Читать книгу Der Erzherzog, der den Schwarzmarkt regierte, Matrosen liebte und mein Großvater wurde - Natalka Sniadanko - Страница 23

2008

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„Woher ist Ihr Flugzeug gekommen? Aus Deutschland?“, fragte der Taxifahrer Halyna auf dem Weg vom Wiener Flughafen zum Hotel.

„Nein, aus der Ukraine“, antwortete sie.

„Aus der Ukraine?“ Der Taxilenker blühte auf. „Ich bin auch nicht von hier. Ich bin in Salzburg geboren, in der Stadt Mozarts. Kennen Sie die Stadt?“

„Ja“, sagte Halyna.

„Hier meine Visitenkarte, rufen Sie mich an! Ich bringe Sie überallhin, und das zu einem guten Preis. Und ich kann Ihnen das beste Restaurant der Stadt zeigen. Wollen Sie?“

Ohne auf eine Antwort zu warten, fügte er hinzu:

„Dort kocht jeden Monat ein anderer Koch. Alle sind weltberühmte Starköche, die besten und bekanntesten. Jeden Monat ein anderer, und jeder unübertrefflich. Man muss ein paar Wochen im Voraus einen Tisch reservieren, und ein Mittagessen kostet um die fünfhundert Euro. Immer wenn ich es mir leisten kann, gehe ich dorthin. Denn Essen ist das Wichtigste.“

„Das stimmt“, pflichtete Halyna ihm bei.

Der Taxifahrer sprach sehr schnell und sie verstand nicht alles. Er schien ihre Gedanken zu lesen:

„Na klar, wenn Sie aus der Ukraine sind, verstehen Sie mich sicher nicht so gut. Die Deutschen und wir sprechen eine ähnliche Sprache, aber ich könnte nie in Deutschland leben, dort haben sie einfach keine Esskultur. Aber die Ukraine ist da ganz anders. Die Ukrainer haben eine sehr hohe Esskultur. Ich habe einen Patensohn, seine Familie ist aus der Ukraine nach Österreich gezogen. Ich war zweimal in Kiew. Die Esskultur dort ist hervorragend. Fast wie bei den Jugoslawen. Waren Sie in Kroatien?“

„Ja.“

„Dort legen sie auch viel Wert auf die Esskultur. Und von uns ist es gar nicht weit dorthin. Ein paar Stunden mit dem Auto, und schon ist man am Meer. Ich mache keinen Unterschied zwischen Serben und Kroaten, ich nenn sie alle Jugos. Meine jugoslawischen Freunde nehmen mir das schon lange nicht mehr übel. Und alle kochen sehr gut. Waren Sie schon mal in Deutschland?“

„Ja.“

„In Deutschland könnte ich nicht leben, dort gibt es kein frisches Essen mehr. In den Geschäften nichts als Konserven. Die Deutschen essen nur so etwas. Ich habe eine Freundin aus Deutschland. Wenn sie zu mir kommt und sieht, dass ich beim Kochen frische Lebensmittel verwende und nicht nur Konserven aufwärme, wundert sie sich. Aber essen tut sie dann für zwei. Ist nur selbst zu faul zum Kochen. In Deutschland kann man nicht einmal im Restaurant gut essen. Waren Sie dort schon einmal in einem Restaurant?“

„Ja.“

„Dann wissen Sie, was ich meine. Es ist schrecklich! Einmal habe ich dort ein Wiener Schnitzel mit Pommes bestellt. Und was glauben Sie? Ich habe ein Schnitzel bekommen, so dick wie mein Finger, vom Schwein und noch dazu wie ein Pariser herausgebacken. Wo gibt es so was? Ein Wiener Schnitzel muss hauchdünn und vom Kalb sein. Und niemand zieht es durch ein Mehl-Ei-Gemisch. Es muss paniert werden. Und nur in Butter gebraten, die lecker vom fertigen Schnitzel auf die Erdäpfel tropft, niemals in Öl. Und die Pommes? Stellen Sie sich vor, die haben Sauce über die Pommes gegossen. Ekelhaft – in Sauce aufgeweichte Pommes! Ich habe die Kellnerin gerufen und gefragt: ‚Was ist das?‘ Sie darauf: ‚Ein Wiener Schnitzel.‘ ‚Wenn das ein Wiener Schnitzel ist, wieso ist es dann nicht so zubereitet wie in Wien?‘, frage ich. ‚Wenn Sie dieses Gericht so nennen, müssen Sie es auch dementsprechend zubereiten.‘ Darauf sie: ‚Sind Sie Österreicher?‘ ‚Ja‘, sage ich. Sie lacht und meint: ‚Dann sind Sie ein Trockenesser.‘ So nennen uns die Deutschen, weil wir nicht jedes Essen mit einer schrecklichen Sauce verderben. Wir sind überhaupt keine Trockenesser. Wir essen so, wie es sich gehört, und nicht wie die Deutschen, die kein Fünkchen von Esskultur haben. Ihr Ukrainer seid da ganz anders. Ich kann mich noch gut an euren Borschtsch und eure Warenikyerinnern. Kennen Sie Borschtsch und Wareniky?“

Halyna nickte.

„Ein anderes Mal wollte ich in Deutschland eine Wurstsemmel kaufen. Ich bestelle also ‚eine Semmel mit Extrawurst‘. Die dumme Deutsche steht da und schaut mich an, als wüsste sie nicht, was eine Extrawurstsemmel ist. Ich zeige also auf die Vitrine. Sie sagt: ‚Das ist ein Brötchen.‘ Was für ein Brötchen soll das sein, wenn es eine Semmel ist! Dann zeige ich auf die Extrawurst. Und sie: ‚Das ist Mortadella.‘ Was für eine Mortadella soll das sein, wenn es Extrawurst ist?! Dann schneidet sie mir eine Scheibe Wurst ab und Sie werden es nicht glauben – fast zwei Zentimeter dick! Wenn man sie so schneidet, dann ist es wirklich keine Extrawurst mehr. Ich habe damals jedenfalls keine normale Extrawurstsemmel bekommen. Nicht ums Verrecken könnte ich in diesem Deutschland leben.“

Halyna seufzte erleichtert, als sie das Schild ihres Hotels erblickte.

Der Erzherzog, der den Schwarzmarkt regierte, Matrosen liebte und mein Großvater wurde

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