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a) Berufswahlfreiheit

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Soweit Dritte die Rechtsbesorgung zur beruflichen Betätigung machen wollen, handelt es sich um einen rechtserheblichen Eingriff in die Berufswahlfreiheit in Form einer subjektiven Zulassungsvoraussetzung. Als Beispiel sei verwiesen auf den – damals neuen – Beruf der Patentüberwachung, im Hinblick auf den das BVerfG in der Masterpatentscheidung das Verbot unter Berufung auf das RBerG für unvereinbar mit Art. 12 I GG erklärte:[155]

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„Durch den Eingriff auf der Ebene der Berufswahl wird der Freiheitsanspruch des Einzelnen in besonders empfindlicher Weise berührt. Deshalb sind an den Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Freiheitsbeschränkung besonders strenge Anforderungen zu stellen. Es muss im allgemeinen um die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut gehen (BVerfGE 7, 377 <408>). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit muss vor allem auf die Berufswirklichkeit mit ihren Veränderungen Bedacht genommen werden (BVerfGE 78, 179 <193>).

Entwickeln sich Spezialberufe, die auf kleine und einfach zu beherrschende Ausschnitte anderer Tätigkeiten mit festgelegtem Berufsbild beschränkt sind, ist deren Verbot nur erforderlich, wenn dies ernsthaft einer solchen Gefahrenabwehr dient. Spezialisten, die nicht auf dem breiten Fundament des Vollberufs aufbauen, sondern einfache und abgrenzbare Tätigkeiten zum Berufsinhalt machen, können die dem Gesamtberufsbild zugeordneten Gemeinwohlbelange in aller Regel nur in Ausschnitten gefährden. Werden die Berufszugangsvoraussetzungen an den Erfordernissen eines hochentwickelten Gesamtberufs, wie dem der Anwaltschaft, ausgerichtet, sind die Anforderungen um so höher, je breiter die in dem Beruf versammelten Aufgaben angelegt sind. In bezug auf einzelne Teiltätigkeiten haben die Anforderungen stets überschießenden Charakter. Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist daher entscheidend, ob die Teiltätigkeit als sozial abgrenzbare Aktivität mit eigenem, von dem sonstigen Berufsinhalt geschiedenen charakteristischen Gepräge im Hinblick auf die zu wahrenden Gemeinwohlbelange bei Anlegung eines besonders strengen Maßstabs verboten werden muss.

aa) Dass es sich bei der von den Beschwerdeführerinnen angebotenen Serviceleistung um einen Beruf mit eigenem und abgrenzbarem Aufgabenbereich und eigenem Gepräge handelt, erschließt sich nicht zuletzt daraus, dass solche Dienstleistungen innerhalb der Europäischen Union erlaubtermaßen angeboten und in Anspruch genommen werden, sofern sich der Sitz des Marktteilnehmers nicht in Deutschland befindet. Die Ausgliederung dieses Aufgabenbereichs durch die Patentanwälte selbst verstärkt diese Beobachtung. Aufgaben, die die Anwaltschaft regelmäßig nicht mehr selbst übernimmt, sondern ihrem nicht juristischen Personal oder Dritten überlässt, habenungeachtet der beim Anwalt verbleibenden Haftungnicht mehr ein solches Gewicht, dass für sie die volle Kompetenz erforderlich ist. Gerade die freien Berufe werden dadurch charakterisiert, dass qualifizierte Berufsangehörige in persönlicher Verantwortung selbst die wesentlichen Berufsaufgaben wahrnehmen. Soweit Anleitung und Lenkung von Hilfskräften zur Aufgabenerfüllung ausreichend sind, erscheinen mildere Mittel als der Eingriff in die Berufswahl möglich, um den im Interesse des Gemeinwohls gebotenen Standard zu erhalten.

bb) Ob spezialisierte Berufe minderer Qualifikation der freien Berufswahl offenstehen oder um wichtiger Gemeinschaftsbelange willen dem Vollberuf vorbehalten bleiben, richtet sich im übrigen nicht danach, ob für die Spezialisierung bereits ein hergebrachtes und vom Gesetzgeber geregeltes Berufsbild besteht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in einigen Entscheidungen ausgeführt, dass in den ihnen zugrunde liegenden Fällen die Berufsfreiheit für solche herkömmlichen Spezialtätigkeiten beansprucht werden durfte, die nach Anforderungsprofil und Aufgabenbereich bekannt waren (BVerfGE 54, 301; 59, 302; 75, 284). Dieser Sachverhalt war insofern von Bedeutung, als hierdurch kenntlich gemacht werden konnte, dass es sich um Berufe im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG handelte. Die Entscheidungen schließen jedoch nicht aus, dass – wie im vorliegenden Fall – auch die Weiterentwicklung des Dienstleistungsmarktes neue Berufe hervorbringt, die den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG genießen. Dies ist vielmehr seit jeher unbestritten (vgl. BVerfGE 7, 377 <397>; 54, 301 <313>; 78, 179 <199>). Entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs hängt die Anerkennung eines Berufes nicht davon ab, dass der Gesetzgeber bereits ein Berufsbild entwickelt hat. Dies könnte allenfalls von Bedeutung sein, wenn ohne Ausbildungsprofil und ohne spezielle Haftungsvorschriften eine Gefährdung der Kundeninteressen oder der Rechtspflege zu besorgen wäre. Beides ist hier nicht ersichtlich …“

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