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(1) Zwingende Vorgaben des Unionsrechts
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Sie könnten zwar über den Umweg einer deutschen Anwendungsmaßnahme, d.h. nationale Hoheitsgewalt, zum Prüfungsgegenstand des BVerfG werden.[65] Schließlich handelt bei der Umsetzung und Vollziehung von Maßnahmen der Union deutsche staatliche Gewalt i.S.v. Art. 1 Abs. 3 GG. Andererseits darf die auf Unionsrecht beruhende Verpflichtung, Unionsrecht zu vollziehen und umzusetzen, nicht dadurch unterlaufen werden, dass über den Umsetzungs- oder Vollzugsakt sekundäres Unionsrecht am Maßstab der Grundrechte überprüft wird. Soweit daher das Unionsrecht den Mitgliedstaaten zwingende Vorgaben macht, ist es nicht an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen. Aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts fehlt dem BVerfG letztlich die Zuständigkeit, auf Gemeinschaftsrecht gestützte Akte deutscher Behörden und Gerichte am Maßstab des Grundgesetzes und damit der Grundrechte zu messen. Zudem sind die Gerichte verpflichtet, zuvor den EuGH über das Vorabentscheidungsverfahren auch zur Frage der Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit EU-Grundrechten zu konsultieren.[66]
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Dementsprechend haben z.B. die deutschen Verwaltungsgerichte[67] die Solange-II-Rechtsprechung mit dem Verzicht des BVerfG auf eine Kontrolle von unmittelbar geltendem Gemeinschaftsrecht wie Verordnungen auf richtliniengebundene Gebots- und Verbotsnormen des nationalen Verwaltungsrechts übertragen. Das BVerfG[68] hat diese Rechtsprechung u.a. in Entscheidungen zum Hamburger Ärztegesetz,[69] und zur Futtermittelverordnung[70] gebilligt, ohne dabei wie in der Literatur zum Teil gefordert[71] zu differenzieren zwischen den Fällen, in denen eine Richtlinienbestimmung ausnahmsweise nach Maßgabe der EuGH-Rechtsprechung unmittelbare Rechtswirkung gegenüber bzw. zu Gunsten des Einzelnen erzeugt.