltungsrichter ergänzt werden. Die Zuweisung ist nach dem Enumerationsprinzip erfolgt, so dass es für alle nicht in § 217 Abs. 1 BauGB aufgeführten VA beim Verwaltungsrechtsweg verbleibt390. Zugewiesen ist auch die Streitentscheidung beim preislimitierenden Vorkaufsrecht (§ 28 Abs. 3 BauGB). Durch § 217 Abs. 1 Satz 3 BauGB ist klargestellt, dass die Rechtswegzuweisung auch für Verpflichtungs-, Leistungs- und Feststellungsklagen gilt. § 232 BauGB ermächtigt die Länder, durch Gesetz den Baulandgerichten auf Landesrecht beruhende oder nach Landesrecht vorgenommene Enteignungs- und Entschädigungsverfahren, ein­schließ­lich enteignungsgleicher Eingriffe, zuzuweisen. § 9 Abs. 3 VerkehrswegeplanungsbeschleunigungsG, der Enteignungsentscheidungen grundsätzlich dem BauGB (Baulandkammern) unterwirft391, enthält den Zusatz „soweit keine landesrechtlichen Regelungen bestehen“. Damit kann, sofern das Landesrecht dies bestimmt, für Enteignungsverfahren auch der Verwaltungsrechtsweg gegeben sein. Bautzen392 hat den Zivilrechtsweg auch bei vorzeitigen Besitzeinweisungen auf Grund von § 11 Abs. 2 EnWG in Verbindung mit dem Einigungsvertrag bejaht.

50Den Zivilgerichten ist die Streitentscheidung über Ansprüche nach dem BundesentschädigungsG und dem BundesrückerstattungsG zugewiesen393, ebenso die Entscheidungen nach §§ 54 ff. Allgemeines KriegsfolgenG. Die Zivilgerichte entscheiden nach §§ 63 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen über die Anfechtung von VA auf dem Gebiet des Kartellrechts394, und nach § 116 im sofortigen Beschwerdeverfahren gegen Beschlüsse der Vergabekammern, wenn es um öffentliche Auftragsvergaben oberhalb des festgelegten Schwellenwertes geht. Unterhalb des Schwellenwertes ist ebenfalls der Zivilrechtsweg eröffnet395. weil sich der Staat in diesem Bereich regelmäßig privatrechtlich betätigt. Wenn der wesentliche und prägende Regelungsgegenstand des Vertrages, der im Ergebnis der Ausschreibung geschlossen wird, im öffentlichen Recht verwurzelt ist, soll es sich aber um eine öffentlich rechtliche Streitigkeit handeln396. Für Streitigkeiten aus der Vergabe einer Konzession i. S. v. § 105 GWB ist hingegen der Verwaltungsrechtsweg eröffnet397. Ebenso nach dem GebrauchsmusterG (§ 27) und nach §§ 66, 133 Abs. 2 MarkenG in allen Rechtsfragen des Markenwesens398. Nach § 38 SortenschutzG sind die Zivilgerichte auch für Sortenschutzstreitsachen zuständig; über VA in Landwirtschaftssachen nach dem GrundstücksverkehrsG und dem LandpachtverkehrsG entscheiden ebenfalls die Zivilgerichte (Landwirtschaftsgericht, vgl. § 1 Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen), gleichfalls über VA der Standesbeamten nach § 50 PersonenstandsG.

51Die Zivilgerichte sind in Notarsachen nicht nur Berufsgerichte für die Notare, sondern entscheiden auch über die nach der Bundesnotarordnung ergangenen VA (§ 111 BNotO); dazu zählen z. B. die Entscheidungen der Landesjustizverwaltung über die Ernennung zum Notarassessor, die Bestellung zum Notar, die Nebentätigkeit, die Zuweisung des Amtssitzes oder die Amts­ent­he­bung399. Auch in Rechtsanwaltssachen sind die Zivilgerichte (Anwaltsgerichtshof) Berufsgerichte400. Auch hier ist ihnen die Entscheidung über VA der Landesjustizverwaltung im Vollzug der Bundesrechtsanwaltsordnung zugewiesen worden, auch über die Nichtigkeit von Wahlen und Beschlüssen des Vorstandes, des Präsidiums oder der Versammlung der Rechtsanwaltskammer und des Präsidiums oder der Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (vgl. § 223 BRAO; für Zulassungssachen § 37 BRAO). BVerwG401 hat auch Verwaltungsrechtsweg für Klage gegen „Vortrittslisten“ einer Rechtsanwaltkammer verneint.

4.Post- und Telekommunikationswesen

52Ebenso wie im Multimediabereich werden die Rahmenbedingungen der privatrechtlichen Benutzungsverhältnisse grundsätzlich durch VA festgelegt. Zuständige Behörde ist auf Bundesebene die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (§ 66 TKG; § 44 PostG), die in besonderen Fällen ihre Befugnisse auf einen beliehenen Unternehmer übertragen kann. Nach dem Mediendienste-Staatsvertrag ist in den Ländern zuständige Behörde die nach Landesrecht bestimmte Aufsichtsbehörde. Die Regulierungsbehörde regelt durch VA insbesondere die Erteilung und den Widerruf von Lizenzen (§§ 8, 15 TKG; §§ 6, 9 PostG), den Widerspruch gegen allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 23 TKG), die Auferlegung von Universaldienstleistungen (§ 19 TKG; § 13 PostG), die Entgeltgenehmigung (§ 27 TKG; § 22 PostG), die Zulassung von Sendeanlagen (§ 64 TKG), die Genehmigung von Zertifizierungsstellen nach § 4 SignaturG402 oder den Erlass von Gebührenbescheiden. Der Vertrag zwischen einem Schienennetzbetreiber und einem Lizenznehmer nach § 69 Abs. 1 TKG über die Kostenlast der Verlegung, Änderung etc. von Telekommunikationslinien anlässlich einer Ausbaumaßnahme ist öffentlich-rechtlicher Natur403. Als Aufsichtsbehörde überwacht die Regulierungsbehörde die Einhaltung der Gesetze (§ 71 TKG; § 32 PostG), wobei ihr bei einem Verstoß unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung stehen (vgl. § 72 TKG; § 45 PostG). Nach dem Mediendienste-Staatsvertrag (§ 18) übt die nach Landesrecht bestimmte Behörde die Aufsicht aus. Im Einzelnen vgl. die in Rn. 25 angegebene Literatur.

5.Freiheitsentzug

53§ 3 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehung vom 29.6.1956 (BGBl. I S. 599) weist die Anordnung der Freiheitsentziehung den Zivilgerichten zu404; entsprechende Regelungen enthalten die Ländergesetze über die Unterbringung für Behinderte- und Suchtkranke. Die Gesetze über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren enthalten für die Anordnung der Ersatzzwangshaft oder der Erzwingungshaft, die entsprechend Art. 104 Abs. 2 GG vom Richter vorgenommen werden muss, z. T. auch Zuweisungen an die ­Zivilgerichte405. Das VwVG des Bundes belässt es in § 16 Abs. 1 bei der Zuständigkeit des VG; vgl. auch § 169 Rn. 10. Fehlt bei Fragen der Ingewahrsahmsnahme eine landesrechtliche Rechtswegzuweisung für eine Fortsetzungsfeststellungsklage, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet406.

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