Читать книгу Verwaltungsgerichtsordnung - Martin Redeker - Страница 152
III.Einzelfälle zur Klagebefugnis
Оглавление1.Akteneinsicht
59Hiermit ist nicht die in §§ 99 f. geregelte Akteneinsicht in Prozessakten gemeint. Das Recht auf Einsichtnahme in die VA durch Beteiligte ist in § 29 VwVfG spezialgesetzlich geregelt200. Unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift hat der am Verwaltungsverfahren Beteiligte (§ 13 VwVfG) einen Anspruch auf Einsichtnahme in die das Verfahren betreffenden Akten der Verwaltung201. Soweit besondere Vorschriften für die Akteneinsicht in anderen Gesetzen bestehen (z. B. § 90c BBG, § 29 Abs. 7 SoldG, § 36 Abs. 6 ZivildienstG, §§ 13 Abs. 3 – Betroffene –, 19 – öffentliche Stellen –, 32 – Forschung – StasiUnterlagenG), gehen diese dem VwVfG vor202. Zur Akteneinsicht im Massenverfahren vgl. § 29 Abs. 1 Satz 3 VwVfG. Vielmehr geht es hier um die Konstellation, dass ein Dritter in Akten der Behörde einsehen möchte, ohne dass er im engeren Sinne eine Rechtsverletzung aus § 42 Abs. 2 geltend machen kann.
60Hierzu sind Spezialgesetze erlassen worden, die dem Bürger ein subjektives Recht einräumen:
Nach dem UmweltinformationsG besteht grundsätzlich ein umfassender Anspruch auf Akteneinsicht203, der beschränkt ist nur insoweit, als es sich um personenbezogene Daten sowie um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse204 oder um Beratungen im verwaltungsbehördlichen Verfahren205 oder um vertrauliche Beratungen handelt206; die den Beratungen zugrunde liegenden Sachinformationen unterliegen jedoch dem Anspruch auf Akteneinsicht207. Der Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen kann auch dem Ortsverband einer politischen Partei zustehen208. Die Entscheidung über die Gewährung von Informationen ist VA209. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO betreffen, erfasst nicht Streitigkeiten um Ansprüche auf Auskunft über planfeststellungspflichtige Vorhaben, die auf das Umweltinformationsgesetz gestützt sind210.
61Nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes211 und der Länder („Transparenzgesetze“) besteht ein Rechtsanspruch auf Akteneinsicht für jedermann unabhängig davon, ob eine eigene Betroffenheit vorliegt212. Die Entscheidung, ob Informationszugang in der vom Bürger gewünschten Form gewährt wird, ist VA und mit entsprechenden allgemeinen Rechtsmitteln einklagbar. Die Entwürfe der Behörde sind vor dem Einsichtsrecht geschützt213. Die im Gesetz vorgesehene Einschaltung des Bundes-/Landesdatenschutzbeauftragten bei Meinungsverschiedenheiten über den Umfang des Auskunftsanspruchs ist aber kein rechtsförmliches Verfahren und damit nicht justiziabel (vgl. § 12 Bundes-IFG).
2.Anlieger an Straßen
62Der Gemeingebrauch des Straßenanliegers214 fällt in den Schutzbereich des Art. 14 GG. Der Anliegergebrauch vermittelt keine aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ableitbare Rechtsposition. Wie weit er gewährleistet ist, richtet sich nach dem einschlägigen Landesstraßenrecht, bei dessen Ausgestaltung der Gesetzgeber dem Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowie dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen hat215. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Erhaltung des Zugangs zum Weg216, nicht jedoch auf ordnungsbehördliche Maßnahmen auf einer öffentlichen Straße217. Der Anlieger ist klagebefugt, wenn das Nachbargrundstück für den öffentlichen Verkehr gewidmet wird, als Parkplatz, öffentliche Straße und auf jeden Fall auch dann, wenn dem Anlieger dadurch besondere Pflichten auferlegt werden, z. B. Wegeräumungs- und Reinigungspflichten218. Wird durch den Straßenverkehr (Immissionen) in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit oder das Eigentumsgrundrecht eingegriffen, hat der Anlieger einen Abwehranspruch gegen die den Straßenverkehr zulassende Maßnahme219. Keine Klagebefugnis besteht gegen die Umbenennung eines Straßennamens, weil damit nicht in eine Rechtsposition des Anliegers eingegriffen wird und die entsprechenden straßenrechtlichen Bestimmungen keinen Einzelinteressen zu dienen bestimmt sind220. § 2 Abs. 1 EKrG entfaltet drittschützende Wirkung gegenüber einem Anlieger auch dann nicht, wenn dieser auf die Benutzung der neu herzustellenden Kreuzung zwischen einer Bundesstraße und einer Bahnstrecke in gesteigertem Maße angewiesen sein wird221.
63Dem Anlieger wird eine Klagebefugnis gegen verkehrsrechtliche Anordnungen zugebilligt, sei es für oder gegen die Einrichtung einer Tempo-30-Zone oder zur Verbesserung der Zufahrtsmöglichkeit auf dem Grundstück222. Künstlerische oder werbende Betätigung auf einer Straße kann auch als Sondernutzung angesehen werden223. Zur Kostenschuld bei Genehmigung von Sondernutzungen vgl. BVerwGE 58, 316, auch BVerwGE 58, 336 zum Veranlassungsprinzip nach PBefG.
3.Atomkraft
64Zum Recht auf Teilhabe am Verfahren vgl. den Beschluss des BVerfG zum KKW Mülheim-Kärlich224. Im Atomrecht ist die Grundaussage für den Schutz von Leben und Gesundheit in § 1 Nr. 2 und Nr. 3 AtG drittschützend225. Anwohner der Transportstrecke können atomrechtliche Beförderungsgenehmigungen zur gerichtlichen Prüfung stellen (§ 4 Abs. 2 AtG)226. Die Vorschrift über die Gewährleistung des erforderlichen Schutzes eines Standortzwischenlagers gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG) dient auch dem Schutz individueller Rechte eines in der Nähe des Zwischenlagers wohnenden Drittbetroffenen. Der Drittschutz ist nicht auf die erforderliche Schadensvorsorge gegen Auslegungsstörfälle beschränkt227. Die Genehmigungsvoraussetzungen in § 7 Abs. 2 Nr. 3 und 5 AtG haben nachbarschützenden Charakter228, auch soweit es um den individuellen, vorbeugenden Gesundheitsschutz geht229; das Gleiche gilt für das Schutzkonzept in §§ 46 f. StrahlenschutzVO230, das dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht231. Unterschiedlich ist die Frage entschieden, ob auch § 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AtG drittschützende Wirkung hat232. Das vorläufige positive Gesamturteil hat, soweit es die Einhaltung vorhabenbezogener Genehmigungsvoraussetzungen sicherstellen soll, die drittschützend sind, ebenfalls drittschützende Wirkung233. Bei einer wesentlichen Änderung bezieht sich die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen auch auf diejenigen Anlagenteile und Verfahrensschritte der genehmigten Anlage, auf die sich die Änderung auswirkt234. Die Berücksichtigung der Entsorgungsvorsorge nach § 9a AtG erfolgt im Rahmen des Versagensermessens und vermittelt daher keinen Drittschutz235, wohl aber das Planfeststellungsverfahren nach § 9b AtG236. Im Anschluss an BVerfGE 53, 30 hat das BVerwG entschieden, dass die Beteiligung potenziell betroffener Dritter im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren einem verfassungsrechtlich eingeräumten, vorverlagerten Rechtsschutz dient und diesen damit eine gegenüber dem materiellen Recht eigenständige Rechtsposition einräumt237. Zum Anlagenbegriff vgl. BVerwGE 80, 21 sowie Rupp DVBl. 1989, 345; zum Verhältnis von Anlagen- und Betriebsgenehmigung sowie von Aufsicht und Genehmigung vgl. BVerwGE 104, 36. Zum Ausstieg aus der Atomenergie vgl. die Vereinbarung vom 14.6.2000 zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgern, die einen interessanten öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellt238.