Читать книгу Der Erzherzog, der den Schwarzmarkt regierte, Matrosen liebte und mein Großvater wurde - Natalka Sniadanko - Страница 18

Ostern

Оглавление

Ostern feierte man üblicherweise am Meer. Das Fest begann mit dem Bemalen der Ostereier. Gründonnerstag war der einzige Tag im Jahr, an dem nicht nur Willy, sondern alle Kinder in Maria Theresias Werkstatt durften, wo bereits alles vorbereitet war. Jedes Kind bekam einige Kistkas und so viele Eier, wie es wollte. Mit dem flüssigen Wachs der Kistkas malten die Kinder große Blumen auf die Eier, in einem konzentrierten Zwiebelsud bekamen sie dann den satten Farbton von Buchenrinde. Wenn sie die Eier herausholten, wischten sie das Wachs ab und auf den Ostereiern erschienen weiße Blütenblätter auf dunklem Hintergrund.

Am Freitag besuchte man die Epitaphios-Gottesdienste. An diesem Tag fuhr die Familie des Erzherzogs in ihre Villa in der Stadt Pola, von wo sie die Gottesdienste zu Fuß erreichen konnten. Selbst wenn Ostern in den April fiel, war es hier heißer als in Wien im August. Trotzdem kleidete sich die ganze Familie in Schwarz und ging um zehn Uhr Vormittag in die Kathedrale, die „sehr schön, sehr alt und sehr italienisch“ war, wie Miss Ryan es ausdrückte.

Für die Familie des Erzherzogs gab es in der Kirche spezielle Plätze: mit Gold verzierte Stühle mit purpurroten Sitzkissen. Die vom alten italienischen Priester Don Antonio zelebrierten Gottesdienste der Osterwoche blieben Wilhelm am besten im Gedächtnis. Am Karfreitag ging man danach noch zweimal zur Kirche: um drei Uhr und zur Abendmesse um sieben. Deshalb wurde das Mittagessen auf sechs Uhr verschoben. Während der Fastenzeit wurde in Podjavori mittwochs und freitags kein Fleisch gegessen. Und an den letzten vier Tagen der Fastenzeit verzichtete man auch auf Eier, Butter und Milch. Das verlangte vom Koch große Fantasie, denn er musste schmackhafte Fastenspeisen zubereiten.

Einmal blieb Willy während des Abendgottesdienstes am Karfreitag hinter den anderen zurück und ging in der Menge verloren. Da es ihm unangenehm war, sich durch die Menge zu den Seinigen durchzuschlagen, blieb er einige Zeit bei den Kindern aus der Stadt stehen. Manche hatte er früher auf der Straße getroffen und erkannte sie jetzt wieder, andere waren so sorgfältig gebürstet und festlich gekleidet, dass sie nicht wiederzuerkennen waren. Als Willy gegen Ende des Gottesdienstes bemerkte, dass er nicht rechts auf der Männerseite stand, sondern links bei den Frauen und Kindern, errötete er. In diesem Augenblick schritt Don Antonio gemeinsam mit den anderen Priestern in violetten Gewändern die Altarstufen hinab, unter einem großen bestickten Baldachin trugen sie das Kreuz. Die Priester blieben bei der Familie des Erzherzogs stehen, dieser küsste das Kreuz, danach verließ die festliche Prozession – vorne die Priester, dahinter die Messbesucher mit brennenden Kerzen in der Hand – die Kirche und zog langsam durch die Straßen der Stadt zum Hauptplatz. Dort hatten sich viele Sommerfrischler versammelt, die eigens gekommen waren, um die ungewöhnliche Zeremonie zu sehen. Mehr als zwei Stunden lang bewegte sich die Kreuzprozession von einer Straße zur nächsten, von einer Kapelle zur anderen. Währenddessen brannten in jedem Fenster der Stadt zwei Kerzen.

Zum Glück hatten die Eltern Willys Abwesenheit nicht bemerkt, und so gesellte er sich beim Verlassen der Kirche wieder zu ihnen, nur die Geschwister warfen ihm neugierige Blicke zu. Am Abend vor dem Einschlafen erzählte er ihnen, eine hübsche Italienerin habe ihn aus der Kirche gelockt und in einer schattigen Allee des Parks gezwungen, sie zu küssen. Seine Erzählung war so überzeugend, dass sogar Eleonora ihm glaubte. Doch am Ende verriet er sich selbst, weil er das Lachen nicht mehr zurückhalten konnte.

Die Karfreitagszeremonie war der anstrengendste Teil der Osterfeierlichkeiten. Dagegen verlief der Sonntag locker und sorglos. Don Antonio und die anderen Priester der Stadt waren bei den Habsburgern zum Mittagessen eingeladen. Danach zogen die Kinder los, um Eier zu suchen. Die Erwachsenen hatten riesige, in buntes Papier verpackte Schokoladeneier mit teuren Geschenken darin im Garten versteckt.

Am Ostersonntag zierten Teller mit bemalten Ostereiern die Festtagstafel, zwischen den Eiern lag dünn aufgeschnittener Schinken. Doch weder die Eier noch den Schinken aß man, denn sie wurden später an die Armen verteilt.

Das größte Ereignis am Ostermontag war die alljährliche kleine Regatta, die von Karl Stephan organisiert und von allen Einheimischen verfolgt wurde.

Der Erzherzog, der den Schwarzmarkt regierte, Matrosen liebte und mein Großvater wurde

Подняться наверх